27 - HSG Refrath - Mia

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- Samstag, 13.04.24 - Watch Me/The Phantoms -

Voller Elan trat ich in die Halle und wurde sogleich von Steffi begrüßt, die tatsächlich ausnahmsweise mal vor mir angekommen war und nun in dem Vorraum wartete. Die ersten Männer hatten gerade angefangen, zu spielen, weshalb die Stimmung auf der Tribüne ausgelassen und vorfreudig war. Diese Stimmung riss mich einfach mit und ich spürte förmlich das Adrenalin, das durch meine Adern pumpte.

Ich war so bereit wie selten für dieses Spiel. Und ich wollte es den Refrather Spielerinnen auch ein wenig heimzahlen. Sie hatten uns in der Hinrunde geschlagen und waren so hochnäsig danach, dass ich ihnen keinen zweiten Sieg über uns gönnte. Nein, heute würde ich dafür sorgen, dass wir die Partie für uns gewannen.

Leise hörte ich den Nachrichtenton meines Handys. Ich warf einen schnellen Blick darauf und konnte in der Voransicht nur den Namen 'Juli K.' lesen. Ich warf kurz einen prüfenden Blick in die Runde und meinte dann zu Steffi: "Geht schonmal vor und legt mir mein Trikot beiseite. Ich komm gleich nach, muss noch kurz was klären." Sie schaute mich verwirrt an, nickte dann aber und machte sich mit den Mädels, die inzwischen vollständig waren, auf den Weg zu den Umkleiden.

Sobald sie aus meinem Sichtfeld verschwunden waren, öffnete ich die Nachricht, in der nur stand: 'Bin da und warte im Auto vor der Halle.' Ich antwortete schnell mit '2 Sekunden' und machte mich dann auf der Tribüne auf die Suche nach unserem Trainer. Ich hatte Andi schnell finden können und beugte mich zu ihm runter. Ich erklärte ihm kurz, dass Juli da war.

Ich hatte ihm bereits im Vorraus bescheid gegeben, dass jemand von der Nationalmannschaft zum Zuschauen käme. Er hatte sich gefreut wie ein Schneekönig und sich an die tausend Mal bedankt für die Möglichkeit, einen Profi-Handballer kennenlernen zu dürfen. Bei solchen kleinen Sachen machte es mir immer eine Freude, anderen einen Traum zu ermöglichen, weshalb ich nur gelacht hatte, als er so nach dem Training auf meine Aussage reagiert hatte.

Nun stand er zügig auf und folgte mir nach draußen auf den Vorhof, der gleichzeitig als Parkplatz fungierte. Ich machte mich auf die Suche nach Julis Polo, doch stattdessen stand in einer Parklücke relativ nahe am Eingang zur Halle Toms schwarzer Audi. Jetzt war ich wirklich verwirrt. Und Tatsache, sobald Andi und ich in Sichtweite waren, stieg aus dem Fahrersitz auch nicht Juli, sondern Tom, während sich Juli aus dem Beifahrersitz erhob. Ich konnte meinen Augen kaum trauen. Das war definitiv eine gelungene Überraschung.

"Überraschung!", rief auch Tom freudig, als ich geschockt auf ihn zuging und ihn zuerst umarmte. Dann nahm ich auch Juli in den Arm und auch dieser lächelte mich an. Dann winkte ich Andi zu uns und stellte vor: "Juli, Tom, das ist Andi, der beste Trainer der Welt." Andis Teint wechselte von kreidebleich zu einem leichten Rosaton, was mich lachen ließ. Dann wurde ich aber von Tom korrigiert: "Also bitte, zweitbester Trainer. Niemand kommt an Goggi ran." Juli lachte leicht und nickte.

Andi stand immernoch wortlos da und starrte die zwei an. Schließlich meinte er: "Ich fass es echt nicht, dass du zwei Profi-Sportler einfach so mir nichts, dir nichts kennst und mit ihnen befreundet bist." Ich lachte und schlug ihm gegen den Oberarm. Dann meinte ich, bevor Andi noch nach einem Autogramm oder etwas ähnlich Peinlichem fragen konnte: "So, wie gehen wir es an?"

Mein Trainer erwachte aus seiner Schockstarre und fasste sich wieder. "Ich würde vorschlagen, wir gehen über den Spielereingang rein." Ich sah ihn verwundert an. "Wir haben sowas?" Er lachte. "Ach du. Warte nur. Es gibt noch so Einiges, von dem ihr keine Ahnung habt." Ich zog die Augenbrauen zusammen und lachte. Andi war gut im Übertreiben, das wusste ich. Aber ich war trotzdem ehrlich überrascht, als er uns vor einen unscheinbaren Treppenabgang an der Seite der Halle führte und die Tür aufschloss.

Plötzlich fiel es mir wie die Schuppen von den Augen: "Ach, hier führt die ominöse Tür also hin!" Wir standen im Gang vor den Umkleidekabinen, der sonst eigentlich nur über die große Haupttreppe zu erreichen war. Dann mahnte mich Andi zur Ruhe und schnell hielt ich wieder die Klappe. Dann meinte ich in einem etwas leiseren Ton zu Juli und Tom: "Jungs, bitte haltet euch ein bisschen im Hintergrund. Zumindest am Anfang. Ich will, dass es eine kleine Überraschung für die Mädels wird." Juli und Tom schauten sich an und nickten dann einstimmig. Das würden sie hinbekommen.

Etwas verlegen schob ich dann noch hinterher: "Und außerdem hab ich Steffi immer noch nichts erzählt." Juli, der die Situation kannte, stöhnte leise auf und sagte dann zu mir: "Alter, Mia. Du machst es uns aber auch echt nicht einfach, was?" Ich lachte leise und zwinkerte den zwei Hünen zu. "Niemals."

Mit diesen Worten schlängelten wir uns durch einen schmalen Durchgang zwischen zwei Umkleidekabinen und führten Juli und Tom auf das Feld, an wessen Seite Andi vorab eine kleine Bank platziert hatte. Dann warf ich Juli noch einen Blick zu und fragte leise: "Ist das so für euch okay?" Der lächelte mich nur beschwichtigend an und meinte dann: "Alles gut. Da wo wir herkommen, gab es auch nichts anderes." Also lachte ich leise und umarmte die zwei noch schnell, bevor ich mich von der Kleingruppe loseiste und mich beeilte, um von der "richtigen" Seite die Umkleidekabine der Mädels zu betreten.

~~~

Ich feierte. Glücklich hüpfte ich mit meinen Teamkameraden im Kreis. Die letzten zehn Minuten des Spiels hätten nicht besser laufen können. Nicht nur hatten wir den Vorsprung, den sich die HSG Refrath aufgebaut hatte, wieder eingeholt, wir hatten sogar noch zwei Tore oben drauf gelegt, sodass wir das Spiel in den letzten zwei Minuten für uns entschieden hatten. Voller Euphorie sprang ich im Kreis herum.

Dann trat ich einmal nicht ganz richtig auf dem Fuß auf und ein scharfer Schmerz zog sich abermals durch meinen Oberschenkel. Oh shit. Durch das Adrenalin, das vorher Bahnen durch meinen Körper gezogen hatte, hatte ich die Muskelschwäche komplett vergessen und auch überhaupt nicht mehr gespürt. Jetzt fühlte es sich so an, als ob Feuer durch den Muskel schoss und ich merkte, wie sich der Muskel verkrampfte.

Ich blieb auf der Stelle stehen und löste so effektiv den feiernden Kreis auf. Schnell spielte ich es damit ab, dass ich mich dem Publikum zuwandte und anfing, zu klatschen. Ein unmissverständliches Zeichen, dass wir uns beim Publikum für ihre Aufmerksamkeit bedankten. Die Mädchen zogen mit und so liefen wir langsam zurück zu unseren Taschen, die sich am Hallenrand stapelten. Ich versuchte, das Bein nicht so sehr zu belasten.

Tom und Juli, die bis gerade noch mit Andi getuschelt hatten, blickten beide natürlich auch genau in diesem Moment zu mir. Ich versuchte, die Zähne zusammenzubeißen und mir nichts anmerken zu lassen. Trotzdem konnte ich nach wie vor das Bein nicht ganz belasten. Besorgt machten sich die beiden auf den Weg zu mir und Tom stützte mich, dass ich auch tatsächlich bei meiner Tasche ankam.

Zum Glück waren die Mädels schon in die Umkleidekabine gegangen und man konnte bis zum Feld die laute Partymusik herausschallen hören. So ließ ich mich unbeholfen und mit der Hilfe von Tom auf der Bank nieder, auf welcher die zwei während des Spiels gesessen und zugeschaut hatten. Ich fluchte leise und auch Juli wirkte sichtlich besorgt. Er kniete sich vor mich und blickte kurz zu mir hoch, wie um mich nach Erlaubnis zu fragen, weshalb ich nickte und ihn gewähren ließ.

Er berührte vorsichtig meinen Oberschenkel und ein stechender Schmerz schoss durch mein gesamtes Bein und bis in meine Hüfte. Ich klammerte mich an der Bank fest und biss mir auf die Unterlippe, um nicht zu schreien. Schnell entfernte Juli seine Hand wieder und meinte nur noch: "Oh shit. Das sieht nicht gut aus." Ich kämpfte mit den Tränen und schüttelte den Kopf. Nein, tatsächlich, das war gar nicht gut.


- 1309 Wörter -

Oh oh, danger! Freut euch schon auf den nächsten Teil ;)

Alles Liebe, eure Ella <3

111 km/h  /// Julian Köster ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt