„Kannst du mir mal sagen, wo du hin willst?"
Duncan beäugte seinen kleinen Gefährten misstrauisch. Josh hatte sich in eine flauschige Decke eingewickelt, die Arme in einem Todesgriff um ein dickes Federkissen geschlungen und stromerte mehr oder weniger zielgerichtet durch die Gänge des Palastes.
„Hunger!", maulte der mittlerweile hochschwangere Omega und watschelte um seinen Alpha herum. Er hatte zwar vor einer Stunde einen kompletten Blechkuchen verspachtelt, aber was sollte der Geiz?! Der Clansführer seufzte ergeben und begleitete den wild entschlossenen Winzling bei dessen Jagd nach etwas Essbarem.
Nur zwei Schritte vor ihnen öffnete sich die Tür zur Rechten und ein Teller, randvoll mit warmen, köstlich nach Mandeln und Schokolade duftenden Brownies wurde auf den Gang gestreckt. Japsend ließ Josh das Kissen fallen und griff gierig sabbernd mit beiden Händen nach dem sündigen Angebot. Der Alpha wollte sich schon dazwischen werfen, schließlich sollte niemand einfach so Essen entgegennehmen, welches willkürlich einem vor die Nase gehalten wurde, da erklang das warme Lachen von Josh's Großmutter.
„Keine Sorge, Duncan. Ich würde meinem Enkel niemals etwas geben, was er nicht verträgt!" Der Mann lächelte beruhigt und folgte dem schwankenden Josh in die Suite, welche sich über den halben Westflügel des Palastes zog. Selbstverständlich mitsamt einer sehr geräumigen Küche... Grammy Lany und ihr Clan hatte König Henrys Angebot ohne Zögern angenommen und waren mit Sack und Pack vor gut drei Monaten eingezogen.
„Woher wusstest du, dass unser Kleiner auf Futtersuche ist?", fragte der braunhaarige Riese neugierig und beobachtete amüsiert, wie der besagte Kleine mit beiden Händen die schokoladigen Kuchenstücke in sich hineinschaufelte.
Grammy kicherte und streichelte Josh liebevoll durch die zerzausten Haare.
„Ich bitte dich, Duncan. Es ist mindestens eine Stunde her, dass der Süße hier was gefuttert hat. Im letzten Trimester haben Omegas nahezu ununterbrochen Hunger. Ein sicheres Anzeichen dafür, dass wir auf die nächste Generation nicht mehr allzu lange warten müssen!"
Der junge Mann summte zufrieden und mampfte mit vollen Backen weiter.
Absolut nichts vermochte ihn im Moment von den Fressalien abzuhalten... Nicht einmal der höllische Schmerz, der auf einmal durch seinen Unterleib schoss.
Unwillig grunzte Josh und kaute dann aber unbeeindruckt weiter. Opa Dominik betrat den Raum und lächelte beim Anblick seines verfressenen Enkels.
„Du hattest mal wieder recht, Liebste. Und das auch noch auf die Minute genau!" Grams nickte und schmiegte sich an ihren Liebsten.
„Wie geht es Gwendolyn heute?", fragte sie auf einmal besorgt und Josh würgte den Riesenbissen runter, an dem er sich gerade verausgabte. Dann antwortete er: „Sie ist sauer und gereizt wie ein tollwütiges Wolfsrudel, dem man das Abendessen gemopst hat! Das Mädel muss derart dringend mal wieder flachgelegt werden, das ist schon nicht mehr lustig!"
Sein Alpha nickte nur heftig zur Bestätigung. Er hatte bereits mehrfach versucht, Gwens Männer auf den untervögelten Umstand der Epsilon aufmerksam zu machen, doch bis dato stieß er nur auf taube Ohren. Klar, der Verlust von Jared war eine einzige Katastrophe für den Clan, doch die Alphas mussten sich schlicht und ergreifend zusammenreißen. Ihr Weibchen brauchte mehr als nur Kuscheleinheiten. Vor allem im schwangeren Zustand mutierten Omegas und Epsilons zu wahren sexbesessenen Monstern. Das war mit einer der Gründe, warum sich mehrere Alphas in einem Zirkel um sie herum gruppierten.Ein weiterer von Josh Großeltern, ein relativ kleiner, weil nur eins neunzig großer Alpha, dessen schlanke, schmalere Statur ihn als Tracker auswies, betrat den Raum.
„Opa Benjamin!", quietschte Josh glücklich und wackelte so schnell wie möglich auf den Neuankömmling zu. Dieser lächelte milde und streckte die Arme nach seinem Enkel aus. „Wie geht es dir, mein kleiner Fratz? Hat Lany dich endlich sattbekommen?"
Der junge Mann grinste zufrieden und rieb sich über den starke gewölbten Schwangerschaftsbauch. „Zumindest fürs Erste. Obwohl ich nichts gegen ein paar gebackene Kartoffeln einzuwenden hätte."
Duncan seufzte leise und murmelte: „Wo futterst du das nur alles hin?"
Der Omega streckte ihm sehr erwachsen die Zunge raus und spielte mit dem aschblonden geflochtenen Zopf von Opa Benjamin, als der nächste Krampf sich alle Mühe gab, Josh's Eingeweiden einen neuen Platz in dessen Bauch zuzuweisen.
„Irgendwas ist hier nass..."
Verwirrt runzelte der Tracker von Grammys Clan die Stirn und sprang dann wie von einer Tarantel gebissen auf die Füße.
„Lany... Josh's Fruchtblase ist geplatzt! Das Baby kommt!"
Hechelnd beugte der Omega sich vor und versuchte verzweifelt durch den Krampf, der sich nun eindeutig als Wehe zu erkennen gab hindurch zu atmen. Opa Dominik stürmte zur Tür und brüllte in den Gang: „XANDER! MACH DEN FLUGSEGLER KLAR. EUER BABY KOMMT!"
Grammy hockte derweil neben ihrem fiepsenden Enkel und massierte ihm behutsam den Lendenwirbelbereich. „Alles wird gut, mein Liebling! Erinnerst du dich an die Atemübungen? Ja? Sehr gut... Genauso. Das machst du großartig!"
Josh reckte ächzend einen Daumen in die Höhe, dann nahm Duncan ihn so sanft wie möglich auf den Arm und eilte los zum Ankerplatz des Flugseglers, wo bereits emsige Betriebsamkeit ausgebrochen war.
„Was brauchen wir? Decken? Kissen? Müssen wir das Nest einpacken?"
„Blödsinn! Das Nest wartet auf Josh und unser kleines Mädchen, wenn wir die beiden wieder sicher nach Hause gebracht haben! Mitdenken, du Dösskopf!"
Der Clansführer setzte den hechelnden Omega vorsichtig auf einer Kiste ab und eilte zu Rafe und Deke, die drauf und dran waren vor lauter Sorge um ihr Herz ein Ventil in einer brüderlichen Prügelei zu suchen.
Grammy legte einen Arm um ihren wimmernden Enkel und Opa Dominik begann mit einer gezielten Akupressur gegen den Schmerz.
Derweil hatte Duncan seine Freunde ins Innere des Seglers befördert und die Treppe zur Gondel war im Begriff hinter dem Clan eingefahren zu werden, als Grams kopfschüttelnd brüllte: „IHR HABT DA WAS WICHTIGES VERGESSEN!"
„Ich hab doch gesagt, dass wir das Nest mitnehmen sollen," fauchte Deke und Grammy schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
„ICH MEINTE EUREN OMEGA, IHR RAMMDÖSIGEN ALPHAS!"
Kurzer herrschte eine kurze betroffene Stille, dann versuchten vier Riesen gleichzeitig aus der schmalen Türöffnung zuspringen, was zur Folge hatte, dass alle in einem Haufen übereinander auf dem Boden landeten.
„Waren wir genauso, als Linn geboren wurde?", fragte Dominik und Lalany kicherte bei der Erinnerung an das Verhalten ihrer Männer bei der Geburt von Josh's Mutter. Die Kerle hatte buchstäblich alles angeknurrt, was sich bewegt hatte... Inklusive fallender Blätter und Lalany war in dem ersten halben Jahr nach der Niederkunft praktisch überall hingetragen worden.
„Fuck, Liebling... Es tut mir so leid!" stöhnte David, der sich als Erstes aus dem Haufen freigekämpft hatte und nun auf den Knien vor Josh kauerte, um Vergebung zu flehen.
„Hospital jetzt, Entschuldigung später," ächzte Josh bei der nächsten Wehe und der Headhunter schob den Kleinen in Duncans wartende Arme durch die Tür in der Gondel.„Pressen, Liebling!"
„ICH GEB DIR GLEICH PRESSEN, DU AUFGEBLASENER SCHEISSKERL! DU BIST DOCH SCHULD AN DEM GANZEN DRECKSMIST!" brüllte Josh zwischen zwei Krämpfen und fletschte die Zähne um seinen Alpha zur Bekräftigung seiner Worte einmal kräftig in den Allerwertesten zu beißen. Grammy streichelte dem jungen Mann beruhigend mit einem gekühlten Waschlappen über die krebsrote Stirn und sagte leise: „Schrei herum, beschimpf die Kerle so viel wie du willst, aber Duncan hat recht! Du musst jetzt pressen, mein Kleiner. Bring euer Kind sicher in diese Welt!"
Und der Omega tat schließlich auch genau das... Inklusive Rumgefluche und unter Verwendung sehr, sehr blumiger Schimpfworte versteht sich. Doch dann, nach fünf Stunden grauenvoller Qualen, glitt das kleine Mädchen in die wartenden Hände der Beta-Ärztin.
Und der Winzling tat es auch prompt ihrem Vater gleich und brüllte direkt aus voller Kehle los.
„Jepp, ganz der Papa!", murmelte Grammy stolz wie ein Pfau und wischte sich die Glückstränen aus den Augen.
Die Ärztin legte nach einem kurzen Check-up das krähende Bündel in Josh's begehrlich ausgestreckte Arme.
Große blau-graue Augen starrten zu dem völlig erledigten jungen Mann empor und dann reckte das Neugeborene die winzigen Händchen nach ihrem Vater aus.
Josh Herz schmolz vor lauter Liebe zu seiner wunderschönen Tochter dahin und er gurrte überglücklich: „Hallo, mein Süßes. Meine kleine, perfekte Kilany!"
Den Tumult, als der Rest seiner Alphas ins Zimmer polterten, bekam er gar nicht mit, zu sehr war der Omega damit beschäftigt, sein Baby verliebt anzuflirten.
„Kilany? Gefällt mir!" flüsterte Duncan und küsste seine Tochter zärtlich auf die Stirn. Dann strich er Josh durch die verschwitzten Haare und fuhr fort: „Ich danke dir für dieses Wunder, mein Geliebter! Ruh dich aus. Und morgen bringen wir euch beide nach Hause!"
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Brennende Himmel
FantasyJosh ist ein begabter junger und sehr fleißiger Mann, dessen Herzenswunsch es ist, Kinderarzt werden will. An für sich ist das ja kein utopischer Wunsch... das Problem an der ganzen Sache ist nur, dass er ein genetischer Volltreffer ist. Ein geschle...