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Tonya hatte so gehofft, auch am nächsten Tag allein zu sein, aber dann hörte sie, wie Hendrik Mara zwar für den Tag frei gab, sie aber bat, für den Abend etwas Leckeres für ein paar Gäste vorzubereiten. Mara wollte dann am Nachmittag einkaufen gehen und so zur Kaffee-Zeit wieder zurück sein.

Also musste Tonya ihren Tagesablauf anders planen. Yani hatte sich seit ihrem letzten Gespräch nicht mehr gemeldet. Sie hatte sie angesprochen, doch Yani hatte nicht geantwortet. Sie war wohl immer noch wütend. Tonya seufzte, sie konnte ihre Wölfin verstehen, schließlich war sie jetzt schon seit Tagen eingesperrt und ja, sie selbst war auch nicht sehr nett zu ihr gewesen.

Wollte sie Yani weiterhin auf ihrer Seite haben, musste sie sich dringend um sie kümmern. Es wurde also höchste Zeit, sich mal wieder zu verwandeln und im Wald laufen zu gehen. Genau deswegen entschloss sie sich, nach dem Frühstück zuerst laufen zu gehen. Zum ersten Mal verließ sie das Haus über die Terrassentür und atmete auf. Der Typ, der zwischen den Hütten stand, hatte sie schon entdeckt und es war, den Göttern sei Dank, keiner der beiden bulligen Typen, die sie überwältigt und gebunden hatten.

Der Typ war groß und gut trainiert und er sah gut aus. Er sah sogar sehr gut aus.

‚Vergiss es', fauchte Yani.

‚Was denn?', fragte Tonya erstaunt.

‚Du hast bereits einen Mate', zischte Yani.

‚Weiß ich das?', schnaubte Tonya.

‚Wenn du mit dem etwas anfängst', knurrte Yani, ‚dann sind wir keine Freunde mehr.'

Oh je, seufzte Tonya. Sie hatte schon manche Kämpfe mit Yani ausgefochten, aber noch nie hatte Yani ihr damit gedroht, ihr die Freundschaft aufzukündigen. Ihre Wölfin war richtig wütend. Am besten wäre es, sie würde noch vor ihrem Geburtstag eine Möglichkeit zur Flucht finden.

Kurzentschlossen trat sie hinaus auf die Terrasse und beobachtete den Mann, der langsam nähergekommen war.

„Möchtest du laufen gehen, Luna?", wollte er wissen.

„Wer will das wissen?", fragte Tonya mit ruhiger Stimme. „Und nenne mich nicht Luna."

„Verzeih", antwortete der Typ leise. „Ich heiße Ben. Und wie darf ich dich dann nennen?"

„Nenne mich Tonya", sagte sie. „Du wirst mich begleiten, richtig?"

„Nicht nur ich", nickte Ben. „Bodo wird ebenfalls mitlaufen."

„Ich hoffe, ihr seid schnell genug. Wo kann ich mich verwandeln?"

Ben zeigte auf eines der Häuschen. Sie hatte also richtig vermutet, dass die kleinen Häuschen entlang dem Waldrand dazu dienten, sich auszuziehen und sich geschützt zu verwandeln. Gerade als sie das Häuschen erreichte, entdeckte sie einen dunkelgrauen Wolf, der sie neugierig aber sehr aufmerksam beobachtete.

„Das ist Bodo", erklärte Ben. „Du bist zum ersten Mal hier im Wald. Wenn du erlaubst, werden wir dir ein paar Plätze zeigen, die sehr schön sind und die du auf sicherem Weg erreichen kannst."

Tonya nickte. Das konnte nicht schaden. Diesen Teil des Waldes kannte sie tatsächlich noch nicht und je schneller sie sich darin zurechtfand, umso besser für ihr Vorhaben. Ohne sich nochmals umzudrehen, betrat sie das Häuschen. Es war bedeutend größer, als es von außen den Anschein hatte, und erlaubte tatsächlich, sich darin bequem zu verwandeln.

Sorgfältig wickelte sie ihre Kleidungsstücke zusammen. Es gab zwar mehrere Haken und Ablagefächer in dem Häuschen, doch Tonya war es gewohnt, ihre Kleidung immer zu einem Bündel zu schnüren. Meist hatte sie ihr Bündel am kleinen Felsen hinterlegt, wenn sie im Wald unterwegs war um sich richtig auszutoben. Unzählige Male waren sie klatschnass und über und über mit Schlamm bespritzt zurückgekehrt. Dann brauchte sie ihr Bündel nur noch zu schnappen und nach Hause zu traben.

Gehorche, Tonya.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt