Kapitel 15.2 - Mondgesang und Sternengold

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Echo

,,Das nächste Mal, nehmen wir Sommer und Efeu mit", keuchte ich und stützte mich mit einer Hand gegen einen Baumstamm ab. ,,Auf Sommer wäre es viel leichter gewesen, durch den Wald zu laufen."

Gleich nach dem Frühstück waren wir aufgebrochen, beladen mit Leinenrucksäcken in denen sich Wasser und Proviant befand. Ominis hatte mich davor darin beraten, meine Bluse durch ein anderes Oberteil auszutauschen, welches aus dem selben Stoff bestand, aber dafür kürzere Ärmel besaß. Und schnell hatte ich verstanden wieso. Mit jedem Schritt, den wir südlicher in die Baumsavanne einschlugen, wurde die Luft um uns herum schwüler und Schweiß bildete sich auf der freigelegten Haut. Ich wusste, dass im Süden der Baumsavanne die Umgebung mehr einem Dschungel ähnelte, aber dass sich auch die Luft und so schnell verändern würde, hätte ich nicht erwartet.

Ominis schien all dem nichts auszumachen. Er lief so sicher und geschickt durch das Laub, wich Baumstämmen und herausragenden Wurzeln aus und duckte sich vor niedrig hängenden Ästen. Anders als ich, wirkte er noch wie das blühende Leben und bisher hatte sich nur ein leichter, feuchter Schimmer von Schweiß an seiner Stirn gebildet. Er bewegte sich wie eine flinke Raubkatze, während ich mich wie ein schwerfälliger Elefant fühlte, der durch das Dickicht stampfte.

Sogar Leiri und Bahaghari waren schneller und flinker als ich, als hätte das Leben unter Menschen ihnen nicht ihre wilden Instinkten geraubt. Leiri war sogleich nach unserem Aufbruch zwischen den hohen und niedrigen Ästen der Bäume verschwunden, während Bahaghari im wenigen Abstand zu uns durch die Pflanzenwelt schritt. Einer von beiden musste Ominis dabei seine Augen schenken, ansonsten würde auch nicht das Sternenkind so einfach voranlaufen können.

Mit einem Schmunzeln drehte sich der wartenden Ominis zu mir herum. Ein paar feuchte Strähnen, die sich aus seinem Zopf gelöst hatten, klebten ihm an Stirn und Schläfe. ,,Heute Abend wirst du zu einem Sternenkind werden. Am besten gewöhnst du dich schon mal an das Laufen unter schwierigen Bedingungen."

Als ich zu Ominis aufholte, hoffte ich für ein paar Sekunden verschnaufen zu können, doch der Beschwörer lief sofort weiter und riss mich mit sich, als er meine Schulter ergriff und mich hinter ihm herzog. Gerade so schaffte ich es nicht zu stolpern, aber wenigstens passte sich Ominis nun meinem etwas langsameren Tempo an.

,,Eigentlich komme ich mit schwierigen Bedingungen gut zurecht", verteidigte ich mich. ,,Ich habe viele Jahre lang auf der Straße gelebt und als Kind von kleineren Diebstählen, mit anschließender Flucht vor Gardisten, gelebt. Wahrscheinlich bin ich nach tagelangem Reiten einfach nicht mehr an lange Spaziergänge gewöhnt."

,,Mir kommen die Tränen." Mit vorgehaltener Hand deutete Ominis ein Gähnen an. ,,Ich finde es immer wieder traurig, wie andere von ihrer schrecklichen und schwierigen Kindheit erzählen."

Empört schlug ich ihm gegen die Schulter, was Ominis mit einem Lachen aufnahm. ,,Das sagst du nur, weil deine Kindheit friedvoll und perfekt war. Nicht wahr?"

Kurz schien Ominis zu überlegen, dann nickte. ,,Ich wurde hier in der Baumsavanne geboren, etwas anderes kenne ich nicht. Meine Mutter starb ein paar Tage nach meiner Geburt und mein Vater wurde vor drei Wochen von einem Schattenfresser getötet."

Erschrocken blieb ich stehen. Ominis bemerkte es erst ein paar Schritte weiter und mit ehrlicher Verwunderung im Gesicht, blinzelte er mich an.

,,Dein Vater ist kürzlich gestorben? Das...das tut mir leid."

Zu meiner Überraschung wischte Ominis meine Worte mit einer lockeren Handbewegung und einem Kopfschütteln ab und ging einfach weiter. ,,Es muss dir nicht leid tun. Keine Frage, die ersten Tage waren schwer zu ertragen. Aber wir Sternenkinder gehen mit dem Tod anders um."

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