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Es war fast so, als wäre sie nie fort gewesen.
Als hätten diese letzten sechs Monate gar nicht existiert.
Überglücklich vergrub Josh seine Nase in den feuerfarbenen Locken seiner besten Freundin und atmete tief ihren vertrauten Geruch ein. Der Junge konnte nicht sagen, wie lange sie so beieinander gestanden hatten...doch schließlich löste er sich zögernd von ihr und legte seine warmen Hände an ihre Wangen, um die Tränen fortzuwischen.
Dabei sah er tief in Gwendolyns Augen und lächelte schließlich.
Er konnte es kaum fassen...
Sie war es wirklich!
Seine süße, kleine, über alles geliebte, beste Freundin.
Immer noch strömten die Tränen über ihre Wangen und schließlich griff Josh nach ihrer Hand und führte sie von dem Baum weg.
„Gwenny, mein Mädchen... Du siehst echt Scheiße aus!" sagte er, um einen ernsten Tonfall bemüht, obwohl alles in ihm danach schrie, herumzutanzen, zu lachen und seine Freude in die Welt hinauszuschreien.
Die Epsilon sah ihn fassungslos an, doch dann breitete sich zunächst ein schüchternes Lächeln auf ihren Lippen aus, gefolgt von einem herrlichen, losgelösten Lachen.
Jetzt konnte Josh seine ernste Miene auch nicht mehr beibehalten und fiel in das fröhliche Kichern ein.
Gemeinsam ließen sie sich rückwärts in die bunte Pracht der blühenden Blumen plumpsen und blickten in den strahlend blauen Himmel empor, den dichten Wolken der Schmetterlinge hinterher, wie sie in der starken Brise davongetragen wurden.
„Josh?"
„Hm?"
Als der Omega seinen Kopf drehte, sah er direkt in die wunderschönen Augen von Gwen. Sie hatte sich auf die Seite gerollt und sah ihn unglücklich an. Dann glitt ihr Blick an ihm herab, um die Markierung von Duncan an seiner Schulter zu betrachten.
„Oh, Josh... es tut mir so leid! Wäre ich nicht gewesen, dann hättest du den blonden Scheißkerl nie angegriffen und wärst nicht unvorbereitet und vorzeitig in Hitze geraten. Und dann hättest du auch nicht den Besitzanspruch eines Alpha Clans auf dir. Es ist alles meine Schuld!"
Vor einem halben Jahr, direkt nach dem Inbesitznahme hätte Josh ihr vermutlich zugestimmt, doch nun sechs Monate später... Er konnte nicht sagen, dass er bereute was passiert war.
Er liebte seinen Zirkel über alles und fühlte sich sicher und geborgen in seiner Mitte. Doch wie sollte er seiner verzweifelten Freundin das nur begreiflich machen?
Traurig schüttelte er den Kopf.
„Nein, Gwen... das ist weder deine Schuld noch meine. Also hör auf, dich fertig zu machen! Vielleicht sollte es einfach so kommen und ich muss zugeben, dass Duncan und sein Clan mich tatsächlich positiv überrascht haben. Sie sind völlig anders als die Alphas, die wir uns immer als abschreckende Beispiele in der Bibliothek reingezogen haben."
Wirklich... völlig anders!
Zugegebenermaßen stammten die Bücher, welche die zwei vor Jahren regelrecht verschlungen hatten, aus ziemlich antiquierten Zeiten - hauptsächlich aus den Anfängen, als sich die Alphas aus der normalen Menschheit heraus entwickelt hatten... Die Bücher sprachen zu Recht oft von den finsteren Zeiten, denn die neu entwickelte Herrscher Kaste war alles andere als zimperlich gewesen, wenn es um Revierkämpfe und Inbesitznahme von Omegas gegangen war. Oft hatten die kleinen Herzen die Brutalität der Riesen nicht überlebt oder waren tatsächlich in einen Raum gesperrt worden, um als Sexspielzeuge und Gebärmaschinen herzuhalten. doch mittlerweile...
Selbst die Alphas waren zivilisierter geworden, auch wenn ihre dominante und oft harte Art manchmal noch an die früheren Jahre ihrer Entstehung erinnerten.

Gwen starrte ihn völlig entgeistert an
„Heißt das, du fühlst dich echt bei denen wohl? Ich meine... Also, das sind besitzergreifende Vollidioten, die nur mit ihren Schwänzen denken!"
Jetzt musste der Junge lachen.
Ja, mit den Schwänzen denken, das passte schon irgendwie!
Obwohl er nicht sagen konnte, dass dies tatsächlich nur auf seine Männer zu traf. Er initiierte den Matratzenmambo fast schon öfter als seine Gefährten selbst...
„Ich will nicht sagen, dass mein Clan nicht mit seinen Schwänzen denkt, aber da ist noch so viel mehr, Gwen. Ich habe mich noch nie so sicher gefühlt wie in dem Moment, als ich zum ersten Mal mein Nest bei ihnen gebaut habe. Sie geben mir Geborgenheit und mehr Schmuseeinheiten als ich vertragen kann... Nein, streich das! Omegas und Epsilons können ja gar nicht genug Schmuseeinheiten bekommen. Also, du siehst... Ich komme voll auf meine Kosten! Wenn ich Albträume habe, schnappe ich mir einfach einen meiner Jungs und dann kuscheln die mich dadurch. Sie sorgen für mich und was noch wichtiger ist: sie sorgen sich um mich! Vor allem Rafe. Ja, ich weiß, man sieht es ihm nicht an, aber der Mann ist ein Softie... Mein Softie! Und gleichzeitig auch mein größter Beschützer."
Seine beste Freundin verdrehte genervt die Augen.
Sie war anscheinend nicht nur sehr skeptisch, sie war ein gebranntes Kind!
„Beschützer? Meinst du nicht eher Gefängniswärter?"
Eine verletzte Bitterkeit schwang in ihrer Stimme als sie den Blick abwandte und begann mit einer prächtigen blauen Kornblume zu spielen.
Josh's Herz weinte.
Oh, sein armes Kleines! Sie war so verletzt worden...
„Sieht das hier nach einem Gefängnis für dich aus? Denkst du wirklich, wenn ich in einem Gefängnis sitzen würde, könnte ich hier mit dir auf dieser Wiese liegen, ohne dass ich mindestens zwei oder drei von ihnen um uns herumstehen und jedes Insekt anknurren würden, dass mir zu nah kommt? Gwen... es ist nicht wie wir immer dachten! Es ist nicht so wie in den Horror Geschichten, die wir gelesen haben. Es mag alles in den früheren Zeiten so gewesen sein, aber alles kann sich weiterentwickeln und Omegas und Epsilons sind keine Fickspielzeuge mehr. Wir sind wertvoll für sie... kostbar sogar und sie würden alles tun, um uns zu beschützen. Sie würden alles tun, um dafür Sorge zu tragen, dass es uns gut geht und dass wir glücklich sind. Ist das wirklich so schlimm?"
Der junge Mann konnte förmlich sehen, wie bei Gwendolin die Schotten dicht gemacht wurden. Seine beste Freundin rappelte sich auf und klopfte sich die zerdrücken Grashalme von ihrer Kleidung.
Wütend presste sie ihre Lippen fest zusammen, und dann zischte sie: „Wow, du klingst, als hättest du eine Gehirnwäsche bekommen! Erinnerst du dich nicht mehr daran, wie sie uns immer behandelt haben? In der Schule oder wenn wir auf Alphas in der Stadt treffen? Sie sind nicht gut, und sie sind vor allem nicht treu! Denkst du wirklich, dass dein Clan hier die große Ausnahme bildet?"

Jepp... Eindeutig ein gebranntes Kind!
Ihre Tränen glitzerten im Sonnenlicht wie Diamanten und wie ein kleines Kind verschränkte Gwen bockig die Arme vor der Brust.
Josh konnte ja verstehen, dass sie litt... aber hey, sie beleidigt hier seinen Clan!
Und das macht ihn ebenfalls wütend. Mit einem Satz war er auf den Beinen und fauchte zurück: „Was soll das, Gwen? Seit wann hörst du nur auf Vorurteile und Klischees? Warum versuchst du mir das Glück, das ich gefunden habe, auszureden? Warum versuchst du es schlecht zu machen? Was zum Geier ist passiert, dass du so unglaublich engstirnig geworden ist?"

Unbemerkt hatte sich Rafe an die beiden herangeschlichen. Mit seinen scharfen Alpha Sinnen hat er natürlich alles mitbekommen, was die beiden kleinen Herzen gesprochen hatten und verständnislose Wut brodelte in ihm auf.
„Ja... Das würde ich auch gerne wissen!" knurrte er und funkelte das zierliche rothaarige Mädchen an.
Josh verdrehte innerlich die Augen ob des Timings seines Alphas, doch er war gerade zu wütend auf seine Freundin, als dass er dem Riesen einen Vorwurf machen wollte.
„Gwen... das ist Rafe, einer meiner ‚Gefängniswärter' wie du so schön gesagt hast," sagte er.
Diese erwiderte furchtlos den Blick des Riesen, dann sah sie zu Josh und sagte bitter: „Ja, wir sind hier völlig allein, nicht wahr? Wo ist der Rest deiner ach so tollen und großmütigen Gefährten, hm?"
In den Augen dunkelhäutigen Riesen blitzte es drohend auf.
Er wurde sauer!
Er war zwar nicht so verbohrt, wie es der Königsclan Vollstrecker Tjorben gewesen war, aber diese Kleine hatte nicht auch nur einen Funken Respekt im Leib.
Und das passte ihn überhaupt nicht!
Er kniff die Augen leicht zusammen und lockerte unwillkürlich seine Schultern. Auch wenn sie die beste Freundin seines Geliebten war, so sollte das Mädel besser nicht mit Josh reden, wenn sie nicht ein zümpftiges Spanking bekommen wollte!
„Vorsichtig, Kleine. Mir gefällt dein Ton nicht!" knurrte der Alpha und die junge Frau verdrehte genervt die Augen
„Pfff... du hast ja so recht! Dein Zirkel ist wirklich anders, Josh! Absolut nicht überheblich und fair anderen gegenüber!"

Oh, oh... Josh stöhnte innerlich auf, denn er wusste genau, worauf dies hinaus lief!
Und, was hatte er doch recht gehabt!
Seine kleine Freundin baute sich vor dem fast drei Kopf größeren Alpha auf, stemmte die Hände in die Hüften und begann - ohne Sinn für die eigene Sicherheit - Rafe anzuschreien!
Und so schien es zu einer Wiederholung der Szene zu kommen, die ihn damals in seine Hitze getrieben hatte und aus welcher er mit der Beanspruchung eines Clans auf seiner Schulter wieder herausgekommen war.

Brennende HimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt