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Auch am nächsten Tag war Tonya den ganzen Tag allein. Mara ging erneut nach dem Frühstück, da Hendrik vorgab, ebenfalls wieder erst spät am Abend nach Hause zu kommen.

Wie am Tag zuvor wartete Tonya auch dieses Mal mit dem Ohr an der Zimmertür, bis Mara gegangen war, dann erst öffnete sie die Tür und sicherte zunächst vorsichtig nach allen Seiten, bevor sie nach unten in die Küche ging. Erstaunt stutzte sie, als sie den Kühlschrank öffnete. Mara hatte eine Schale mit Obstkompott ganz nach vorne gestellt und ein Zettel dazugelegt. „Ich habe frische Pancakes gemacht. Sie stehen im Backofen. Lass es dir schmecken, Luna Tonya", stand in etwas unsicherer Schrift darauf. Schnell eilte Tonya zum Backofen, fand den Teller mit Pancakes und freute sich, dass diese noch immer warm waren. Jetzt musste sie sich nur noch Kaffee machen, dann konnte sie frühstücken.

Während sie mit Genuss ihr Frühstück aß, warf sie einen Blick aus dem Fenster. Was sie dort sah, war nicht sehr erfreulich. Die Wolken hingen so tief, dass sie die Spitzen der hohen Tannen vor dem Haus zu berühren schienen. Es war nass und ungemütlich, einer der Tage, an dem niemand einen Hund vor die Tür jagen würde. Tonya seufzte. Sie wäre gerne gelaufen, aber sie hatte keine Lust, bei diesem Wetter rauszugehen, zumal es ihr sicher nicht langweilig werden würde, denn das Alphahaus selbst bot ja noch genügend Möglichkeiten, um sich zu beschäftigen.

Am Tag zuvor hatte sie im Wohnzimmer dieses große Regal entdeckt mit Büchern. Neugierig überflog sie die Titel auf den Buchrücken und stellte erstaunt fest, dass Hendrik sich ebenfalls für geschichtliche Themen zu interessieren schien. Dazwischen fand sie Biographien und Lexikas zu allen möglichen Themen.

Zwei der Bücher interessierten sie besonders. Ob Hendrik es merkte, wenn sie sich diese Bücher auslieh? Warum sollte er? Das ganze Regal war voller Bücher, an manchen Stellen standen sie bereits in zweiter Reihe oder sie lagen obenauf, weil sie stehend in der Reihe keinen Platz mehr fanden. Warum sollte es dann auffallen, wenn zwei davon fehlten? Sie nahm die beiden Bücher und ging zurück zum Esstisch. Sie nahm sich noch ein paar Pancakes und träufelte Honig darüber, dann schenkte sie sich noch eine Tasse Kaffee ein und fing an zu lesen.

‚Effektives Trainieren ohne Geräte' hieß das eine Buch, das andere befasste sich mit richtigem Training mit Hanteln und sonstigen Geräten.

‚Du hast mir versprochen, laufen zu gehen', meldete sich Yani maulend.

‚Es regnet', entgegnete Tonya kurz angebunden und las weiter.

‚Bitte was?', schnaubte Yani entrüstet. ‚Du bist doch kein Weichei, oder?'

‚Yani bitte', brummte Tonya und versuchte sich auf das Buch zu konzentrieren.

‚Du hattest noch nie Probleme mit dem Wetter', zischte Yani. ‚Darf ich dich daran erinnern, wie oft wir bei Regen durch den Wald geschlittert sind und von oben bis unten mit Schlamm bespritzt nach Hause kamen? Wie oft hatte Melli auf der Terrasse gewartet und uns schimpfend zuerst mit dem Gartenschlauch abgespritzt, bis der Dreck abgewaschen war? Und das Wasser war oft genug ziemlich kalt, jetzt zierst du dich wegen ein paar Tröpfchen Regen?'

‚Du nervst, Yani', grinste Tonya. ‚Mam ist nicht da. Wer also sollte uns hier abspritzen?'

‚Du könntest ja unseren Mate fragen', stichelte Yani.

‚Spinnst du?', fauchte Tonya. ‚Noch ist nicht bewiesen, dass er unser Mate ist.'

‚Ach komm schon', knurrte Yani. ‚Da ist was. Du fühlst das doch auch.'

‚Halt die Klappe, Yani', knurrte Tonya zurück. ‚Es sei denn, du hast keine Lust, in den nächsten Tagen überhaupt laufen zu gehen.'

‚Das ist Erpressung', schnaubte Yani wütend.

Gehorche, Tonya.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt