23 - Muskeln sind blöd - Mia

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- Montag, 08.04.24 - Cough Syrup/Young the Giant -

Ich lächelte, als Juli auf mich zulief und vor mir stehen blieb. Wir umarmten uns kurz und ich stellte meine Wasserflasche neben der Bank ab, auf der wir uns letztes Mal niedergelassen hatten. Dann richtete ich meinen Pferdeschwanz und grinste ihn an. "Ready?" Er dehnte nochmal kurz seine Oberschenkel, indem er seine Unterschenkel hinten gegen das Gesäß zog. Dann nickte er und wir starteten langsam nebeneinander.

Dieses Mal hatten wir uns tatsächlich zuvor auf eine Joggingroute festgelegt und so hatten wir keine Probleme, einfach entspannt zu laufen. Dann beschwerte er sich: "Danke übrigens für das Foto gestern. Du Fiesling." Ich lachte neckend und grinste ihn an. "Dafür nicht, Großer." Er warf mir einen spielerisch beleidigten Blick zu und grinste dann auch.

Nach einer kurzen Stille blickte ich zur Seite. "Du, Juli? Es sieht echt so aus, als ob es dir besser geht. Das ist echt schön zu sehen." Er lächelte mich an und aus seinen Augen konnte ich herauslesen, dass dieses Lächeln echt war. "Mir geht es auch irgendwie schon viel besser. Naja, die neue Wohnung hilft sehr. Und ich hab mich am Samstag auch nochmal richtig mit Lou ausgesprochen. Das hat auch richtig gut getan. Keine Ahnung, irgendwie habe ich viel von dem Schmerz langsam verarbeitet." Ich nickte lächelnd, um zu zeigen, dass ich verstand, was er sagte.

Ich versuchte, gedanklich abzuschätzen, wie lange es damals für mich gebraucht hatte, bis ich den Großteil der Trennung verarbeitet hatte, während wir weiter Seite an Seite joggten. Aber da lagen wir definitiv eher im Bereich von Wochen, nicht von Tagen. Ich musste mir allerdings auch wieder sagen, dass jeder Mensch Trauma anders verarbeitete. Also zuckte ich innerlich nur mit den Schultern und fokussierte mich wieder auf meine Atmung, um dieses Mal vielleicht nicht ganz so k.o. an der Bank anzukommen wie letztes Mal.

So übersah ich auch die große Wurzel auf dem Weg und blieb prompt an ihr mit der Fußspitze hängen. Ich fiel der Länge nach hin und direkt merkte ich, dass irgendwas nicht stimmte. Ich stützte mich mit meinen Händen ab und enthedderte meinen Fuß von der Wurzel. Erst spürte ich nichts und ließ mir von Juli aufhelfen. Dann zog ein dumpfer Schmerz durch meinen Oberschenkel und ich sog scharf die Luft ein.

Er blickte mich besorgt an und hielt mich am Unterarm fest. "Ist alles okay?" Ich überlegte kurz und verzog dann einen Mundwinkel. "Mein Oberschenkel..." Ich versuchte, das Bein zu belasten. Das klappte sogar, aber mein Oberschenkel zitterte stark und ein zweiter Schmerz schoss mein rechtes Bein herauf. So verlagerte ich schnell wieder mein Gewicht und wäre fast hingefallen, wenn Juli mich nicht festgehalten hätte.

Besorgt blickte er mich an. "Okay, das ist nicht gut. Setz dich erstmal hin." Er half mir, auf einem Bein an den Wegrand zu hüpfen und mich niederzulassen. Dann kniete er sich vor mich und winkelte mein Bein an, indem er vorsichtig meine Ferse nahm und zu mir drückte. Ich biss die Zähne zusammen und meinem Gesicht war wahrscheinlich deutlich anzusehen, wie stark die Schmerzen waren.

Deshalb hörte er auch bei einem 45 Grad-Winkel wieder auf und setzte meinen Fuß ab. "Okay, das ist gar nicht gut. Wir bringen dich ins Krankenhaus." Schnell schüttelte ich den Kopf. "Kein Krankenhaus." Seit meiner Knie-OP hasste ich Krankenhäuser und mied sie wie die Pest. Er blickte mich verzweifelt und überfordert an. "Aber irgendwie müssen wir das doch untersuchen lassen!"

Ich lächelte verkrampft und mühte mich ab, wieder aufzustehen. Dann belastete ich mein Bein und der Schmerz wurde ein bisschen weniger. Das gab mir die Hoffnung, dass eventuell zumindest nichts gerissen war. "Schau, es geht schon besser", meinte ich, halb zu ihm, halb zu mir selbst. "Gut, wenn du so stur sein willst. Aber dann warte hier, ich hol kurz unsere Flaschen." Er sprintete los und war schnell nicht mehr zu sehen.

Irgendwie war es schon süß, wie er sich direkt um mich kümmerte. Wahrscheinlich wusste er, wie wichtig ein gesunder Körper für einen Handballspieler war. Oh Mist, Handball. Mir war in dem Chaos entfallen, dass für mich am Samstag ein Spiel anstand. Und das war zu meinem Leidwesen nicht nur irgendein Spiel, es war das Spiel gegen den Tabellen-Ersten. Ich musste schlucken und hielt mich an dem Baum fest, der neben mir stand. Wie sollte ich nur mit dem Bein am Samstag spielen...

Schnell drängte ich die Sorgen beiseite, als ich sah, dass Juli mit den zwei Flaschen wieder angelaufen kam. Dann drückte er mir eine Flasche in die Hand und legte eine Hand um meinen Rücken, um mich zu stützen. So liefen wir den glücklicherweise kurzen Weg zur nächsten Bushaltestelle. Geschafft ließen wir uns auf der Bank nieder. Dann meinte ich: "Ach man. Warum ausgerechnet jetzt. Es war doch alles gerade erst wieder gut."

Für die Aussage kassierte ich einen leicht verwirrten Seitenblick von ihm. Dann wechselte der Ausdruck in seinem Gesicht wieder zu besorgt. "Denkst du, es ist was gerissen?" Ich schüttelte den Kopf. Dafür konnte ich noch zu gut laufen. "Ich glaube nicht. Auftreten hat ja geklappt." Er nickte. "Okay. Aber wenn du schon nicht zum Krankenhaus willst, bestehe ich darauf, dass du bei unserem Physio vorbeischaust. Er ist echt einer der besten."

Ich warf ihm einen verwunderten Blick zu. Durfte ich denn einfach so bei seinem Physiotherapeuten auflaufen? Das kam mir irgendwie ganz spanisch vor. Er lächelte mich an. "Er hat auch schon Kira geholfen, als sie sich ihre Achillessehne kaputt gemacht hat. Glaub mir, er ist echt lieb und hat bislang noch nie jemanden gebissen." Ich seufzte und lachte leicht über seinen Witz. Dann meinte ich schließlich beschwichtigend: "Na gut, okay. Aber ich kann da nicht alleine hin."

Er lächelte mich an. "Dann komm einfach morgen Nachmittag nach meinem Training bei der Halle vorbei. Da ist Ercan auch immer dabei, just in case." Ich nickte und sagte leise: "Danke. Du bist echt ein Engel." Seine Wangen färbten sich als Reaktion auf meine Aussage leicht rosa und er antwortete: "Nicht dafür. Wir müssen doch erstmal schauen, dass du wieder rund läufst. Dann darfst du dich immer noch bedanken." Ich nickte und lehnte mich mit dem Rücken an die kühle Glasscheibe der Bushaltestelle.

Ja, Priorität eins war jetzt wirklich erst einmal, dass ich wieder fit fürs Spiel am Samstag war. Meine Teamkolleginnen und vor allem Steffi zählten auf mich. Ich musste schlucken. Dann fielen mir die Sorgen von gestern beim Spiel wieder ein. Ich fragte vorsichtig: "Du, Juli?" Er blickte mich an und wartete geduldig darauf, dass ich fortfuhr. "Ich... Darf ich eigentlich meinen Freunden erzählen, dass wir uns kennen? Es ist mir gestern echt schwer gefallen, den Mädels nichts zu erzählen."

Er zuckte nur mit den Schultern. "Ich hätte mal behauptet, ja. Solange du ihnen vertraust, dass sie dich dann nicht ausnutzen, garantiert. Aber um ehrlich zu sein würde ich noch mal nichts in dem Kontext auf Insta posten. Lou hat dir ja garantiert erzählt, was damals passiert ist." Ich nickte und musste erneut schlucken.

Dann blickte ich ihn an. "Wirklich, danke. Ich bin echt glücklich darüber, dass wir uns so gut verstehen. Keine Ahnung, irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich mit dir über alles reden kann. Das ist nicht selbstverständlich. Also danke. Dafür." Er lächelte mich ehrlich an. "Das kann ich nur so zurückgeben." Dann blickten wir beide lächelnd nach vorne auf die Straße und warteten auf den nächsten Bus.


- 1228 Wörter -

Kaputte Muskeln sind doch was Feines. Nicht. Hehe ;)

Alles Liebe, eure Ella <3

111 km/h  /// Julian Köster ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt