Tonya war viel zu überrascht gewesen um sich sofort zu wehren. Sie stolperte fast, doch Hendrik fing sie auf und als sie wieder sicher auf den Beinen stand, zog er sie weiter.
„Was soll das?", fauchte sie, doch Hendrik lächelte sie nur an und zog sie zur Treppe und hinunter in den Keller.
Wortlos zog er sie durch den Gang bis zum Trainingsraum. Er öffnete die Tür, stellte den Korb in den Raum hinein und schob Tonya hinterher, dann drehte er sich um, verschloss die Tür und steckte den Schlüssel in seine Hosentasche.
„Was soll das?", fragte Tonya nochmals, diesmal mit mühsam unterdrückter Wut in der Stimme.
Hendrik antwortete immer noch nicht. Er schob Tonya weiter zum Sandsack und drückte sie dort auf eine Bank. Dann öffnete er den Wandschrank, entnahm einige Bandagen und Boxhandschuhe. Wütend entzog Tonya ihm ihre Hände.
„Fass mich nicht an", knurrte sie.
„Wenn du lieber ohne Boxhandschuhe kämpfen willst", grinste Hendrik entspannt, „kein Problem. Aber beschwere dich nicht, wenn du dir weh tust."
Er zog Tonya auf die Beine und schob sie in den Boxring. Er selbst nahm zwei Pads mit. Schließlich standen sie sich im Ring gegenüber.
„Bist du bereit?", fragte er grinsend.
„Bereit wofür?", fauchte Tonya.
„Du bist immer noch wütend auf mich, stimmt's?" Er lachte leise. „Und am liebsten würdest du mir gepflegt eine auf die Nase geben, habe ich Recht?" Jetzt grinste er breit. „Dann los. Hier bin ich. Schlag zu. Ich werde nur deine Schläge abwehren, aber ich werde nicht zurückschlagen. Versprochen."
Tonya schnaubte.
‚Willst du das wirklich tun?', fragte Yani entsetzt.
‚Klappe', knurrte Tonya.
Schweigend standen sie sich gegenüber. Hendrik entspannt lächelnd und Tonya schwer atmend, als hätte sie große Mühe, die aufkeimende Wut in ihr zurückzuhalten. Plan B, Tonya, denk an Plan B. Tonya erstarrte, hielt kurz die Luft an, dann senkte sie ihre Augen, die bereits zornig funkelten, atmete ein paar Mal langsam ein und aus und plötzlich war sie wieder da, das ängstliche, eingeschüchterte und gehorsame kleine Mädchen.
Hendrik beobachtete sie fasziniert und schmunzelte amüsiert, dann ging er langsam auf sie zu und blieb direkt vor ihr stehen.
„Braves Mädchen", flüsterte er leicht spöttisch, legte seine Hände um ihre Schultern und zog sie an sich.
Vollkommen steif blieb Tonya stehen, während seine Hände langsam über ihre Arme und über ihren Rücken wanderten.
„Wenn du also nicht mehr wütend auf mich bist, umso besser", flüsterte er in ihr Ohr und knapperte zärtlich an ihrem Ohrläppchen. „Dann kann ich dich ja jetzt küssen."
Scheiße, nein. Aber er würde es tun, wenn sie sich jetzt nicht wehrte, wenn sie weiterhin bei diesem Plan B blieb. Das durfte nicht sein. Und plötzlich hob sie ihre Hände und stieß ihn von sich.
„Fass mich nicht an", fauchte sie und jetzt blitzten ihre Augen wieder wütend.
„Oh, schade", spottete Hendrik nun gutmütig. „Ich hatte schon gehofft, nun doch eine kleine brave und willige Mate zu bekommen."
„Ich will hier raus", brüllte Tonya.
„Geht nicht", lächelte er und hob entschuldigend die Schulter. „Die Tür ist abgesperrt."
„Du hast den Schlüssel", fauchte sie. „Also sperr auf."
„Hol ihn dir."
Abwartend stand er im Boxring und hielt seine Pads abwehrbereit in den Händen.
„Bitte lass mich gehen", bettelte Tonya nun mühsam beherrscht.
„Nein." Hendrik schüttelte entschieden seinen Kopf. „Du bist MEINE Mate und du gehörst mir."
Das reichte. Jetzt konnte sich Tonya nicht mehr zurückhalten.
„Ich gehöre der Mondgöttin und mir und sonst niemandem", brüllte sie. „Und schon gar nicht einem arroganten, besitzergreifenden Alphaarsch. Damit das mal klar ist." Sie sprang auf ihn zu und boxte ihn in den Bauch und auf die Brust. „Was bildest du dir eigentlich ein? Du nimmst mich gefangen, lässt mich fesseln und sperrst mich einfach ein wie ein Tier. Mit welchem Recht? Nur weil du der Alpha bist? Hast du dich auch nur ein einziges Mal gefragt, was ich will? Wie es mir dabei geht? Was ich mir wünsche?" Jetzt setzte sie auch ihre Beine mit ein, doch Hendrik wehrte ihre Tritte mit den Pads ab. „Du – du – du Scheißkerl. Du glaubst wohl, du könntest mit mir machen, was immer du willst."
Hendrik schwieg. Er hatte alle Hände voll zu tun, Tonyas Tritte und Schläge abzufangen, denn Tonya setzte all ihre Wut und ihren Frust ein und brüllte, trat und schlug auf ihn ein, bis sie gefühlt eine Ewigkeit später endlich langsamer, schwächer und unkonzentrierter wurde. Ungehindert liefen ihr nun Tränen übers Gesicht. Die letzten Tage hatten ihr viel zu viel Kraft gekostet.
Zu Anfang war es nicht so schwer gewesen, sich auf ihren Plan B zu konzentrieren. Aber seit ihrem Geburtstag kostete es ihr unendlich viele Mühe, dieses Kribbeln in ihr, wann immer er sie wie versehentlich berührte, zu ignorieren. Dieses verflixte Mateband, welches nicht nur ihren Körper zum beben brachte sondern zusätzlich noch ihre Gedanken und ihre Träume in eine Richtung lenkte, die sie doch überhaupt nicht haben wollte. Und dann auch noch ihre stichelnde Wölfin Yani, die jede Gelegenheit nutzte, ihre Abwehr zu schwächen.
All das was sie von ihrer Mutter erfahren hatte, das Geheimnis um diesen Talisman und diese unerklärliche Anziehungskraft von diesem Mondstein. All das schwirrte ständig in ihrem Kopf herum und störte zusätzlich noch ihre Konzentration.
Sie war müde, unendlich müde.
„Du bist größer und stärker wie ich", schluchzte sie frustriert auf. „Ich konnte nie gegen Max gewinnen, ich konnte nicht gegen Florian gewinnen und gegen dich kann ich erst Recht nicht gewinnen. Du – du – du Mistkerl."
Erschöpft und mit hängenden Schultern stand Tonya da und Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie hatte nicht einmal mehr die Kraft sich zu wehren, als Hendrik sie vorsichtig zu sich herzog, seine starken Arme zärtlich um sie legte und tröstend ihren Rücken streichelte.
„Willst du denn wirklich gegen mich gewinnen?", fragte er leise. Seine Stimme klang sanft, ohne eine Spur von Spott darin.
„Ich weiß es nicht", schluchzte Tonya. „Aber ich bin nicht dein Eigentum. Ich gehöre mir, und nur mir, verstehst du?"
„Das habe ich verstanden", nickte Hendrik.
„Und ich entscheide selbst, wenn es um mein Leben geht."
„Auch das habe ich verstanden", bestätigte er.
„Und – und ich lasse mich von niemandem zu etwas zwingen."
„Ich werde dich nicht zwingen, versprochen", flüsterte Hendrik.
Noch immer hielt er sie fest in seinen Armen. Wie sehr hatte er sich das gewünscht, seine kleine Mate einfach nur festhalten zu dürfen, ihre Wärme zu spüren, ihren Duft einzuatmen, ohne dass sie sich zu Wehr setzte oder tief schlief. Jetzt wünschte er sich, dieser Moment würde endlos andauern. Er schloss die Augen und hielt die Luft an, als er spürte, wie sie langsam und zögerlich ihre Hände hob und auf seinen Rücken legte. Und er atmete erleichtert aus, als er merkte, dass auch ihre Tränen langsam versiegten und sie sich trotzdem nicht zurückzog.
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Gehorche, Tonya.
Hombres LoboTonya wächst nur mit Brüdern auf und verbringt auch sonst ihre Zeit fast nur mit Jungs. Sie wird bald volljährig, aber einen Mate lehnt sie grundsätzlich ab. Ausgerechnet für sie hatte die Mondgöttin den jungen Alpha des Rudels vorgesehen, der si...