44 - deine Schuld - Julian

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- Montag, 29.04.24 - Youth & Enjoyment/Razz - tw: Kraftausdrücke -

Ich wartete noch einen kurzen Moment im Auto. Bevor ich tatsächlich in der Lage war, physisch oben in unserer alten Wohnung zu erscheinen, musste ich mir erst einmal genau die Worte zurechtlegen, die ich gleich zu Louisa sagen wollte. Langsam war ich tatsächlich ein wenig nervös. Mir war klar bewusst, was ich angestellt hatte. Man verliebte sich nicht einfach so zwei Wochen nach der letzten Trennung in jemand Neues und erst recht nicht in die beste Freundin der Ex. Das war absolutes Tabu und hatte bereits jetzt für mehr Probleme gesorgt, als ich an meinen Händen abzählen konnte.

Doch ich konnte nicht umhin, trotzdem die Freude in meiner Seele zu spüren, die dort jedes einzelne Mal erschien, wenn ich auch nur über Mia nachdachte. Sie hatte mir wirklich den Kopf verdreht und die letzten Wochen hatten mich so glücklich gemacht, wie ich es seit Monaten nicht gewesen bin. Aber dennoch - heute würde nicht einfach werden, für niemanden von uns. Deshalb war es umso wichtiger, dass ich mich schnell mit Lou aussprach.

So seufzte ich und stieg aus dem weißen Polo aus. Da Louisa und ich ausgemacht hatten, dass ich auf 15:00 Uhr bei ihr erscheinen würde, nutzte ich den Schlüssel, den ich immer noch am Schlüsselbund trug, um mich in das Haus einzulassen. Aber bereits auf dem kurzen Weg zwischen Haus- und Wohnungstür hatte ich das Gefühl, wieder alles vergessen zu haben, was ich mir an Worten zurechtgelegt hatte. Meine Hände zitterten und ich biss mir auf die Unterlippe, als ich vorsichtig mit dem Schlüssel die Wohnungstür öffnete.

Leise trat ich ein und schloss die Wohnungstür hinter mir. Dann rief ich vorsichtig in die Wohnung: "Lou? Ich bin da!", bevor ich ins Wohnzimmer eintrat. Eigentlich wollte ich meine Schuhe instinktiv ausziehen, aber ich war mir nicht sicher, wie lange ich tatsächlich hier sein würde, weshalb ich sie einfach anließ.

Als ich das Wohnzimmer betrat, prasselten Unmengen an Erinnerungen auf mich ein. In dieser Wohnung bin ich weiter aufgewachsen. Allein die anderthalb Jahre, die Lou und ich tatsächlich zusammengewohnt hatten, haben mich zu dem Mann gemacht, der ich jetzt war. Allein für diese Tatsache würde ich ihr wohl auf ewig dankbar sein. Die Tür zum Schlafzimmer stand offen und ich konnte einen Blick auf unser - nein, ihr Bett erhaschen. Ich musste schlucken. Ich hatte mit dieser Frau das Bett für anderthalb Jahre geteilt. Und keinen Monat nach der Trennung hatte ich bereits in einem anderen Bett geschlafen.

Ich hasste mich dafür. Ich war so naiv gewesen, zu glauben, dass es ihr nichts ausmachen würde. Ich lehnte mich gegen die Wand, die an den Durchgang aus dem Flur angrenzte, und konnte den Wasserhahn aus dem Bad hören. Keine zwei Sekunden später öffnete sich auch schon die Tür des Badezimmers und eine unergründlich dreinblickende Lou betrat das Wohnzimmer. Als sie mich wahrnahm, zog sie die Augenbrauen hoch und verschränkte provokativ die Arme. Allein mit dieser Aktion, mit dieser passiv-aggressiven Körperhaltung verschwand auch die letzte Hoffnung, dass sie irgendwie damit okay sein würde, dass ich mich in Mia verliebt hatte. Sie würde mich definitiv hassen, und das zurecht.

Sie öffnete trotzig den Mund: "Sag, was du zu sagen hast, und dann verschwinde." Ich schluckte und löste mich von der Wand, traute mich aber nicht, einen Schritt auf sie zuzumachen. Dann erinnerte ich mich daran, wie ich mir im Auto vorgesagt hatte, wie ich dieses Gespräch anfangen wollte, und sagte schließlich: "Es tut mir so leid." Sie lachte bitter, aber kein Funken von Freude erschien auf ihrem Gesicht. "Den Satz kenne ich bereits." Wo sie recht hatte, hatte sie recht. Ich hatte mich in den letzten Wochen zu oft entschuldigt und zu wenig davon wirklich ernst gemeint. Aber dieses Mal kam die Entschuldigung von meinem Herzen.

Mir war bewusst, wie sehr ich sie verletzt hatte. Wie sehr sie die ganze Situation belastet haben musste. Ich biss die Zähne zusammen und meinte simpel: "Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll..." Ich zeichnete imaginäre Kreise mit meiner Fußspitze auf den Boden und vermied es, sie anzuschauen. Währenddessen bohrte sich ihr Blick in meine Haut, das spürte ich genau. Sie lachte erneut, aber nicht ihr typisches, freundliches Lachen, nein. Dieses Mal klang das Lachen fast bedrohlich, was ihr natürlich auch zustand.

111 km/h  /// Julian Köster ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt