15 - wann habe ich dich verloren? - Louisa

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- Samstag, 30.03.24 - Set Fire to the Rain/Adele -

Selbst am nächsten Morgen fühlte ich mich nicht sonderlich besser. Juli schlief immer noch, obwohl es inzwischen kurz nach elf Uhr morgens war. Ich hatte im Hinterkopf, dass die Jungs heute abend noch auf ein Auswärtsspiel fahren mussten und dafür am späten Nachmittag Treffpunkt hatten. Genervt schnappte ich mir den Besen und fuhr damit fort, die Reste des gestrigen Abends aufzuräumen. Eigentlich hatte Juli versprochen, dass er dabei helfen würde.

Innerlich war ich immer noch auf Hundertachtzig wegen seiner gestrigen Aussage. Wie blind konnte ein Mensch bitte sein, dass ihm sowas nicht auffiel? Oder fiel es ihm schon auf, aber er beschloss, nichts dagegen zu tun, dass er so aggressiv angebaggert wurde? Ich konnte ehrlich nicht mehr sagen, welche Variante schlechter war. Diese Gedanken hatten mich noch bis spät in die Nacht wachgehalten. Entsprechend lange und gut hatte ich auch geschlafen und war leider bereits beim Morgengrauen wieder wach geworden. Seitdem war ich mit Räumen beschäftigt.

Gerade kehrte ich den letzten Rest auf die Kehrschaufel und schüttete diesen in den großen schwarzen Müllsack, als ich Geräusche hinter mir hörte. Ich legte die Kehrschaufel beiseite und wandte mich um. Ein verschlafener Julian in den Klamotten von gestern stand im Türrahmen und konnte kaum seine Augen offen halten. Zur Begrüßung gähnte er nur und fragte dann: "Wie viel Uhr ist es?"

Ich merkte, wie mein inneres Fass überlief und angepisst meinte ich nur: "Nach Elf." Er nickte nur und begab sich barfuß in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen. Bemerkte er allen Ernstes nicht, wie sauer ich gerade mit ihm war? "Dein Ernst?", fragte ich ihn, als er das Glas in das Waschbecken stellte und ihm dann wieder den Rücken zukehrte. Er blickte mich fragend an und ich deutete zuerst auf den Besen und dann auf das Glas. Er verstand zu seinem Glück und stellte das Glas dann in die Spülmaschine.

Er lehnte sich gegen den Tresen und blickte mich an. "Ist alles okay?" Ich konnte meinen Ohren kaum glauben. "Ob alles okay ist? Nichts ist okay! Wie konntest du nur?" Er schaute mich aus seinen zusammengezogenen Augenbrauen nur planlos an. Ich lachte sarkastisch. "Du hast dieses Flittchen echt noch verteidigt. Und das vor mir! Deiner Freundin!" Ich konnte das echt nicht gerade.

Wütend stapfte ich zur Couch und schmiss mich darauf, bevor ich die Arme vor der Brust verschränkte. Als würde ihm gerade erst kommen, was alles gestern abend abgelaufen war, meinte er vorsichtig: "Ach Lou. Es tut mir leid. Ich hatte gestern echt viel zu viel zu trinken." Er versuchte, sich neben mich zu setzen. In dem Moment stand ich auf. Ich konnte gerade seine Nähe echt nicht abhaben.

"Und schon wieder eine Ausrede. Ich glaubs echt nicht." Aktiv wandte ich mich von ihm ab und konnte so nur erahnen, dass er sich ebenfalls wieder erhoben hatte. Erst, als er seine Arme von hinten um mich legte, entspannte ich mich wieder ein wenig. "Ich wollte einfach mal nur unsere Probleme vergessen. Es tut mir wirklich leid, dass das alles so ausgeartet ist." Seine Worte ergaben in meinem Kopf Sinn, aber trotzdem hatte ich noch ein Stückchen Restwut in mir.

Schließlich nickte ich und wandte mich um, um ihn ebenfalls zu umarmen. So standen wir für einige Momente still im Wohnzimmer und umarmten uns. Dann atmete ich einmal tief durch und meinte zu ihm: "Vergiss nicht, ihr fahrt heute Abend noch los." Er stöhnte leise auf und löste sich von mir. "Leider. Kann ich nicht einmal ausfallen?" Ich lachte, jedoch schwang mehr Sarkasmus darin mit, als ich intendiert hatte. "Das bezweifel ich stark."

Er nickte nur verdrossen und schlappte am Tresen entlang. Vor dem Kühlschrank angekommen löste er eine Serviette von einem Magneten, die mir davor gar nicht aufgefallen war. Mit dieser bewaffnet stapfte er zurück ins Schlafzimmer und ich konnte hören, wie er seine Trainingstasche aus der dafür vorgesehenen Ecke zog. Ich wunderte mich zwar über die Serviette, akzeptierte aber, dass nicht alles heute zu einer Diskussion führen musste.

111 km/h  /// Julian Köster ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt