41. Kapitel - Familie

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PoV. Sam

Gestern Abend blieb es nach dem Gespräch mit Cedric sehr ruhig. Collin hat nicht wirklich viel gesagt, er meinte nur, ich bräuchte keine Angst vor dem Typen aus der Kantine haben. Weil ich so perplex von seiner Aussage war, habe ich auch gar nichts darauf erwiedern können. Aber der glaubt das doch nicht ernsthaft oder? Ich dachte Collin würde mindestens auf die selbe Idee wie Cedric kommen. Der mich ja noch gar nicht so gut kennt. Doch scheinbar habe ich ihm zu viel zugemutet.

Ich esse gerade mein Frühstück mit Kenan und Aron, der Rest ist schon weg. Vermutlich die Aufgaben erledigen, die Collin ihnen vor ein paar Minuten gegeben hat. <Wirst du heute beim Training schießen?>, fragt Kenan angenervt. Ich habe das Gefühl, dass seit ich hier eingezogen bin, er mich nicht leiden kann. Vorher war unser Verhältnis anders, nicht gut, aber neutral. <Sicher nicht.>, antworte ich ihm genauso genervt. Was er kann, kann ich schon lange. <Wieso eigentlich nicht? Du bist doch die beste darin.>, mischt sich Aron plötzlich mit ein. Kenan wirft ihm einen bösen Blick zu, der den kleinen Aron etwas einschüchtert. Daher fokussiert er sich nun wieder auf seinen Teller mit Müsli. <Ich habe meine Gründe.>, antworte ich bloß.

Erschrocken zucke ich zusammen, als Kenan plötzlich laut wird: <Jetzt reichts aber, du hast absolut keinen Grund dazu dich so anzustellen! Du bist hier nicht die Königin Sam, du bist in der Mafia. Wir sind eine Familie und kämpfen zusammen…!> <Ach ihr habt doch keine Ahnung von Familie!>, schreie ich zurück. Sofort ist es still, beide sehen mich mit glasigen Augen an. Sind sie bei dem Thema so sensibel? Habe ich was falsches gesagt? Die Mafia ist eine Verbrecherorganisation und hat nichts mit Familie zu tun.
Meine hat sie zerstört!
Ich habe allen Grund sauer zu sein! <Sam gerade du solltest es zu schätzen wissen, zu unserer Familie gehören zu dürfen.> <Zu einer richtigen Familie gehören Eltern, sie leben zusammen mit ihren Kindern in einem schönen Haus mit Garten und sind auf gar keinen Fall Teil der Mafia.>, gebe ich meine Meinung wieder.

<Und was machen die, die keine Eltern haben?>, fragt Aron nun traurig. <Die werden im Heim großgezogen.>, antworte ich selbstverständlich und meine das in keinem Fall böse.
<Und wenn man rausgeschmissen wird, wo soll man dann hin?>, fragt Aron weiter. Die Tränen in seinen Augen entgehen mir nicht. Warum ist dieses Thema so emotional? <Man wird da nicht einfach so rausgeschmissen, das hat Gründe.>, sage ich. <Sam wach aus deinem “perfekte Welt”-Traum auf. Sie haben ihn aus dem Heim geschmissen, weil er nicht ihren Sklaven spielen wollte. Wo soll ein 16-jähriger dann hin? Glaubst du auf der Straße wäre er richtig aufgehoben gewesen? Aron hat keine Eltern, wir sind jetzt seine Familie und wir passen auf ihn auf.>, erklärt Kenan gereizt. Geschockt sehe ich Aron an, ich wusste das nicht. Jetzt tut es mir leid, was ich gesagt habe: <Oh das tut…>
Doch Kenan lässt mich nicht ausreden: <Nein lass es einfach, keiner von uns will dein Mitleid. Du bist nicht anders als wir! Du musst es bloß noch begreifen.>

Er macht eine Pause und fährt fort: <Als meine Eltern vor drei Jahren gestorben sind, hat es mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich dachte mein ganzes Leben wäre vorbei, doch unsere Mafia war für mich da. Ist meine verbliebene Familie und die beste, die ich mir vorstellen könnte. Nachdem du von Matteo abgehauen bist, kamst du zu uns. Wieso? Weil dein Vater dich ersetzt hat. Dein einziger Halt waren wir, am meisten Collin und er hat dich aufgenommen. Er hätte dich wie andere einfach umbringen können, aber er hat es nicht getan. Warum verstehe ich zwar nicht, aber du gehörst nun dazu. Wir sind dein Fels in der Brandung, wenn alles droht wegzuschwimmen. Du kannst uns vollkommen vertrauen und wir vertrauen dir. Also zeig mal etwas Dankbarkeit, keiner von uns kann etwas dafür, dass du hier bist. Du bist zu uns gekommen, nachdem du frei warst. Nicht wir zu dir.> <Das stimmt doch gar nicht, Cedric hat die anderen Mafias auf mich aufmerksam gemacht. Ich habe mich vor euch versteckt.>, wiederspreche ich ihm. <Ja Cedrics Verhalten war aufgrund seiner Unwissenheit etwas auffällig. Aber glaube mir, wir und vorallem Collin wussten immer wo du steckst. Weil wir auf dich aufgepasst haben und als es dann gefährlich wurde haben wir dich gerettet. Also schieb uns nicht die Schuld der anderen in die Schuhe. Angefangen hat alles doch nur wegen deinem ach so tollen Vater. Der dich, nachdem du entführt und fälschlicherweise für tot erklärt wurdest, einfach ersetzt hat. Wir sind nicht die bösen in deinem Leben, versteh das endlich.>, damit verlässt Kenan die Küche und nach kurzer Zeit hört man auch, wie er die Wohnung verlässt.

Ich fühle mich schlecht, sehe zu Aron der in seinem Müsli herumstochert. <Es tut mir unfassbar dolle leid, ich wusste es nicht.>, entschuldige ich mich bei ihm. <Alles gut, woher hättest du das auch wissen sollen. Ist ja kein Thema was wir täglich bereden. Ich kann verstehen, warum du so denkst. Aber versuch einfach mal uns nicht als die Bösen zu sehen.>, damit lässt auch Aron mich alleine zurück und geht vermutlich seinem Auftrag nach. Was genau weiß ich nicht mehr.

Mein Kopf ist leergefegt, alle meine Gedanken kreisen um Kenan und Arons Worte. Zu Anfang hat es für mich völlig verdreht geklungen, doch nun habe ich das Gefühl, dass es vielleicht mehr Wahrheit enthält, als ich dachte. Ich fühle mich unfassbar schlecht und möchte am liebsten direkt ins Bett. Mich in der Decke verkriechen und am besten verschwinden. Wie konnte ich ihnen bloß so unrecht tun, obwohl sie wirklich versucht haben alles wieder gut zu machen. Rückgängig geht natürlich nicht mehr, aber sie haben mir ein sicheres Leben in ihrer Familie geschenkt.

Wie Kenan schon gesagt hat, er weiß nicht wieso Collin so entschieden hat, aber es ist egal sie sind für mich da.

Jetzt muss ich auch für sie da sein und das werde ich.

Und trotzdem schwebt da noch diese eine Frage durch meinen Kopf:

Warum Collin?

Im Auge der MafiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt