12 - Exmatrikulation - Louisa

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- Mittwoch, 27.04.24 - Moral of the Story/Ashe ft. Niall Horan -

Mein Herz schlug stärker, wie so oft die letzten paar Wochen. Dieses mal war es allerdings nicht wegen Gefühlen, sondern wegen Panik. Ich wusste zwar, dass alles im Endeffekt okay werden würde, aber trotzdem konnte ich die große Angst nicht beiseite schieben, die sich in mir breit machte. Ich musste heute zur Uni. Und das nicht, weil ich für meine Bachelorarbeit Daten auswerten musste.

Nein, ich musste heute zur Uni, weil ich meinen Dekan davon überzeugen musste, dass ich noch mehr Zeit für meine Bachelorarbeit bekäme. Ich war nämlich ein bisschen hinter den Zeitplan gerutscht, nicht zuletzt wegen des Mediensturms, den Julis blitzschnelle Öffentlichkeits-Aufmerksamkeit verursacht hatte und entsprechend auch wegen des Haufens an Hass, den ich über öffentliche Kanäle erhielt.

Dies hatte mich vor knapp sechs Wochen wirklich aus der Bahn geworfen, weshalb ich zwischenzeitlich gar nicht mehr an meine Bachelorarbeit denken konnte. Und auch so lieb und verständnisvoll, wie meine Professorin auch war, so wenig konnte sie gegen die laufende Frist der Abgabe tun, die sich nun direkt vor mir befand.

Deshalb musste ich mit meiner Arbeit und mit all meinen persönlichen Problemen heute vor dem Dekan auftreten und um eine Fristverlängerung betteln. Und es war noch nicht sicher, dass ich diese gewährt bekommen würde.

Ich merkte, wie meine Hände anfingen zu zittern. Juli und ich waren gerade zu Fuß auf dem Weg zum Unigebäude, in welchem ich gleich Rede und Antwort stehen müsste. Als mir Juli einen Blick zuwarf, nahm er meine Hand. Ich war ihm so unglaublich dankbar dafür, dass er momentan da war.

Eigentlich hätte er Training gehabt und ich hatte bereits Mia gefragt, ob sie nicht vielleicht Zeit hatte, um mich zu unterstützen. Zum Glück hatte sie direkt zugesagt und wartete nun schon direkt vor dem Gebäude, wie sie mir geschrieben hatte. Als ich mich gestern jedoch endlich dazu durchringen konnte, Juli zu erzählen, was los war, hatte er tatsächlich alles stehen und liegen lassen und hatte das Training abgesagt, um heute dabei sein zu können. Und dafür war ich ihm unendlich dankbar.

Vor dem großen Steingebäude sah ich auch schon Mia winken, und mit zitterndem Atem umarmte ich sie. Juli tat es mir gleich und mit einem tröstenden Blick meinte sie: "Das wird alles. Sei einfach ehrlich und erzähl genau das, was passiert ist. Und ganz ehrlich, jeder, der dir in deiner Situation keinen Aufschub gibt, ist einfach herzlos." Ich atmete einmal tief durch und nickte dann. Sie hatte tatsächlich recht.

Mit dem tonnenweisen Überschuss an Adrenalin in meinen Adern betrat ich das Gebäude, gefolgt von Juli und Mia, und nahm die breiten Treppen in den ersten Stock. Vor der Tür des Dekanat-Sekretariats blieb ich stehen und wandte mich noch einmal zu den zwei um. "Vielen Dank euch, dass ihr hier seid. Wartet ihr auf mich?" Die zwei nickten einstimmig und wünschten mir noch einmal viel Glück. Ich lächelte gezwungen und brachte es gerade so über mich, die Klinke der Tür nach unten zu drücken und das Sekretariat zu betreten. Mir war speiübel und ich schwitzte zu meinem Bedauern leicht.

Die Frau hinter dem Tresen warf mir einen gelangweilten Blick zu und meinte dann: "Wofür sind Sie hier?" Ich schluckte und meinte dann: "Ich habe einen Termin beim Dekan. Mein Name ist Sarah Louisa Stamm?" Sie blätterte kurz in einem großen Terminkalender, der direkt vor ihr lag. Dann meinte Sie zu mir: "Warten Sie hier.", bevor sie sich zu einer schmäleren Holztür in der Seitenwand des Büros begab und mit dem Kopf in den Raum lugte. Sie sprach leise mit jemandem hinter der Tür, was ich nicht verstehen konnte. Dann wandte sie sich wieder mir zu und hielt mir die Tür auf mit den Worten: "Sie dürfen."

Ich überwand mich dazu, mich auf die Tür zuzubewegen und trat in den kleineren, von Bücherregalen gesäumten Raum ein. Eine kleine Pflanze in der Ecke des Raums fiel mir ins Auge und direkt erkannte ich die Calathea. In Gedanken sammelte ich mich noch einmal, bevor ich mich dem älteren Herren zuwandte, der mir bereits die Hand zum schütteln hinhielt. Dies tat ich und er bedeutete mir, mich auf einen der zwei Lederstühle ihm gegenüber zu setzen.

"Sie müssen Frau Stamm sein, richtig?" Ich bestätigte: "Richtig, hallo." Ein kleines, aufgesetztes Lächeln huschte über meine Lippen. Er erwiederte dieses gefälschte Lächeln mit einem echten. "Ich habe gehört, Sie haben Probleme damit, Ihre Bachelorarbeit im Fristrahmen fertig zu bekommen, oder?" Ich nickte schüchtern. Immernoch saß mir ein Kloß im Hals.

"Na gut, dann erzählen Sie mal. Keine Sorge, ich möchte auch, dass Sie die Möglichkeit haben, eine der wichtigsten Arbeiten Ihres Lebens rund abgeben zu können. Dann schießen Sie mal los." Ein kleiner Stein fiel mir vom Herzen und ich atmete die Luft aus, die ich unbewusst angehalten hatte. Er wirkte wie ein ehrlicher, freundlicher Mensch und ich hatte direkt das Gefühl, ihm vertrauen zu können.

Also schüttete ich ihm mein gesamtes Herz aus. Ich erzählte ihm von den Problemen, die seit der EM auf mich zugekommen waren und zeigte ihm schweren Herzens auch Screenshots von den Hate-Nachrichten auf meinem Handy. Währenddessen hörte er mir geduldig zu und nickte ab und zu, um zu zeigen, dass er mir folgte.

Als abschließende Aussage meinte ich: "Ich bin wirklich beinahe fertig mit dem Forschungsteil. Ab diesem Punkt ist es nur noch das Schreiben, und auch damit habe ich bereits begonnen. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich damit wirklich bis in zwei Wochen fertig werde und auch eine gedruckte und durchkorrigierte Arbeit vorweisen kann."

Er nickte schließlich. "Ich verstehe. Es scheint so, als hätten Sie einen wirklichen Grund, weshalb Sie von Ihrer Arbeit absehen mussten. Na gut. Ich mache das nicht häufig und auch nur in wirklichen Ausnahmen, wie Sie eine sind. Ich gewähre Ihnen einen Aufschub von vier Wochen. Ich hoffe, dass diese Zeit dann auch wirklich reicht."

Ich war den Tränen nahe und bedankte mich vielmals bei ihm, während er das Formular ausfüllte und unterschrieb, welches er mir daraufhin in die Hand drückte. "Glauben Sie mir, es wird alles gut werden. Und noch viel Kraft in Ihrem Privatleben", meinte er zu mir, als er mir die Tür des Büros aufhielt und mir zum Abschied noch einmal die Hand gab. Ich lächelte ihn an und bedankte mich ein letztes Mal bei Ihm, bevor ich wieder das Sekretariat betrat und der Frau hinter dem Tresen das Formular überreichte. Ich hatte es tatsächlich geschafft.


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Wieder ein kleines Füllerkapitel, sorry dafür hehe... Ich hoffe, es gefällt trotzdem.

Bis bald, eure Ella <3


111 km/h  /// Julian Köster ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt