Kapitel 25.3 - Heimkehr

11 3 0
                                    

Fynch

Holzsplitter und scharfe Munition schossen haarscharf an mir vorbei, während ich mich gegen den Boden drückte und darauf wartete, dass der Regen aus Holz und Metall verging. Als ich von hinten einen schmerzlichen Aufschrei vernahm, wiederstand ich dem Drang nach hinten zu sehen. Ich hoffte einfach, dass der Schrei nicht von Delia stammte.

Kaum das der Regen aus Munition aufhörte, strahlte Merlins Körper neben mir wie ein Feuer auf. Ich erhaschte nur einen kurzen Blick auf den verwandelten Daegor, bevor er nach vorne zur Tür sprang mit seinen langen Armen mehrfach gegen den Türrahmen schlug. Zuerst verstand ich nicht, was er damit erreichen wollte, doch dann verstand ich es als ich sah, wie der alte Beton an der Wand zu bröckeln begann und sich dicke Risse bildeten. Genau auf diese Risse zielte ich, als ich meine Magie sammelte und sie auf die Risse warf. Mit einem lauten Knacken, brach der obere Teil der Wand auseinander und stürzte in Schutt und Brocken herab. Rechtzeitig konnte Merlin nach hinten springen, bevor die Tür hinter dem herabgefallenen Schutt verschwand. Gedämpft drang ein weiterer Ruf zu uns hindurch – offenbar hatte man damit nicht gerechnet.

Während ich mich zurück auf die Beine stellte, schaute ich suchend nach hinten und sah Delia und ihre Freunde und ich sah sofort von wem der Schrei gekommen war. Crystal kauerte auf dem Boden und drückte mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht eine Hand auf ihren Bauch. Unter der Hand und zwischen den Fingern quoll Blut hervor.

,,Habt ihr eine Heilungs-Rune?", fragte ich sofort.

Jolyon schüttelte den Kopf und starrte zu Merlin, der sich mit gesenktem Kopf nährte. ,,Was ist mit dem Sternenkind? Sind die nicht alle Heiler?"

,,Natürlich nicht!", rief Merlin mit verzerrter Stimme auf. Obwohl sie verzerrt und ihm gar nicht ähnlich klang, hörte man eine leichte Spur von Beleidigung heraus.

,,Bei Sommer befinden sich ein paar Runen." Während Jolyon der Verletzten auf die Beine half, schaute ich mich fieberhaft nach einer Fluchtmöglichkeit um. ,,Es fehlt uns nur noch ein Weg hier raus und aus dieser verfluchten Stadt."

,,Es gibt hier einen Geheimweg." Jolyon deutete nach hinten auf den breiten Holztisch zwischen den Treppen. ,,Er ist unterirdisch und führt südlich zur Stadtmauer."

,,Und wie sollen wir die Stadtmauer überwinden?"

Entschieden eilte Delia zum Holztisch. ,,Lasst uns erst von hier verschwinden, dann klären wir den Rest!"

Keiner wiedersprach ihr. Hinter dem Tisch schob Delia eilig einen von Motten zerfressenen, gewebten Teppich zur Seite, dessen Muster aus rot und grün ausgewaschen und matt war. Schon bevor meine Schwester den Teppich zur Seite schob, konnte ich zwischen den Lücken und Löchern das Holz einer Luke entdecken. Als die Bodenluke mit dem rostigen Handgriff zum Vorschein kam, half ich meiner Schwester sie hochzudrücken. Ein stockdunkler Gang nach unten kam zum Vorschein, alte Sprossen an der Wand dienten als eine Art notdürftige Leiter.

,,Geht", drängte Merlin und zog nervös mit seinen glühenden Krallen Spuren über den Boden. ,,Ich werde euch Zeit verschaffen und die Gardisten ablenken."

,,Auf keinen Fall!", wiedersprach ich dem Daegor. ,,Hier wird niemand zurückgelassen."

Doch Merlin schüttelte den Kopf. ,,Die Gardisten sind nicht dumm. Sie werden einen Weg hinein finden und eurer Spur folgen. Hinter euch sind sie vielleicht her, aber einem Daegor können sie nicht wiederstehen."

,,Merlin, du riskierst damit dein Leben."

Nach Unterstützung suchend, wandte ich mich an unsere restlichen Begleiter. Crystal schien sich darüber nicht zu kümmern. Langsam und mit Jolyons Hilfe, begann sie mit dem Abstieg in die Dunkelheit. Sie tat es stockweise und mit langer Pause, um ihre Kräfte zu schonen und die blutende Wunde nicht weiter aufzureißen. Jolyon warf einen kurzen, flüchtigen Blick auf Merlin, bevor er sich genauso wie Crystal an den Tunnel wandte. Dafür schaute Delia mich lange an. Unsicher biss sie sich auf die Lippe, als würde sie gegen den Drang kämpfen etwas zu sagen. Und ich war mir sicher, dass sie mir mit ihren Worten nicht zustimmen wollte. Sie stand auf Merlins Seite und ich somit allein.

Daegor - Klinge und Kristall Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt