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Nur noch eine Woche bis zum Schulfest. Die Lehrer hatten Mühe, die Schülerinnen und Schüler für den Unterrichtsstoff zu begeistern und schließlich gaben sie auf. Für solche Fälle hatten sie vorgesorgt. Nach ihrem Zufallssystem bildeten sie Zweiergruppen in ihren Klassen und reichte ihnen eine Wochenaufgabe. Bearbeiteten sie diese Aufgabe gewissenhaft, brauchten sie tatsächlich fast eine Woche, um alle Informationen zusammenzusuchen und so aufzubereiten, dass sie daraus eine Präsentation aufbauen konnten.

Zufrieden atmeten die Lehrer auf. Ihre Schüler waren beschäftigt und lernten etwas dabei. Wenn auch mit meist mürrischer Miene bearbeiteten alle Schülerinnen und Schüler ihre Aufgaben, wohl wissend, dass ihre Arbeiten benotet wurden und sie gegebenenfalls sogar tatsächlich die Ergebnisse ihrer Arbeiten vorstellen mussten. Die Lehrer selbst entspannten sich und nutzten die Zeit, sich weitere solcher Aufgaben einfallen zu lassen. Die nächste Gelegenheit würde mit Sicherheit kommen, in der sie ihre zappeligen Schülerinnen und Schüler mal wieder sinnvoll beschäftigen müssen.

Ein paar dieser Aufgaben waren auch für das Schulfest interessant. Auf der Ingrimm-Schule wurde Sport großgeschrieben und die Beschreibungen unterschiedlicher Sportarten mit geschichtlichen Details, Regeln und Ausnahmen von den Regeln, berühmte Spieler und Spieler, die mal ganz groß in dieser Sportart waren und anschließend wieder in der Versenkung verschwanden und alle sonstigen Informationen, verwandelten die Aula in ein kleines Sportmuseum.

Schließlich wurden auch auf diesem Fest Gäste erwartet. Delegationen aus anderen Schulen waren eingeladen worden, um dieses neue Spiel kennenzulernen. Nicht nur für sie, sondern auch für alle anderen Besucher des Schulfestes war es sicher sehr interessant, welche Sportarten noch an der Ingrimm-Schule angeboten wurden.

Einzig Tonya und Simon bekamen eine Spezialaufgabe. Sie hatte die Idee zu diesem neuen Mannschaftsspiel. Sie hatte die Regeln dazu entwickelt und sich Gedanken über Spielzüge und Spielstrategien gemacht. Genau deshalb war sie die erste Wahl, um als Kommentatorin das Spiel vorzustellen. Das allerdings hatte sie von Anfang an abgelehnt und war auch dabei geblieben. Dafür hatte sie nun die Aufgabe, Simon, der das Spiel erklären und die Wettkämpfe kommentieren sollte, bei seinen Vorbereitungen zu helfen.

Damit war Tonya einverstanden, solange sie sich am Fest selbst im Hintergrund halten konnte. Wie sehr hätte sie sich gefreut, wenn das Schulfest wirklich nur ein Sportfest gewesen wäre. Doch Feste, egal welcher Art, waren bei den Wölfen immer mehr. Rudelmitglieder aus den benachbarten Rudeln, die ihre Seelenverwandte noch nicht gefunden hatten, nutzten stets jede Möglichkeit, ihren Mate zu finden.

Angewidert verzog Tonya ihr Gesicht. Es sollte ein Schulfest sein, ein Sportfest. Stattdessen würde auch dieses eher eine Gefährtenvermittlungsveranstaltung unter dem harmlosen Deckmäntelchen Schulfest. Widerlich. Und wieder werden die Wölfinnen die verarschten sein. Sie müssen nämlich schön zu Hause bleiben und darauf hoffen, dass sich ihr Mate zufälligerweise auf den Weg machte um seine Seelenverwandte zu finden. Das nervte Tonya noch sehr viel mehr.

In den letzten paar Wochen war die Hälfte ihres Jahrgangs volljährig geworden. Wie ferngesteuert liefen sie seither über den Schulhof und schnupperten an allen Ecken und Enden. Jedes Jahr dasselbe. Zwar war im letzten Jahr kein so großes Fest geplant gewesen und die ganze Schule war lange nicht so wuselig, trotzdem bekam Tonya auch da schon dieses Geschnüffel mit. In diesem Jahr fühlte es sich für sie deutlich heftiger an.

Sie selbst war noch nicht volljährig und deshalb noch nicht in der Lage, ihren Mate durch den Geruch zu erkennen, lief aber stets Gefahr, von einem der nun volljährigen Wölfe als solche entdeckt zu werden. Doch bislang war dieser Kelch an ihr vorübergegangen. Unter den bereits volljährigen Schüler aus ihrem Jahrgang jedenfalls, war ihr Gefährte noch nicht dabei gewesen. Und selbst wenn, vielleicht kannte er sie gut genug und hatte deshalb nicht den Mut, sie anzusprechen. Gut so.

Erst gestern hatte sich einer ihrer Klassenkameraden auf ein Mädchen im Jahrgang darunter gestürzt, sie einfach in seine Arme gezogen und sie wie wild abgeknutscht. Ich habe dich gefunden, hatte er dabei gejubelt und irgendwas von ‚du bist mein, meine Mate, meine wunderschöne Mate' gefaselt. Die Kleine hatte ihn entsetzt angeblickt und war in Tränen ausgebrochen. Schnell hatte Frau Lichter, ihre Geschichtslehrerin, eingegriffen und beide in einen der Besprechungsräume gezogen. Den Rest des Tages wurden sie nicht mehr gesehen.

Heute hatte sie die beiden Händchen haltend auf dem Schulhof entdeckt. Wieder ein armes Mädchen, das ihre Freiheit verloren hatte, dachte Tonya wutschnaubend. Sie jedenfalls signalisierte mit jeder Faser ihres Körpers sehr eindeutig: ‚Bleibt mir vom Leib.'

Die Vorbereitungen am Sportplatz waren weitgehend fertig. Alle Tribünen waren aufgebaut. Die Rasenfläche auf dem Spielfeld war sorgfältig gemäht und das Spielfeld säuberlich darauf mit dicken weißen Linien aus Kreide gezeichnet worden.

Die Rasenfläche neben dem Sportplatz war ebenfalls gemäht worden. Mehrere Pavillons wurden aufgebaut. In einem großen länglichen Pavillon standen auch bereits die Tische für das Buffet bereit. Speis und Trank wurden bereits in der Schulküche vorbereitet.

Am Nachmittag inspizierte das Festkomitee nochmals die Lage und hakten Punkt für Punkt auf ihrer langen Vorbereitungsliste ab. Und sie waren sehr zufrieden, denn dieses Mal lief alles reibungslos und nach Zeitplan.

Das Fest konnte am nächsten Tag planmäßig beginnen.

Gehorche, Tonya.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt