#40 Auferstehen

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Logan

In der prallen Sonne war ich froh, dass ich mich gegen einen Anzug für Dads Beerdigung entschieden hatte. Ehrlich gesagt, hatte er so etwas sowieso nicht verdient. Ich empfand keine Trauer, sondern Erleichterung. Anderthalb Jahre hatte ich auf diesen Tag gewartet. Voller Sehnsucht, Hass und Hoffnung. Endlich konnte ich Jordan wieder sehen, auch wenn ich Angst hatte. Ich wusste, dass es ihm nicht gut ergangen war, was mir weh tat, aber ich hatte es für uns beide getan. Nach der ganzen Zeit hoffte ich, dass er mir verzeihen konnte oder mir zumindest zuhörte. Er musste die Wahrheit erfahren, auch wenn das bedeutete, dass er mich danach nie wieder sehen wollen würde. Das Risiko war es mir wert. Leider bestand die Möglichkeit, dass er nicht nur mich aus seinem Leben verbannen würde.

„Menschen spurlos umzubringen liegt dir", sagte ich leise, als Jamie neben mich trat. Meines Wissens nach, war Dad die vierte Person, die durch seine Hand von uns ging. „Du schuldest mir etwas, denn deine Gefallen bei mir sind aufgebraucht", murmelte mein Bruder. Wir hatten schon längst den Preis dafür vereinbart, aber es würde noch dauern, bis ich zahlen konnte. „Ich weiß, aber jetzt muss ich erstmal von den Toten auferstehen", meinte ich.

Jamie mochte es nicht, wenn man ihn umarmte, aber ich tat es trotzdem, um ihm meine Dankbarkeit zu demonstrieren. Ausnahmsweise ließ er es zu und drückte mich sogar an sich. Ich gab es ungerne zu, aber ich hatte ihn vermisst. Als wir uns voneinander lösten, lächelte er mich ehrlich an, was nicht häufig passierte. Selten drangen Emotionen bei ihm ans Licht. Mit einer Handbewegung deutete er mir, dass ich verschwinden sollte. Mein erster Weg würde leider nicht zu Jordan führen, da ich noch mit jemand anderem reden musste.

***

Als ich aus dem Auto ausstieg, zog ich mir meine Cap weiter ins Gesicht, damit man mich nicht erkannte. Schnell rannte ich über die Straße zum Wohnhaus, wo ich direkt mehrfach klingelte. Da ich mich angekündigt hatte, dauerte es nicht lange, bis das Summen ertönte und ich in den ersten Stock gehen konnte. Bevor ich überhaupt reagieren konnte, hatte Marek mich stürmisch umarmt. Lachend fuhr ich ihm durch die Haare, während ich einen Arm um ihn legte. Nachdem ich ihn vorgeschlagen hatte, dass wir in seine Wohnung gehen sollte, löste er sich von mir und ließ mir den Vortritt. Nichts hatte sich in den anderthalb Jahren geändert. Noch während ich den Flur passierte, bot er mir ein Glas Wasser an, welches ich dankend annahm.

„Du hast kurze Haare", fiel Marek auf, als ich die Cap abnahm. Das war wohl die einzige optische Veränderung. „Es musste sein", sagte ich. Wie seine Wohnung hatte er sich kein Stück verändert. „Ich muss dir etwas sagen", murmelte er.

Erwartungsvoll schaute ich ihn an, obwohl ich bereits vermutete, worum es ging. Mein Plan hatte viele Risiken gehabt, aber ich war jegliches eingegangen. Jordans Leben war mir wichtiger gewesen als alles andere. Unsicher tippte Marek auf seinem Oberschenkel herum, wodurch ich seine Hand in meine nahm. Noch eine Sache, die sich nicht geändert hatte, aber das hatte ich am wenigsten erwartet. Sanft streichelte ich mit meinem Daumen über seinen Handrücken, damit er ruhiger wurde. Er biss sich auf die Unterlippe, die sowieso schon eingerissen war, woraus ich schloss, dass er das in letzter Zeit häufig machte.

„Ich weiß, dass ich nur schauen sollte, dass es Jordan gut geht. Wir haben dadurch viel Zeit verbracht, obwohl er fast nur am arbeiten war, aber ich habe mich in ihn verliebt. Es tut mir leid", beichtete Marek mir.

Überraschenderweise interessierte es mich wenig, dass er sich in Jordan verliebt hatte. Mich störte es, dass der Mann, den ich liebte, viel arbeitete. Das war ein sicheres Zeichen darauf, dass es ihm nicht ging. Er vergrub sich unter der Arbeit. Natürlich hatte ich mitbekommen, dass er eine zweite Filiale eröffnet hatte und eine weitere bald auch noch. Mir war nur nicht bewusst gewesen, dass er dann selbst noch so viel in den Shops war, da Marek das kein einziges Mal bei unseren Telefonaten erzählt hatte. Wir haben regelmäßig telefoniert und er hat kein Wort darüber verloren. Dass Jordan eine erneute Entzündung in der Schulter gehabt hatte, habe ich auch zu erst von meinem Bruder erfahren. Frustriert fuhr ich mir durch die Haare und drückte meine Lippen aufeinander.

Zeit ist GeldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt