#12 Ein wenig Ruhe

65 8 2
                                    

Logan

Der Plan, mit Jordan an den See am Stadtrand zu fahren, fiel ins Wasser, nachdem ich von der Polizei befragt wurde, ob mein Blumenstrauß etwas mit dem versuchten Diebstahl zu tun hatte. Er hatte mir danach nur eine kurze Nachricht geschrieben, dass mit ihm alles in Ordnung sei. Ich glaubte ihm das im Physischen Sinne, aber nicht im Psychischen. Mit der Tüte vom Asiaten stieg ich aus dem Auto und klingelte. Von Zoe wusste ich, dass er alleine sein musste, da sie dienstags ihren Yogakurs hatte.

„Hey, komm rein", forderte Jordan mich auf, nachdem er die Tür geöffnet hatte. Er sah aus, als ob er gerade erst aufgestanden wären. Seine Haare standen wild von seinem Kopf ab, die Augen nur halb geöffnet. Ich vermutete, dass seine rechte Wange gerötet war, weil er auf der Seite gelegen hatte. „Du siehst nicht gut aus", sagte ich, als wir uns an den Küchentisch setzten.

Jordan nickte nur und nahm dankend die Plastikschale mit den gebratenen Nudeln entgegen. Dass irgendwas nicht stimmte, merkte ich direkt an seiner ruhigen Art. Er schien abwesend zu sein, denn er schaute mehrere Sekunden sein Essen an, bis er mehrfach blinzelte und sich schließlich die Gabel in den Mund schob. Schweigend aßen wir, wobei ich merkte, dass er sich öfter an den Übergang von Hals zu Schulter fasste und die Stelle kurz massierte.

„Wo hast du Schmerzen?", fragte ich nach. Erstaunst legte Jordan seinen Kopf schief. „Schulterblätter", antwortete er. Schmunzelnd stand ich auf und legte meine Hände auf seine Schultern. Kurz spannte er die Muskeln unter meiner Berührung an. „Darf ich?", wollte ich wissen. Zögerlich nickte er.

Sanft drückte ich mit den Daumen zu, um herauszufinden, wo genau der Schmerz lag. Als ich die Stelle fand, übte ich mehr Druck aus. Beide Seiten waren vollkommen verspannt, was wahrscheinlich daran lag, dass er so viel arbeitete. Wohlig seufzte Jordan auf, wobei er sogar seinen Kopf nach vorne fallen ließ. Aufgrund seines Pullovers rutschte ich immer wieder ab, wodurch ich ihm diesen am liebsten ausgezogen hätte. Er neigte seinen Kopf von rechts nach links, wodurch ich meine Hände hochwandern ließ. Mit den Daumen rieb ich über das Ende seines Nackens.

„Was hattest du eigentlich geplant gehabt?", fragte Jordan nach. „Ich wollte mit dir an den See fahren", antwortete ich. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen legte er seinen Kopf in den Nacken. „Das wäre schön gewesen", sagte er. „Wenn du möchtest, können wir das noch immer machen", bot ich ihm an. Leise seufzte er, wobei seine Mundwinkel wieder herabfielen. „Nein, lieber nicht", entschied er, wobei er wieder wegschaute.

Verstehend nickte ich, denn ich vermutete, dass Jordan nach dem Erlebnis nicht rausgehen wollte. Sanft ließ ich meine Hände von seinem Nacken zu Oberarmen gleiten. Ich war versucht ihm einen Kuss auf die Haare zu geben, aber ich widerstand der Versuchung. Da ich nicht dämlich hinter ihm stehen bleiben wollte, packte ich unsere Plastikschalen zurück in die Tüte und diese in den Mülleimer. Jordan war in der Zwischenzeit aufgestanden und hatte sich ein Glas Rotwein eingeschüttet. Mit einem aufgezwungenen Lächeln hielt er mir ebenfalls ein Glas hin, welches ich dankend annahm. Eine einzige Handbewegung reichte aus, damit ich ihm ins Wohnzimmer folgte.

„Wie lange bleibst du noch?", fragte Jordan nach, als wir uns auf der Couch niederließen. Ich war mir unsicher, ob er mich loswerden wollte. Da wir uns gegenüber saßen, konnte ich in seinen Augen erkennen, dass er Angst hatte. „Solange wie du möchtest, da ich morgen frei habe", antwortete ich. Überrascht hob er seine Augenbrauen. „Kannst du vielleicht hier übernachten?", er klang unsicher. „Wenn du mir zum schlafen eine Jogginghose leihst, habe ich kein Problem damit", antwortete ich.

Zwar wollte ich seine augenscheinliche Angst nicht ausnutzen, aber sie kam mir nicht unpassend. Mehr gemeinsame Zeit war nämlich nicht verkehrt. Ich wusste nicht, ob es angebracht war, aber ich zog ihn an mich, als er nach der Fernbedienung griff, wodurch er einen erschrockenen Laut von sich gab. Am liebsten vermittelte ich Sicherheit mit Berührungen und Nähe. Jordan sagte nichts, sondern entspannte sich. Er konnte seine Unsicherheit nicht überspielen, als er seinen Kopf gegen mein Schlüsselbein lehnte. Mit ihm zusammen setzte ich mich noch ein Stück nach hinten, damit ich ein Kissen in meinem Rücken hatte. Federleicht legte ich meine Hände ineinander gefaltet auf seinem Bauch ab.

Zeit ist GeldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt