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Ein dampfender Kessel mit bunter Gemüsesuppe und Fleischeinlage stand bereits auf dem Tisch. Melli Burmann verteilte die Teller und Löffel auf dem großen Esstisch und stellte noch ein Korb mit Brot in die Mitte. Jetzt fehlte nur noch ihre Familie. Melli lächelte und wischte sich eine Strähne ihres schulterlangen braunen Haares aus dem Gesicht. Sie hörte sie schon kommen. Laut genug waren sie ja.

„Hunger", rief Tonya und setzte sich schnell an ihren Platz. „Nun macht mal", forderte sie ihre Brüder auf, die wesentlich langsamer die Küche betraten und sich an den Tisch setzten.

„Du wirst noch etwas warten müssen, Schätzchen", sagte Melli und lächelte ihre ungeduldige Tochter an. „Vater ist noch nicht da."

„Oh Mann", maulte Tonya. „Das kann ja noch dauern." Sie lehnte sich zurück und verschränkte ihre Arme vor der Brust.

„Was wollte Herr Dunning eigentlich von dir?", wollte Mark wissen.

Sofort fühlte Tonya nicht nur die Augen ihrer Mutter auf sich gerichtet, sondern auch die Augen ihrer zwei jüngeren Zwillingsbrüder Bente und Cosmo.

„Kreisball wird am Schulfest vorgestellt", murmelte Tonya.

„Aber das ist doch klasse", freute sich Melli und lächelte ihre Tochter liebevoll an.

„Wirklich?" „Super." „Gratuliere." „Finde ich toll."

„Ja, ja", murmelte Tonya und winkte missmutig ab.

„Ich finde, Kreisball ist ein sehr schönes Spiel. Du hast dir da sehr viele Gedanken gemacht und jetzt bekommst du die Belohnung dafür. Das ist richtig gut, mein Schatz", lobte Melli. „Freust du dich denn nicht darüber?"

„Doch schon", murrte Tonya, „aber ich soll das Spiel vorstellen und die Regeln erklären und so."

„Gratuliere."

Keiner von ihnen hatte David Burmann kommen hören. Überrascht hoben sie ihre Köpfe, als seine tiefe Stimme von der Tür her erklang. Er drückte seiner Frau Melli einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, klopfte seiner Tochter Tonya anerkennend auf die Schulter und setzte sich zwischen seinen Söhnen an den Tisch.

„Du sollst also das Spiel erklären", nickte er lächelnd, während er als erster am Tisch Suppe in seinen Teller schöpfte. „Macht wohl Sinn." Vorsichtig schlürfte er den ersten Löffel heiße Suppe. „Du hast dir die Regel zu diesem Spiel überlegt und kennst sie daher am besten. Du solltest dir einige Spickzettel schreiben. Solche Handzettel mit Stichwörtern, damit du beim Erzählen und Erklären nichts vergisst und den roten Faden behältst."

„Ich habe abgelehnt", knurrte Tonya und schöpfte sich nun auch Suppe in ihren Teller.

„Aber warum denn das?", fragte David erstaunt.

„Ich kann das nicht", murmelte Tonya. „Vor all den Leuten und dann auch noch vor den Oberen."

„Die Oberen kochen auch nur mit Wasser, Schätzchen", warf Melli ein.

„Und schieben das Essen genauso wie wir unter der Nase rein", fügte Mark grinsend hinzu.

„So ist es", nickte David lächelnd. „Du darfst den Oberen durchaus zeigen, dass es unter uns einfachen Wölfen auch welche mit Gehirn gibt." Jetzt grinste er breit.

Tonya knurrte unwillig. Ihr Vater hatte leicht reden. Er hatte eine gut bezahlte Arbeit als Schichtleiter in der Fabrik, die einem der Oberen gehörte. Diesen Job hatte er sich redlich verdient durch großen Einsatz und Bereitschaft, stets dazuzulernen. Er verdiente gut dadurch, sogar so gut, dass sie sich das größere Häuschen am Waldrand leisten konnten. Eine sehr gute Lage, obwohl der Standort noch immer zur Unterstadt zählte.

Gehorche, Tonya.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt