31 - gerissen? - Julian

479 19 0
                                    

- Montag, 15.04.24 - Flatline/Jared Benjamin -

Ich passte den Ball zu Miro und lief eine Finte. Dann bekam ich den Ball zurück und warf. Ein wunderschöner Wurf landete im oberen rechten Eck und ich lächelte in mich hinein. Wir hatten uns in unserer Trainingshalle warm gemacht und hatten gerade Wurftraining. Ich ließ meine Gedanken ziehen und unterbewusst warf ich einen Blick auf die Tribünen.

Dort saß, unverwechselbar dank ihrer blauen Haare, Mia, welche mir zuwinkte. Ich stockte im Laufen und lächelte dann, bevor ich ihr zurückwinkte. Was machte sie denn schon hier? Ich hatte ihr tatsächlich einen Termin bei unserem Mannschaftsarzt ausgemacht, aber trotzdem hatte ich erst in zwei Stunden mit ihr gerechnet. Doch ich würde mich nicht beschweren.

Auch Tom hatte sie entdeckt und winkte ihr zu, was sie erwiderte und sich dann in ihrem Sitz zurücklehnte. Tom und ich warfen uns einen Blick zu und nickten dann einstimmig. Wir würden uns heute nicht von ihr ablenken lassen, das stand fest. Dafür hatten wir Goggi zu sehr das letzte Mal enttäuscht. So drängte ich sie in einen hinteren Teil meines Gehirns und fokussierte mich voll und ganz aufs Training.

Wie ausgewechselt im Vergleich zum letzten Training verwandelten Tom und ich einen Ball nach dem nächsten und die gute Laune spornte uns und die anderen noch mehr an. So hatten wir einen echten Lauf und ich merkte nach einer Weile, wie Goggi Tom und mich stirnrunzelnd beobachtete. Dann warf er leider einen Blick auf die Tribüne und erkannte ein Mädchen. Da ich gerade warten musste, bevor ich wieder an der Reihe war, deutete er mit einem Kopfnicken an, dass er Mia gesehen hatte und warf mir einen fragenden Blick zu.

Ich verstand sofort: Kennt ihr die da? Oder eher: Ist sie der Grund für eure Leistung? Ich lächelte und nickte zur Bestätigung. Es hatte auch keinen Sinn, ihn anzulügen. Er antwortete ebenfalls mit einem Grinsen und fokussierte sich dann wieder auf die Werfenden. Ich tat es ihm gleich und genoss das Hoch, auf dem ich förmlich schwebte.

Ich war mir immer noch nicht im Klaren darüber, was ich jetzt genau fühlte. Aber eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nicht darauf zu handeln. Egal, was mein Herz machte, es war momentan einfach nicht der richtige Moment dafür. Und, fügte ich in Gedanken noch hinzu, ich konnte es weder Tom noch Lou antun, dass ich mich ausgerechnet jetzt verliebte. So warf ich, angespornt von Goggis Bestätigung vorher, abermals ein Traumtor und freute mich.

Dann beobachtete ich Tom ein bisschen, wie er mit der Situation umging. Man konnte deutlich erkennen, dass Tom versuchte, sie ein wenig zu beeindrucken. Nach jedem geschossenen Tor warf er einen verstohlenen Blick hoch zur Tribüne, um zu checken, ob Mia es mitbekommen hatte. Süß war es ja schon, fiel mir auf. Ich zuckte mit den Schultern und machte weiter.

Nach einer Weile beendete Goggi das Training. Wie immer versammelten wir uns in einem Kreis um ihn und er sagte noch ein paar abschließende Sätze zum heutigen Training. Seine Ansprache beendete er aber, wider Erwarten, mit den Worten: "Und ganz ehrlich, Jungs. Ihr könnt euch echt ne Scheibe von der Motivation von Juli und Tom abschneiden. Schön zu sehen, dass ihr euch anscheinend Gedanken gemacht habt nach dem letzten Training. Very well done, guys. Keep up the good work for sunday! Now go shower, you reek." Wir lachten und grinsend beeilten wir uns mit dem Duschen, um Mia von der Tribüne abzuholen.

Als wir zwei die oberste Treppenstufe betraten, wartete Mia bereits auf uns. Sie war auf Krücken gestützt, was ich gar nicht gerne sah. Doch in ihrem Gesicht zeichneten sich Bewunderung und Überraschung ab. "Jungs. Sieht bei euch jedes Training so aus wie das gerade? Und wann kann ich mittrainieren?" Ich lachte leise und umarmte sie schnell. Tom tat es mir gleich und blickte sie dann an. "Bereit?"

Sie seufzte, warf einen Blick auf ihre Krücken und nickte schließlich. "Muss ja. Aber es war eine echt geile Idee, mich zum Training einzuladen. Ich glaube, jetzt bin ich wieder süchtig nach Handball. Danke, Tom." Tom grinste und antwortete: "Gerne doch. Ich dachte mir schon, dass es gut tun würde, wenn du merkst, wie wichtig dir Handball ist. Unabhängig davon, was der Arzt gleich sagt." Sie nickte und lächelte ihn an.

111 km/h  /// Julian Köster ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt