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„ICH WILL KUCHEN!"

Rafe schloss rasch die Tür hinter sich und sah in das grinsende Gesicht von Alpha Jay aus dem königlichen Clan. Der Mann lehnte an der Wand gegenüber und aß genüsslich einen Apfel. „Stressiges Wiedersehen?", gluckste der Witzbold und Rafe überlegte spontan, ob der Apfel groß genug war um als Knebel herzuhalten.
König Henry hatte keine Zeit verloren. Nachdem er mit dem Gesindel im Palast aufgeräumt hatte - genauer gesagt hatte er die recht blutigen Aufräumarbeiten, die mit diversen ausgerupften Gliedmaßen und recht vielen Toten einhergegangen waren an die Vollstrecker der beiden Zirkel delegiert - waren nun die archaischen Gesetze seines Ur, Ur, Urgroßvaters dran.
Seit zwei Wochen hockte er mit David, Kai und Duncan über den Schriften und setzte konsequent den Rotstift an.
Oder alternativ den Flammenwerfer...
Als Erstes war alles dran gewesen, was auch nur im Ansatz mit den Omegas zu tun gehabt hatte. Von einer Ansammlung von mehr als neunhundertachtzig teils absolut sinnfreien Vorschriften hatte nicht eine die in radikale Überarbeitung überstanden.
Stattdessen waren neue Gesetze erlassen worden.
Auch wenn König Henry wusste, dass es noch viele Jahre dauern würde, bis die Menschheit wieder umdachte, so musste zumindest der Grundstein gelegt und die Mitglieder dieser extrem seltenen und sanftmütigen Kaste die gleichen Rechte gegeben werden, wie jeder Beta oder Delta sie innehielten. Die Natur der Omegas oder Epsilons würde er damit zwar nicht verändern können, aber Henry wollte, dass sie in der Lage waren, ihren Weg selbst zu bestimmen, oder gar Karriere zu machen, ohne sich verstecken zu müssen...
Zudem wurde Medikament Supress von nun an kostenlos an Bedürftige verteilt, sodass die Schwarzmarktvariante, die mehr Schaden als Nutzen brachte, jetzt obsolet war.
Danach waren die Alpha-Camps dran. Diese barbarischen, unendlich brutalen Einrichtungen, in denen Alphas jegliche Menschlichkeit und jedes Mitgefühl aus dem Leib geprügelt wurde, bis sie zu knallharten Tötungsmaschinen geworden waren, die sich als den Nabel der Welt betrachteten.
Dies war der nächste Job für die Vollstrecker.
Was zur Folge hatte das Rafe und Tjorben erst vor wenigen Stunden wieder in den Palast zurückgekehrt waren.
Vier Wochen lang waren die beiden Männer mit dem Flugsegler von Camp zu Camp gereist und hatten die neuen Gesetze den Vorgesetzten vor Ort näher gebracht... mit viel Überzeugungskraft und teilweise zertrümmerten Nasen.

„KUCHEN!", brüllte Josh erneut, dann riss er die Tür auf und watschelte stocksauer, die braunen Haare in alle Richtungen anstehend aus dem Nestraum. Xander marschierte alarmbereit hinter dem schwangeren Omega her, der seine kleine Babykugel stolz vor sich hertrug. Er war zwar erst in der sechsten Woche, doch zum Glück - und da waren sich alle äußerst einig - dauerte die Schwangerschaft eines männlichen Omegas nur knappe vier Monate.
Infolgedessen war das Babyügelchen bereits sichtbar, was Josh jedoch tatsächlich als unumstritten schwanger auswies, waren die extremen Stimmungsschwankungen.
Dann waren da noch die Gelüste... ja, ja, diese Gelüste.
Und damit war nicht ausschließlich Sex gemeint. Nicht das dieser derzeit zu kurz kommen würde - oh, nein! Jede Nacht artete in einen Rammelmarathon der Superlative aus und nicht selten besprang der bedürftige Kleine seine Alphas auch bei Tage in den oft ungünstigsten Umständen. Wie zum Beispiel Duncan, als der gerade Grammy Lany und ihren ganzen Zirkel begrüßte und just dabei war, ihnen ihre Suite zuzuweisen.
Was ihnen allen aber so ein richtiges Schleudertrauma verpasste war das Essen... in der einen Sekunde wollte Josh Deftiges, wie zum Beispiel Rehgulasch, dann wieder Kuchen und Kekse. Dann musste etwas Saures her, und zwar Pronto. Dazu trank der kleine Omega in rauen Mengen heißen Kakao und war dermaßen anhänglich, dass rund um die Uhr einer seines Clans bei ihm sein musste. Und das schloss selbst die zahlreichen Toilettengänge ein.
„Kuchen!" fauchte der junge Mann erneut und stieß ein frustriertes Babykatzen fauchen aus, als ihm nicht direkt ein Stück der begehrten Süßspeisen in seine Hand geflattert kam.
Vorwurfsvoll stierte er Xander an, dann Rafe und walzte schließlich aufschluchzend, es würde ihn ja doch niemand lieben, in Richtung Küche von dannen.
Der blonde Mechaniker warf dem kichernden Jay einen strafenden Blick zu, erwog ebenfalls kurzfristig ihn mit dem Apfel zu knebeln und wetzte hinter der winzigen Dramaqueen her.
„Josh? Ach, weine doch nicht, mein süßer Schatz. Rafe besorgt dir den Kuchen und dann schmusen wir beide dir den Kummer von der Seele. Was hältst du davon?"
Zärtlich säuselte Xander dem Omega ins Ohr, dann hob er ihn vorsichtig hoch und trug den schniefenden Josh laut schnurrend in den Nestraum zurück. Rafe salutierte gehorsam und hastete los und das verzweifelt begehrte Futter heranzukarren.

„So, Baby... ist es jetzt besser?"
Rafe betrachtete amüsiert den schmatzenden jungen Mann, der mit vollen Backen den Apfelkuchen in sich hineinstopfte. Überglücklich summte Josh vor sich hin und erlaubte dem dunkelhäutigen Riesen gnädig, ihm das nächste Stück anzubieten. Als das halbe Blech schließlich sicher im Magen des Omegas verstaut war, gähnte dieser genüsslich und räkelte sich. Dann tapste er zum Badezimmer, um sich die Hände zu waschen und krabbelte auf Rafes Schoß. Lächelnd hob dieser den verschmusten schwangeren jungen Mann hoch und trug ihn ins Nest. Xander gesellte sich zu den beiden und gemeinsam streichelten die Alphas den Winzling, bis der vor Glückseligkeit rammdösig völlig regungslos da lag und wie ein kompletter Bienenstock summte.
„Wie weit seit ihr eigentlich gekommen?", fragte Xan und musterte den Vollstrecker über den wuscheligen Haarschopf des Omegas zwischen ihnen.
Rafes große warme Hand strich in sanften Kreisen über den leicht gewölbten Bauch ihres Herzens und schnurrte dabei wie eine übergroße Katze. „Nicht sehr weit. Alle Lager im Umkreis von zweitausend Meilen. Das wären dann genau achtzehn Stück. Wir hätten weiter machen können, aber Tjorben musste unbedingt nach Gwendolyn sehen und ich konnte mich auch nicht länger von Josh fern halten. Ich möchte nicht die ganze Zeit während seiner Schwangerschaft unterwegs sein."
Mit einem versonnenen Lächeln zwinkerte Xander seinem Clansbruder zu und fragte mit einem sanften Spott in der Stimme: „Und das trotz all der Stimmungsschwankungen unseres Kleinen hier?"
Josh hob bockig den Kopf und maulte: „Ey! Ich gab keine Stimmungsschwa... oh... hm... du riechst nach Schokolade!"
Nur einen Herzschlag später kroch der Omega auf Xans Brust und vergrub seine Nase in der Halsbeuge seines Kuschelbärs.
Der Mechaniker sah zu Rafe und formte mit den Lippen stumm das Wort ‚Stimmungsschwankungen' und stöhnte dann lustvoll auf, als der knutschende junge Mann in seiner Leistengegend angekommen war. Der Vollstrecker knurrte erregt auf und beteiligte sich direkt, sehr zur Freude des Clanherzens.

Dass sich die Tür öffnete, bekamen die drei zunächst nicht wirklich mit, erst als eine helle Stimme ein lautes „JOSHIII!" ausstieß, unterbrachen sie notgedrungen die Schmusesession. Mit einem Ruck richtete sich Josh auf und ließ das steife Glied seines blonden Geliebten los. Die braunen Augen des jungen Mannes glühten vor überschäumender Freude auf. „Gwen!", flüsterte er und Tränen strömten über seine Wangen. Schmunzelnd zogen die beiden Alphas ihre Hosen wieder hoch und krackselten nach einander zum Ausgang des Nestes. Josh presste die Hände auf sein Herz und hörte am Rande, wie Xander sagte: „Gwendolyn... wie schön, dich wiederzusehen! Lass mich raten? Du bist nicht auf der Suche nach noch mehr heißen Männern, sondern möchtest den niedlichsten Omega unter der Sonne sehen?"
Josh giggelte, als seine Besti schlagfertig antwortete: „Ach was, Xander... wie kommst du denn darauf? Was hat mich nur verraten?"
Josh versuchte derweil so intensiv, sein Gesicht wieder unter Kontrolle zu bekommen, dass er nicht in der Lage war, sich weiterhin auf das Geplänkel vor seinem Nest zu konzentrieren. Nur dass Rafe ausgesprochen widerwillig die Deckenfestung verließ, bekam er mit.
Erst auf ein Machtwort des Clansführers bequemte sich der Vollstrecker hinaus. Selbstverständlich nur unter andauernden Geknurre und ausgesprochenen Warnungen in Richtung der Epsilon.
Als der knackige Hintern des Mannes schließlich außer Sichtweite war, hatte sich der Omega soweit zusammengerissen, dass er wieder gesellschaftsfähig war. Mit einem Ruck tauchte er ins Freie und sah zu seiner besten Freundin, die hinter einem Riesen mit geflochtenen silbernen Haaren stand.
„GWENNY!", schrie er voller Freude und machte Anstalten, aus dem Netz zu purzeln. Mit einem lauten Grollen wirbelte Rafe herum und zischte: „Kein Herumtoben! Versucht doch einmal keinen Blödsinn zu verzapfen. Klar so weit? Ihr habt euch beide zu schonen!"
Nahezu unisono verdrehten die beiden Clanherzen ihre Augen und Josh streckte auffordernd seine Hand nach der besten Freundin aus, um sie zu sich ins Nest zu ziehen.
„Ja, ja... und jetzt RAUS HIER!" pflaumte er die großen Männer an und dann tauchten die Freunde aus der Sichtweite der Alphas ab, um überglücklich zu kuscheln.
Gwenny lebte!
Sie war wach!
Und bei ihm... Wenn sie jetzt noch Kuchen hätten, wäre die Welt perfekt!

Brennende HimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt