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Diese junge Frau hatte ihr noch das Mittagessen gebracht. Tonya war ihr entgegengegangen, hatte ihr das Tablett abgenommen und sie dabei angelächelt. Mit einem lautlosen Seufzer hatte die junge Frau kurz die Augen geschlossen, dann das Tablett mit der leeren Schüssel genommen und war gegangen.

Den ganzen Vormittag hatte sie vor sich hingestarrt. Vielleicht wusste Alpha Norman noch vom Schulfest, wie sehr sie es hasste, in der Öffentlichkeit zu stehen. Und jetzt stellte er sie regelrecht an den Pranger. Was versprach er sich davon? Vielleicht, dass sie sich wieder zur Wehr setzte? Was dann? Würde er dies dann ausnutzen um sie töten zu können, ohne dass man ihm einen Vorwurf machen konnte? Nun denn. Den Gefallen würde sie ihm nicht tun. Alpha Norman würde sich wundern. Sie war bereit und fest entschlossen, sich ihm nicht zu beugen.

Es konnte jetzt nicht mehr lange dauern, bis man sie holte. Sie aß, langsam und bedächtig.

Den ganzen Tag schon spürte sie Yani, doch sie drängte sie zurück. Diese Entscheidung würde sie, Tonya, treffen und nicht ihre Wölfin. Und sie wollte sich von ihrer Wölfin auch nicht reinreden lassen.

Sie hatte noch nicht ganz aufgegessen, da öffnete sich die Zellentür. Flankiert von vier Kämpfern ging sie die Treppe hinauf. Auf eine Handfessel hatten sie verzichtet als Tonya versprach, freiwillig und ohne Gegenwehr mitzukommen. Einen kurzen Moment schloss sie die Augen und öffnete sie vorsichtig wieder. Dann hatten sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt. Tonya registrierte die neugierigen Blicke einiger Bediensteten, die im Rudelhaus bleiben mussten. Aber sie ließ sich nicht beirren, sondern schritt hoch erhobenen Kopfes durch das Foyer des Rudelhauses hinaus auf den Hof, wo ein Fahrzeug auf sie wartete.

Nach einer kurzen Fahrt hatten sie den Sportplatz der Ingrimm-Schule in der Unterstadt erreicht. Überall standen Rudelmitglieder. Schweigend und mit ernsten Blicken. Das Auto hielt seitlich am Sportplatz. Tonya und ihre Begleiter stiegen aus. Nur einen kurzen Moment blieb sie stehen, dann ging sie mit stolz erhobenem Kopf ohne zu zögern und ohne jemanden anzublicken, flankiert von den vier Kämpfern an der Ratstribüne vorbei den kurzen Weg zur der kleinen Tribüne, die einzig nur für sie aufgebaut worden war.

Mit einem spöttischen Lächeln stieg sie die Stufen hinauf und jetzt erst blickte sie sich neugierig um. Da waren sie also. Ihre ehemaligen Lehrer von der Ingrimm-Schule, ihre Klassenkameraden und alle anderen Schülerinnen und Schüler mitsamt ihren Eltern. Freunde, mit denen sie zusammen trainiert hatte. Sie standen da, fast alle mit gesenkten Köpfen.

Ihre ganze Familie stand da, mit Tränen in den Augen. Ihr Vater hielt ihre Mutter ganz fest im Arm, genauso wie Max seine Vicki. Zum ersten Mal sah sie auch Dina, die menschliche Mate ihres Bruders Mark. Auch er hatte beide Arme fest um seine Gefährtin geschlungen und neben ihnen standen die Zwillinge Bente und Cosmo.

Schließlich stand sie mit dem Gesicht zum Alpha. Mit grimmigen Gesicht blickte er ihr entgegen. Er war wütend, das war ihm anzusehen. Fast alle Rudelmitglieder aus der Unterstadt demonstrierten gegen ihn mit ihren gesenkten Köpfen. Sie senkten nicht ihre Köpfe aus Respekt vor ihm und den Oberen, sie senkten ihre Blicke, um diese Demonstration der Macht nicht mit anzusehen.

Doch nicht nur deshalb war Alpha Norman wütend. Er war es auch, weil er erwartet hatte, vor ihm ein reumütiges Mädchen stehen zu sehen. Stattdessen wagte es dieses Mädchen erneut, ihm die Stirn zu bieten, indem sie ihn offen und direkt in die Augen blickte und dann auch noch spöttisch lächelte.

„Du weißt, warum du hier bist?", fragte er sie mit harter Stimme.

Tonya grinste nur, antwortete aber nicht.

„Du bist die Mate meines Sohnes und somit die zukünftige Luna dieses Rudels", brüllte er fast. „Weigerst du dich immer noch deine Pflichten wahrzunehmen?"

Gehorche, Tonya.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt