52 - Freundschaften und Eis - Tom

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- Dienstag, 07.05.24 - Dog Days Are Over/Florence + The Machine -

Das Adrenalin in meinen Adern mischte sich mit den Schuldgefühlen und den Schmerzen, die sich immer in meinem Herzen bildeten, wenn ich in Mias eisblaue Augen schaute. Ja, es würde definitiv noch eine Weile brauchen, bis ich über sie hinweg kommen würde. Aber heute hatten wir eine gute Grundlage dafür gebildet, dass wir einfach nur Freunde sein könnten, wenn ich endlich vergessen könnte, was mein Herz mit den Gefühlen für sie machte.

Ich freute mich ersntahaft für das wirklich zuckersüße, neue Pärchen, das die zwei abgaben. Mia sorgte dafür, dass Juli seit Tagen ununterbrochen grinste und auch sie fühlte sich sichtlich wohl in seiner Nähe. So schwer es auch für mich war zu akzeptieren - die zwei passten besser zueinander, als ich es mit ihr jemals hätte können. So atmete ich einmal tief durch und nahm mir für den restlichen Tag vor, zu üben, was es bedeutete, einfach nur ein guter Kumpel für beide zu sein.

So lief ich absichtlich auch nicht neben Mia, die ganz außen links lief, sondern zwischen Juli und Miro und versuchte, dem Gespräch zu folgen, das die zwei momentan intensiv führten. Miro war inzwischen der absoluten Überzeugung, dass wir ohne Probleme das nächste Spiel gegen die Rhein-Neckar-Löwen gewinnen würden. Juli, der sich bei der ganzen Sache noch nicht ganz so sicher war, wehrte ab: "Also ich würde uns jetzt nicht so extrem auf unseren bisherigen Leistungen ausruhen. Wenn ich dich dran erinnern darf, haben wir das Hinspiel verloren. Ich weiß, das war zum Teil auch meine Schuld."

Ich verzog das Gesicht und erinnerte mich an den den harten Kampf, den wir uns mit den Löwen in der SAP-Arena im Oktober letzten Jahres geliefert hatten. Dann kam mir eine Erinnerung ins Gedächtnis und wie die Schuppen fiel es mir von den Augen: "Stimmt, die rote Karte!" Juli kratzte sich schuldbewusst am Hinterkopf, während Mias Augen groß wurden. "Wie, rote Karte? Du hast eine rote Karte bekommen?" Das 'Du' betonte sie so, als ob sie gar nicht glauben könnte, dass Juli jemals etwas auf dem Spielfeld falsch machen könnte.

Und wirklich war er eigentlich nicht derjenige, der unfair foulte und sich deshalb Unmengen an Zeitstrafen einholte. Eigentlich war eher ich dafür bekannt, wenn ich mal genauer darüber nachdachte. Aber in dem Spiel hatte er irgendwie alles darauf angelegt. Zur Erklärung holte er aus: "Keine Ahnung, irgendwie haben Juri und ich es nicht hinbekommen, einvernehmlich auf dem Platz zu stehen. Wir haben uns davor im DHB-Training in was verrannt. Das haben wir dann auch mit ins Spiel genommen. Die Schiedsrichter haben mich nur häufiger erwischt als ihn, sonst wäre er wahrscheinlich auch vom Platz geflogen."

Aha, daher wehte also der Wind. Es war bekannt, dass sich Juli eigentlich ganz gut mit dem 'Spielmacher' der DHB, Juri Knorr, verstand. Wir waren alle im etwa gleichen Alter wie Juri und da die zwei häufiger mal aufeinander hockten, war es nur verständlich, dass es auch mal zu Auseinandersetzungen kommen musste. Trotzdem war die Leistung von Juli beim Hinspiel extrem gewesen für seine Verhältnisse. Vorsichtig fragte ich also nach: "Und jetzt? Geht's wieder bei euch?"

Juli lachte leise, bevor er antwortete: "Ja, klar. Wir hatten genügend Zeit, um uns bei der EM nochmal auszusprechen. Wir haben uns auch direkt für die ganze Aktion in dem Spiel entschuldigt. Inzwischen ist wieder alles cool bei uns. Ich freu mich tatsächlich schon drauf, ihn wiederzusehen." Ich nickte. Das klang schon viel mehr nach dem eigentlich so friedfertigen und gutmütigen Juli, den ich kannte. Miro, der inzwischen erkannt hatte, welche Altlast Juli von dem Spiel mitgeschleppt hatte, meinte auch nur noch schlicht: "Ja gut. Dann lassen wir einfach mal das Spiel auf uns zukommen."

Inzwischen hatten wir den Ortskern erreicht und standen etwas ratlos vor dem 'Bergischen Hof', dem stadteigenen Einkaufszentrum. Ein leises "Und jetzt?" kam von Mia und wir bildeten einen kleinen Kreis vor dem Haupteingang. Es war ein sonniger Nachmittag im Mai, weshalb es nicht verwunderlich war, dass einige Anwohner in und vor dem Einkaufszentrum unterwegs waren.

111 km/h  /// Julian Köster ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt