- Samstag, 20.04.24 - Kernkraft 400 (A Better Day)/Topic, A7S -
Geduldig saß ich auf meinem Standard-Platz im Mannschaftsbus und legte mein Handy auf den kleinen Tisch des Vierers. Dann überprüfte ich meine Hosentaschen und bemerkte, dass ich meine Kopfhörer wohl zu Hause hatte liegen lassen. Leise fluchte ich und lehnte meinen Kopf gegen die kühle Scheibe des Busses. Mir gegenüber setzten sich, wie immer, Miro und Dominik Mappes und unterhielten sich angeregt.
Ich seufzte leise und rief mich zur Besinnung. Da außer den gestern Anwesenden niemand etwas mitbekommen hatte, musste ich mich zusammenreißen. Die Wunde in meinem Herzen war noch zu frisch, als dass ich jemandem davon erzählen konnte. So lächelte ich die zwei Tratschtanten gegenüber von gezwungenermaßen kurz an und wandte dann wieder meinen Blick aus dem Fenster, wo einige weitere Spieler ihre Trainingstaschen im Korpus des Busses verstauten.
"Na, wie geht's?", fragte Dominik grinsend. Ich seufzte und musste wirklich darauf achten, nicht genervt zu wirken. So setzte ich erneut mein künstliches Lächeln auf und meinte: "Ach, was muss, das muss. Wie geht's euch?" Man konnte Miro ansehen, dass er einen Funken meines Sarkasmus aufgeschnappt hatte, aber er ließ sich Dominik gegenüber nichts anmerken und antwortete: "Ganz gut."
Ich nickte einfach, da ich nicht wirklich Lust auf eine längere Konversation hatte und lehnte meinen Kopf wieder an die Scheibe. Wie schön es jetzt doch sein würde, einzuschlafen und vor drei Tagen wieder aufzuwachen. Was ich alles anders machen würde. Wie ich anders mit ihr umgehen würde. Ich seufzte leise und Miro warf mir einen fragenden Blick zu. Ich schüttelte als Antwort nur den Kopf und genoss die Kühle, die von der Fensterscheibe her gegen meine Stirn strahlte.
In diesem Moment sah ich, wie Juli in den Bus einstieg - und wie ein Honigkuchenpferd grinste. Ein Funken Zorn stieg in meiner Seele auf, den ich aber wieder schnell herunterschluckte. Wir hatten es uns gegenseitig versprochen, dass unsere Freundschaft nicht darunter leiden würde, wie Mia entschied. Sie hatte sich entschieden. Jetzt musste ich mich an meinen Teil der Abmachung halten, unabhängig davon, ob es mir gefiel oder nicht.
Juli ließ sich auf den Sitz neben mir fallen und strahlte in die Runde. Innerlich verdrehte ich die Augen. Aber dann atmete ich einmal tief durch. Ich hatte es versprochen. So hielt ich ihm halbherzig die Hand zum Einschlagen hin, was er auch tat. Dann warf er mir einen kurzen Blick zu und das breite Grinsen auf seinen Lippen verschmälerte sich zu einem entschuldigenden Lächeln.
"Na, warum so happy heute?", fragte Dominik, der ja nichts von der Problematik wusste, die gerade im Raum stand. Juli riss sich ein wenig zusammen, grinste wieder und antwortete: "Ach, heute ist einfach ein guter Tag. Ich hab richtig Bock zu spielen." Dominik stimmte zu und grinste ebenfalls.
Miro auf der anderen Hand schaute immer wieder zwischen Juli und mir hin und her. Er konnte zumindest erraten, was bei mir gerade nicht stimmte. Doch von der Sache zwischen Juli und Mia wusste auch er nichts. Man konnte förmlich die Zahnräder in seinem Gehirn sehen, wie sie ratterten. Er schaute mich an und formte mit seinen Lippen ein Wort, das Dominik zum Glück nicht mitbekam, ich aber sofort verstand: 'Mia?'.
Ich nickte nur unauffällig und deutete mit dem Kopf auf Juli. Miro klappte der Mund auf und man sah, wie er um Fassung rang. Juli, der die gesamte Interaktion gerade mitbekommen hatte, warf mir erneut einen entschuldigenden Seitenblick zu. Wir beide mussten unbedingt noch reden, am besten heute noch, und uns aussprechen.
Dominik, der mal wieder gefühlt auf einem anderen Planeten als wir waren, grinste nur und sah aus dem Fenster, als sich der Bus in Bewegung setzte und wir zum Auswärtsspiel gen Hamburg fuhren.
Miro hatte sich wieder ein bisschen gefangen und meinte mit einem Lächeln in die Runde: "Wenn Juli schon mal so gut drauf ist. Habt ihr Bock auf 'ne Runde Durak? Ich muss doch einmal gewinnen können." Miro war echt gut darin, die Stimmung in einem Raum umzuschwenken. Ich seufzte einmal leise und meinte dann: "Okay, gerne."
Eine Ablenkung konnte tatsächlich ganz gut tun und ein Kartenspiel war da wahrscheinlich eine der besseren Ideen. Auch Dominik und Juli stimmten zu und so waren bald die Karten ausgeteilt.
Ich warf Juli einen kleinen, unsicheren Seitenblick zu. Eigentlich ging es in dem Spiel darum, dass jeder für sich gewann beziehungsweise nicht verlor. Aber wenn man es richtig machte und sich geschickt anstellte, konnte man auch im Team zusammenarbeiten, um einen anderen Mitspieler durch den Dreck zu ziehen. Durak war nicht gerade dafür bekannt, dass es komplett schummelfrei war und deshalb hatten Juli und ich uns oft zusammengetan, um Miro oder Dominik zu ärgern. Juli schaute mit einem verschwörerischen Blick zurück und ich musste leise in mich hinein grinsen. Egal, was zwischen uns los war, heute war definitiv nicht Miros Tag, wie wir gerade wortlos einstimmig beschlossen hatten.
So fingen wir an, zu spielen, und ab und an schoben wir uns unter der Tischplatte heimlich die passenden Karten zu, damit wir Miro auflaufen lassen konnten. Dieser merkte unsere Aktionen schnell und wies uns zurecht, aber wir beide mussten nur grinsen. Es ging doch nichts über eine Partie Karten, um eine Freundschaft zu stärken und neu aufzubauen.
Nach der vierten Runde hatte Miro definitiv keine Lust mehr, gegen uns zu verlieren, weshalb er vorschlug, dass wir uns auch unseren eigenen Themen zuwenden könnten. Normalerweise würde ich jetzt Musik hören, aber ich hatte ja meine Kopfhörer vergessen, weshalb ich nur unschlüssig dasaß und mit der Hülle meines Handys spielte.
Dann sah ich eine Nachricht auf meinem Bildschirm. Schnell klickte ich darauf und mein Chat mit Juli wurde geöffnet. Dort stand 'Es tut mir leid.' Ich warf ihm einen Blick zu und er lächelte mich abermals entschuldigend an. Ich verzog leicht das Gesicht und atmete einmal tief durch. Dann antwortete ich per Chat: 'Alles cool. Das hatten wir ja gesagt.'
Er nickte, wie ich aus dem Augenwinkel mitbekam. Dann tippte er erneut etwas und sofort sprang die Nachricht bei mir auf den Bildschirm: 'Trotzdem. Das war nicht so geplant. Wenn doch, dann hätte ich dich vorgewarnt. Es ist einfach so passiert.' Ich nickte, aber der Schmerz zog wieder in mein Herz ein. Also antwortete ich schlicht: 'Um fair zu sein: Deal ist deal. Ich bin dir nicht sauer. Ihr zwei passt super zusammen.'
Diese Nachricht tat extrem weh, so früh zu schreiben. Trotzdem war sie wichtig, dass wir zwei uns weiterhin verstehen würden. Und das war mir tatsächlich gerade wichtiger als mein gebrochenes Herz. Eine letzte Nachricht erschien auf meinem Handy, und ich musste lächeln, als ich ein kleines 'Freunde?' las. Ich schaute zu ihm und nickte direkt. Er lächelte dankbar und lehnte sich dann in seinem Sitz zurück.
Nun saß ich wieder da und scrollte planlos durch Instagram. Dann fragte Juli leise von der Seite: "Wo hast du heute eigentlich deine Musik gelassen?" Ich zuckte mit den Schultern und antwortete: "Hab meine Kopfhörer vergessen." Er nickte und ohne ein weiteres Wort hielt er mir einen seiner schwarzen Kabel-Kopfhörer hin. Ich lächelte ihn an und nahm diesen dankbar an.
Als ich ihn mir ins Ohr steckte, hörte ich eine positive Musik mit motivierenden Vibes, den ich bereits aus dem Radio kannte. Ich lehnte mich zu ihm und fragte: "Wie heißt der Song?" Er schaute kurz auf sein Handy: "Kernkraft 400. Aber das ist irgendwie eine neue Version oder so." Ich nickte und merkte, wie mein Bein anfing, im Takt mitzuwippen.
So saßen Juli und ich schweigend die restliche Fahrt Schulter an Schulter und genossen leise die Musik. Ich war immer noch enttäuscht, das war selbstverständlich, aber wenigstens würden sich die Gefühle, die wir beide für Mia hatten, nicht zwischen uns stellen, und dafür war ich unglaublich dankbar. Er war mir als Kumpel und Teamkamerad zu viel wert dafür.
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Wer muss sich schon aussprechen, wenn man sich auch ausschreiben kann ;) Ein kleines Füllerkapitel, zur Abwechslung mal wieder. Ich hoffe, ihr verzeiht mir hehe :)
Alles Liebe, eure Ella <3
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111 km/h /// Julian Köster ff
FanfictionHandball, Uni, Instagram und Köln. Das sind alle Themen, die Mia in ihrer kleinen Welt momentan interessieren. Als leidenschaftliche Spielerin geht sie auch an ihrem neuen Wohnort regelmäßig zu nahegelegenen Bundesligaspielen. Doch das Spiel des Ber...