Kapitel 25.1 - Jórvak

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Fynch

Von weitem sah Jórvak aus wie eine normale Stadt – sowie wie alle anderen Städte, die unter dem Imperium standen. Es wirkte harmlos, beinah friedlich. Doch sobald man einen Fuß in die Stadt setzte, erkannte man schnell, dass nichts so war wie es schien. Eine Stadt, die unter der Kontrolle von vier Verbrecher-Clans stand, konnte niemals friedlich sein. Vor einiger Zeit hatte das Imperium versucht seine Macht in der Stadt auszuüben, aber die Gardisten hatten schnell die Kontrolle verloren und sich so weit wie möglich zurückgezogen. Schmuggel war hier eine übliche Arbeitsweise, genauso wie illegaler Handel mit kostbaren Ätherkristallen, mächtigen Runenplättchen oder seltenen Gut aus den Südlanden.

Doch diese Schattenseite sah man nicht. Ich befand mich gut eine halbe Meile von Jórvak entfernt und konnte nur die niedrigen Gebäude einer Stadt erkennen, die beinah von einer umrundenden Mauer verborgen wurden. Hinter Jórvak konnte man die hohen Berge erkennen, die Tauen und seine Städte umschlossen. Jórvak war die einzige tauische Wohngegend, die sich außerhalb der Berge befand, wodurch sie die wärmste Stadt des Landes war. Ein kühler Wind konnte sie heimsuchen – vor allem im Winter – aber dieser Wind wurde schnell wieder freigelassen und nicht von den Bergen zwischen gehalten.

,,Wunderschön, oder? Bei meinem ersten Besuch bin ich darauf reingefallen und als ich mich mittendrin befand, hat mir ein Taschendieb mein ganzes Geld gestohlen."

Mit einem Schmunzeln auf den Lippen, holte Merlin zu mir auf. So ganz konnte ich sein Lachen dabei nicht verstehen. Wieso war es lustig sein ganzes Geld an einem Ort wie Jórvak zu verlieren?

,,Wieso warst du dort?", fragte ich deshalb nur.

Merlin zuckte mit den Schultern. ,,Aus Neugier? Leichtsinn? Hochmut? Kaz meinte nach meiner Rückkehr, dass mich allesmögliche dort hatte hinführen können."

,,Und welche Freunde hast du dort?"

,,Keine Freunde, ich würde den Herz-Clan viel mehr als eine Gruppe guter Bekannter bezeichnen." Als er seinen Blick von der Stadt nahm und stattdessen mich anschaute, presste er die Lippen zusammen, um ein größeres Lachen zu unterdrücken. ,,Ich finde deine neue Maske übrigens sehr schön."

Mit einem genervten Seufzen trieb ich Sommer weiter. Ja, ich trug eine neue Maske und dies hatte er mir nun zum dritten Mal unter die Nase gerieben – heute! Kaileena hatte mich dazu überredet diese herrenlose Maske aufzusetzen, da eine Maske aus Elfenbein hier unten im Süden weniger auffiel. Das eine Gesteins-Maske wie meine Aufmerksam auf sich zog, hatte ich schon in Prodias erfahren müssen, als ausgerechnet der Schatten des Karobubens mir meine wertvolle Maske hatte stehlen wollen. So richtig wohl war mir bei dem Gedanken nicht gewesen, doch letzte Nacht hatte ich mir schließlich das Elfenbein aufs Gesicht gesetzt. Wenn ich meine Sorgen offen mit Merlin geteilt hätte, hätte ich vermutlich nur von ihm Unsinn gehört. Zum Beispiel, dass es egal wäre welche Maske ich aufsetzte. Doch dieses Daegor-Sternenkind konnte nicht wissen, welche Geborgenheit mir meine Maske gab.

Außerdem gab es zwei entscheidende Unterschiede zwischen den zwei Masken. So zog das Elfenbein die Strahlen der Sonnen gerade zu an, wodurch es unter der Maske schnell warm und schwül wurde. Außerdem sah ich die Welt mit anderen Augen. Während ich bei meiner Maske durch magisch hergestelltem Obsidianglas sah, war dieses Material anders. Es war auch Glas, aber einfach nur geschwärztes Glas, welches bloß vor den Sonnenstrahlen schützen sollte – ein kleiner Unterschied, aber dennoch ein Unterschied.

,,Wir sollten die beiden lieber außerhalb der Stadt lassen", meinte Merlin, als er zusammen mit Naruu aufholte. ,,Unsere Vierbeiner würden nur Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Vor allem Sommer."

,,Im Moment kann ich Sommer am meisten vertrauen."

,,Diese Wahrheit tut weh..."

Mit einem weiteren Seufzen hielt ich Sommer an. ,,Dann sollen sie einfach hier draußen warten?"ˋ

Daegor - Klinge und Kristall Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt