„Das also ist der junge Alpha. Nicht schlecht", murmelte Tonya. Sie hatte sich nach dem zweiten Spiel in der ersten Runde hinter den Zuschauerreihen entlang geschlichen, bis sie eine Lücke fand, die ihr einen Blick auf die Tribüne des Alphas erlaubte. Dort stand er, der junge Alpha, direkt neben ihrem Sportlehrer Herr Dunning. Er sah gut aus, sogar sehr gut, wenn auch etwas wild und hart und für sein Alter viel zu ernst.
Tonya legte ihren Kopf schief und betrachtete den jungen Alpha. Er hatte ein markantes Gesicht. Doch der kurze Bart und die vollen Lippen milderten den harten Ausdruck. Er hatte kurzes dunkelblondes Haar. Es war leicht wellig und schien sich nicht in Form kämmen zu lassen. Diese wirre Haarpracht und der kurze Bart ließen ihn wild und ungezähmt wirken. Dazu passt auch sein durchtrainierter muskulöser Körper. Selbst der elegante schwarze Anzug, sicherlich maßgeschneidert, konnte seine Muskeln nicht verbergen.
Ohne es zu bemerken, seufzte Tonya leise. Wäre dieser Typ der nette Junge von nebenan, würde sie ihn verdammt heiß finden. Entsetzt schüttelte sie den Kopf. Was für Gedanken? Das war der Alpha, der Oberste der Oberen. Und dass er so verdammt gut aussah, hatte er sicher nur seinen guten Genen zu verdanken. Man tuschelte aber, dass er genauso hart und unnachgiebig wie sein Vater war. Fehler würde er nicht verzeihen, hatte sie gehört. Alles in allem war er eben doch nicht der nette Junge von nebenan.
Und überhaupt, wie kam sie dazu, diesen Typ „nicht schlecht" zu finden? Er gehörte zu den Oberen, war ein Mann und zudem noch der zukünftige Alpha. Gleichgültig wie er aussah, gleich drei Gründe sprachen dafür, ihn von vorne herein als uninteressant abzuhaken.
Trotzdem wanderte ihr Blick wieder zu ihm. Gerade unterhielt er sich mit Herrn Dunning, ihrem Lehrer. Er schien dem jungen Alpha einige Spielzüge näher zu erklären, während sie aufmerksam dem laufenden Kreisballspiel folgten. Der alte Alpha dagegen saß mit versteinerter Miene neben einer Frau, die gezwungen fein lächelte. Unmöglich zu erkennen oder zu erraten, was der alte Alpha dachte. Aber die Frau neben ihm fühlte sich nicht wirklich wohl. Pflichtbewusste verharrte sie an der Seite ihres Gemahls, aber trotz ihres Lächelns war ihr anzusehen, dass sie lieber woanders gewesen wäre.
Der junge Alpha aber schien sich wirklich für das Spiel zu interessieren. Er war vom Beginn des Wettbewerbs an neben dem Sportlehrer stehen geblieben, stellte ihm immer wieder Fragen und lauschte aufmerksam seinen Antworten. Gerade wieder hatte er etwas gefragt, denn suchend blickte sich Herr Dunning nun um. Seine Augen musterten die Zuschauer um das Spielfeld herum.
Wen er wohl suchte? Vielleicht den besten Spieler an der Schule? Zum wiederholten Male war Tonya froh über ihre Größe. Sie gehörte zwar nicht zu den kleinsten Frauen, trotzdem waren die meisten Männer ein Kopf größer als sie. Den Göttern sei Dank. Wäre sie so groß wie die Männer, könnte sie zwar weitaus mehr überblicken, aber dann würde sie auch besser gesehen. Auch sonst war es schon häufiger für sie von Vorteil gewesen, kleiner und wendiger zu sein.
Gerade jetzt aber war sie froh, kleiner zu sein und sich problemlos hinter den Menschen verstecken zu können, auch wenn dies bedeutete, nicht sehen zu können, was auf dem Spielfeld ablief.
Umso aufmerksamer lauschte sie Simon's Worten, der das Spiel von einer der kleineren Tribünen aus kommentierte. Nur deshalb wusste sie, wie das Spiel stand und welche Mannschaft vorne lag. Sie hörte das Raunen der Menge, wenn es spannend wurde, das Aufatmen, wenn sich die Spannung etwas löste. Sie hörte das parteiische Publikum klatschen und wusste allein schon deswegen, welche Mannschaft gerade einen guten Spielzug gemacht oder gar einen Punkt gewonnen hatte.
Die Mannschaft mit ihrem Bruder Mark war gerade auf dem Spielfeld. Sie hatten das erste Spiel gewonnen und bestritten nun das Spiel der zweiten Runde. Gerade war es Mark gelungen, der gegnerischen Mannschaft einen Strafpunkt zu bescheren. Neugierig auf die Reaktion von Herrn Dunning, der immer noch neben dem jungen Alpha auf der Tribüne stand, wagte Tonya erneut einen Blick durch den Spalt zwischen den Menschen.
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Gehorche, Tonya.
Manusia SerigalaTonya wächst nur mit Brüdern auf und verbringt auch sonst ihre Zeit fast nur mit Jungs. Sie wird bald volljährig, aber einen Mate lehnt sie grundsätzlich ab. Ausgerechnet für sie hatte die Mondgöttin den jungen Alpha des Rudels vorgesehen, der si...