Jayden 1 - Janine

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Das ist der vierte Teil.

Erster Teil: Zufall oder Magie?

Fuck, fuck, fuck. Was jetzt? Die Knöchel meiner rechten Hand schlugen schmerzhaft gegen die Wand zum Hörsaal. Wie hatte ich so beschissen dumm sein können? Eine Aufgabe- und ich hatte sie nicht erfüllt. Ich war ein Versager.

Ich hatte Michelle geglaubt? Ich hätte es besser wissen müssen. Diesem Mädchen konnte man nicht ein Wort glauben. Jetzt musste sie dafür zahlen. Man würde sie bestrafen. Unsere Forschung würde nicht fortgesetzt werden. Daran war nur ich schuld. Ich war ein Versager.

Sie hatte mehr von mir erwartet. Ich hatte mehr von mir erwartet. Ich hätte fokussiert sein müssen. Meine Konzentration hätte ausnahmslos auf unserer Mission liegen müssen. Was jetzt? Was konnte ich machen?

Ich brauchte einen Plan! Wie könnte ich sie da rausholen? Wie viel würde sie erzählen? Wie lange hielt dieses beschissene Wahrheitsserum an? Wo würde man sie hinbringen? Janine musste mich hassen. Ich war ein Versager.

Meine Gedanken wurden leise. Ich versuchte zu verstehen was hinter der Wand zum Hörsaal gesprochen wurde. Aber auf der anderen Seite war es still. Hatten sie aufgehört zu reden? Hatten sie Janine mitgenommen? Was passierte dort?

Ich ließ mich aus meinen Überlegungen reißen, als von rechts plötzlich zwei Stimmen zu hören waren. Ich drehte mich um und entdeckte Connor. Connor, ein Weichei, ein Lügner. Im Schlepptau hatte er Michelle. Der edle Ritter. Ich wurde wütend, mein Herzschlag schneller. Ich konnte sie nicht einfach an mir vorbeilaufen lassen. Ich konnte diese Verräter nicht davonkommen lassen. Ich musste sie bestrafen. Janine würde es so wollen.

Beide liefen mit gesenktem Blick an mir vorbei, als würde ich sie durch diese unbedeutende Geste nicht sehen können. Ich wartete, bis sie die Treppe nach oben verschwunden waren und sich in Sicherheit wogen. Dann folgte ich ihnen. Als ich die Hütte verließ, sah ich, wie sie aufgeregt ihre Kreise zogen.

„Ey!", rief ich und ging mit schnellen Schritten auf sie zu. Michelle hatte Angst. Das sah ich ihr an. Die Augen geweitet, bereit zu fliehen. Connor stellte sich schützend vor sie. So ein tapferer, starker Typ, lächerlich. Sie sollten Angst haben, Beide. Ich blieb vor Connor stehen und starrte ihm in die Augen. Was hatte er sich dabei gedacht? Wie hatte er Janine verraten können? Die Wut in mir wurde größer. Hoher Herzschlag, schneller Atem, Unruhe. Ich empfand nichts anderes als Wut für ihn. Er hatte mich um das Wichtigste gebracht. Janine hasste mich von nun an. Sie verabscheute mich. Ich hatte versagt.

Ich hatte Schuld an all dem. Würde ich sie da nicht mehr rausbekommen, dann wars das. Mit ihr und mit mir.

„Verpiss dich", hörte ich Connor schreien. Die Angst ließ seine Stimme zittern und die Worte lauter klingen, als es notwendig gewesen wäre.

Das hätte er nicht sagen sollen. Ich hatte keine Sekunde Zeit um nachzudenken. Meine Faust schnellte auf seinen Kopf zu. Ich traf ihn brutal an der Stirn. Schmerz legte sich über meine rechten Fingerknöchel. Er taumelte rückwärts. Ein zweiter Schlag folgte, dieses Mal in seinen Magen. Das gab ihm den Rest. Der Schmerz wurde intensiver. Ein Brennen zog sich über die Haut meiner Fingerknöchel. Connor fiel zu Boden und regte sich nicht. So ein Schwächling, genauso schwach wie die Entscheidung, die er getroffen hatte.

Jetzt stand mir Michelle gegenüber. Angst spiegelte sich in ihren Augen wieder. Ich genoss diese Angst. Das war die Genugtuung für das, was sie mir genommen hatte. Sie so hilflos zu sehen, weckte in mir den Wunsch, sie so zu ängstigen, dass sie um Gnade winseln würde. Die Wut in mir wurde größer. Wie hatte sie dieses Spiel mit mir spielen können? Sie hatte meine Familie mit reingezogen. Sie wusste was das für mich bedeutete und trotzdem hatte sie mit dieser Schwäche gespielt. Wie hatte sie das tun können? Ich hasste Michelle.

Ich kam ihr dichter, drängte sie rückwärts, bis sie mit ihrem Rücken an den nächsten Baum stieß. Sie hielt meinem Blick erstarrt stand, während ich ihr immer näher kam. Sie hatte alles nur vorgetäuscht. Ihr Interesse, der Kuss, ihre Wünsche. Alles eine Lüge. Ich war nicht verletzt, ich war wütend. Über jedes Wort, das ich ihr geglaubt hatte. Michelle war der Teufel. Sie konnte einen alles glauben lassen. Sie konnte die größte Lüge wie die einzige Wahrheit scheinen lassen. Es war nicht das erste Mal, dass ich darauf reingefallen war. Aber es würde das letzte Mal gewesen sein.

Wir starrten uns lange in die Augen. Ich wartete, dass sie mir Erklärungen geben würde. Aber das tat sie nicht. Jede Sekunde, in der sie schwieg, wurde ich wütender.

Ein Kribbeln durchzuckte meinen Körper. Meine Hand packte Michelle fest am Hals, drückte sie an den Baum und dann schrie ich sie an:

„Du beschissene Schlampe. Du hast einen gewaltigen Fehler gemacht!"

„Fick dich."

„Ich hasse dich!" Ich wusste, dass ich ihr mit diesen Worten wehtat. Genau das wollte ich erreichen. Sie sollte leiden. Ich wollte ihr so wehtun, wie sie mir wehgetan hatte. Janine würde mich verachten, Janine würde mich hassen. Ich wusste nicht, wie ich das überleben sollte.

Meine Finger begannen zu kribbeln. Ich wollte ihr richtig wehtun. Ich musste die Wut rauslassen, bevor sie mich von innen zerfraß. Ich verlor die Kontrolle. Über meine Gefühle, über mich, über alles.

Michelle hatte mir die Kontrolle genommen und jetzt musste sie mit den Konsequenzen leben. Meine Hand schnellte nach vorne, traf ihr Auge. Sie zuckte zusammen, keuchte auf, aber sie gab keinen Schrei von sich. Sie sagte kein Wort. Michelle sah mich nur erschrocken an. Warum sah sie mich so erschrocken an? Hatte sie nicht damit gerechnet? War sie so naiv und glaubte, dass ich gegen sie niemals die Hand erheben würde? Erbärmlich. Meine Hand schnellte ein zweites Mal nach vorne und traf ihren Mund. Blut sammelte sich auf ihren Lippen und floss dann ihr Kinn hinab. Ihr Auge schwoll innerhalb weniger Sekunden zu.

Hinter meinen Schlägen hatte Kraft gesteckt, es musste wehgetan haben. Doch Michelle regte sich immer noch nicht. Sie versuchte sich nicht mal zu währen. Warum starrte sie mich nur an? Warum sagte sie nichts? Warum wagte sie keinen Versuch sich zu verteidigen? Das machte mich rasend vor Wut und ich setzte an, um sie ein weiteres Mal zu schlagen.

Doch jemand kam mir zuvor. Ich wurde an der Schulter zurückgehalten und nach hinten gezogen. Ich drehte mich um und blickte Sam entgegen, die mich entgeistert ansah. Sam, sie hasste ich auch. Und ich hasste es noch mehr, dass sie mich von Michelle weggezogen hatte. Glaubte sie wirklich, sie könnte sich mit mir messen? Dafür war sie zu schwach. Ihre dumme Naivität ließ das Blut in meinen Adern kochen. Wie konnte sie so naiv sein?

Michelle verlor ich aus dem Fokus. In meinem Blickfeld nahm ich nur noch Sam war. Ich war mir sicher, dass auch sie diesen Abend nicht ohne blaues Augen überstehen würde. Meine Finger begannen erneut zu kribbeln. Meine Hand holte aus, machte sich bereit mit voller Wucht auf sie einzuschlagen. Doch wieder kam mir jemand zuvor. Lian. Er schob sich zwischen uns und tat nichts. Er tat gar nichts, außer dazustehen und mich anzusehen, ohne irgendein Gefühl in seiner Miene widerspiegeln zu lassen.

Ich verfiel einen Moment in Regungslosigkeit. Ich ließ die Hand sinken und starrte ihn schweigend an. Die Wut spürte ich noch in meinem ganzen Körper, aber ich hielt sie zurück. Wer Tote zum Leben erwecken konnte, der konnte auch töten. Ich würde Janine gar nichts bringen, wenn ich tot wäre.

Während wir uns gegenüberstanden, ließ die Wut langsam nach. Ich bekam einen Teil meiner Kontrolle zurück und verstand allmählich was ich getan hatte. Selbsthass prasselte über mich ein und machte mich verletzlich. Ich musste hier weg.

„Ihr werdet das alle noch bereuen!", fluchte ich und spuckte verächtlich auf den Boden. Dann ging ich. Sie würden gar nichts bereuen. Ich bereute alles. 

Magische Träume (4. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt