* 39 *

391 23 1
                                    

Nie im Leben hatte sie damit gerechnet, jemals in einem Kerker eingesperrt zu werden. Und das nur, weil sie sich nicht unterwerfen wollte. Und deshalb hatte sie sich nun auch noch einem Alpha widersetzt.

Nun ja, sie würde es wieder machen, denn selbst wenn sie Pflichten ihrem Mate und dem Rudel gegenüber hatte, so hatte sie doch auch Rechte. Zum einen war sie eine eigenständige Persönlichkeit und nicht das Eigentum von irgendjemand und zum anderen hatte sie auch das Recht für sich selbst Entscheidungen zu treffen. Schließlich musste sie auch die Konsequenzen ihrer Entscheidungen selbst tragen.

Gleich vier Kämpfer hatten Tonya in die Mitte genommen. Sie hatten ihr die Hände auf den Rücken gebunden und sie wie eine Schwerverbrecherin aus dem Alphahaus geführt. Tonya hatte noch mitbekommen, wie Hendrik heftig protestierte, doch Alpha Norman hatte seinem Sohn nicht mehr zugehört. Zusammen mit ihr und den Kämpfern hatte auch er das Alphahaus verlassen. Zurück blieb Hendrik unter der Bewachung weiterer Kämpfer.

Tonya wurde nicht zum Rudelhaus gefahren. Alpha Norman ließ sie den ganzen Weg vom Alphahaus durch die Straßen der Oberstadt bis zum Rudelhaus zu Fuß gehen. Jeder konnte sie sehen. Und binnen Sekunden wussten nicht nur die Bewohner der Oberstadt, sondern auch die der Unterstadt darüber Bescheid, dass die Mate ihres jungen Alpha Hendrik verhaftet wurde.

Versuchte er so, sie zu brechen? Tonya schnaubte wütend und mit stolz erhobenem Kopf und stoischer Miene schritt sie voran. Sie spürte die Blicke der Neugierigen und hörte ihr Getuschel. Bald würde die Gerüchteküche brodeln und wer weiß, was man ihr dann alles zur Last legte.

Jetzt schon konnte sie hören, wie eine der arroganten Oberstadttussies einer anderen in die Ohren flüsterte, dass sie, dieses Wölfchen aus der Unterstadt, unehrlich wäre und man ihr nicht trauen könne. Außerdem habe sie gehört, dass dieses Wölfchen sich nicht an die Regeln und an die Gesetze des Rudels halten würde und sie hätte auch den Alpha beleidigt und sich ihm gegenüber sehr ungebührlich verhalten. Wie lange es wohl dauern würde, bis sie Tonya für so ziemlich alle Verbrechen im Rudel verantwortlich machen werden? Tonya jedenfalls würde sich nicht wundern, wenn sie von den Oberen zum Sündenbock abgestempelt würde. Egal. Sollen sie doch.

Im Rudelhaus angekommen, wurde sie hinunter in die Kellergewölbe und in diese Zelle geführt. Erst hier wurden ihre Fesseln von einem der Wachen gelöst. Jemand hatte ihr ein Tablett mit Essen und Trinken auf den Boden gestellt und eine warme Decke auf die Pritsche gelegt. Dann verließen sie alle die Zelle und schlossen die Tür zu Tonyas Gefängnis.

Da stand sie also nun. Allein in einer kalten und dunklen Zelle in den Kerkergewölben des Rudelhauses. Eine Holzpritsche stand an der Wand als einziges Mobiliar. Hoch oben, fast an der Decke war ein schmaler Spalt, der nur wenig Licht von außen in die Zelle ließ. Nicht mal ein Kind würde durch diesen Spalt kriechen können, auch dann nicht, wenn es ihm gelingen würde, diesen Spalt zu erreichen.

Obwohl es Tag war und die Sonne ihre Strahlen auch durch diese Öffnung schickte, wurde die Zelle nur spärlich erhellt. Dieser Spalt brachte aber nicht nur das bisschen Licht in das dunkle Gewölbe, sondern auch Luft, kalte Luft. Die Kraft der Sonne reichte nicht mehr, um die Luft zu erwärmen und die kalte Luft kündigte bereits den nahenden Winter an.

Die Decke fest um sich gewickelt, setzte sie sich nachdenklich mit angezogenen Beinen auf die Pritsche. Zwei Tage würde sie hier verbringen müssen. Zwei Tage hatte sie Zeit, sich zu entscheiden.

‚Was wirst du tun?' Yani war sehr kleinlaut.

‚Ich weiß es noch nicht', antwortete Tonya.

‚Er ist unser Mate.'

‚Das weiß ich, Yani. Ich fühle auch das Band. Ich spüre Wärme, wenn er mich berührt, und es fühlt sich auch richtig und gut an. Aber das ist nur ein Teil. Zu einer dauerhaften Beziehung gehört auch Liebe und Vertrauen, vor allen Dingen Vertrauen.'

Gehorche, Tonya.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt