Kapitel 12.2 - Ein Ort voll Sterne

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Echo

Schweigend ritten wir durch den dicht bewachsenen Wald. Nach nur wenigen Minuten befanden wir uns so tief im Gestrüpp, dass vom Waldrand nichts mehr zu sehen war. Ohne die Hilfe eines der Sternenkinder würde ich den Weg nach draußen bestimmt nicht mehr finden. Innerhalb der Gruppe hatte sich ein unangenehmes Schweigen ausgebreitet und nicht nur die lag erschwerend auf unseren Gemütern. Da war noch die Gewissheit, dass wir – Mikhael und ich – nicht erwünscht waren.

Bryony hatte seit unserem Aufbruch keinen Blick mehr auf uns geworfen. Sie ritt voraus, den Rücken geradegedrückt, den Kopf hoch erhoben und den Blick stur nach vorne gerichtet. Die anderen Wolver-Reiter trugen noch ihre Masken, unter denen ihre Blicke zwar verborgen, ihre schwere und eindringliche Wirkungen aber dennoch zu spüren waren. Einzig der Baakier behielt einen merkwürdig ruhigen und freundlichen Ausdruck in seinen Augen. Ständig richtete er seinen warmen Blick auf mich und jedes Mal sah ich diesen Schimmer aufblitzen. Woher kam nur dieser Schimmer? Und warum wirkten die Augen dadurch so menschlich?

Tiefer und tiefer traten wir in eine verbotene Welt ein. Dabei bemerkte ich immer wieder eine leichte Verdunklung  am Himmel, die wie ein Blitz auftauchte und schnell wieder verschwand. Ares war es nicht, der ruhte in seiner Käfer-Gestalt wieder bei Mikhael. Ich wagte den Versuch und blickte hoch zum Blätterdach. Sekunden um Sekunden verstrichen, bis der Schatten wieder über uns hinwegflog. Er war groß, sehr groß, und durch eine Lücke im Blätterdach sah ich die weiße, lederne Flughaut eines Wyvern-Flügels. Noch ein Wyvern, der uns nun deutlich verfolgte.

Leicht besorgt sah ich zu Mikhael. Auch er beobachtete den Flugdrachen über unseren Köpfen. Als er meinen Blick bemerkte, schüttelte er nur den Kopf. Sollten uns die Sternenkinder ruhig strenger beobachten, wir hatten nichts zu verbergen.

Nach einiger Zeit tauchte plötzlich ein Tor auf – mitten im Wald. Es war mehrere Meter hoch und bestand wie die weitreichende, beinah unendlich weite Balustrade aus dicken Baumstämmen. Über dem Tor befand sich ein kleiner Wachturm mit einem Netz vor der breiten Öffnung und einem Dach aus Holz und Blättern. Als die Gruppe vor dem Tor stehen blieb tauchten zwei Gestalten hinter dem Netz auf. Beide trugen eine ähnliche Montur wie die Wolver-Reiten, allerdings trugen sie keine Masken. Dadurch konnte ich den misstrauischen Ausdruck im Gesicht des Mannes sehen, als er seinen Blick über die Gruppe schweifen ließ und die zwei Fremden – Mikhael und mich – entdeckte. Trotz allem nickte der Mann, trat von der Öffnung zurück und gleich darauf öffnete sich das Tor.

Hinter dem Tor öffnete sich eine neue Welt – eine Welt, die mitten in der Baumsavanne entstanden war. Es war wie ein eingezäuntes Dorf mit Hütten, die über dem Waldboden verteilt standen oder um einen Baumstamm herumgebaut waren. Sie alle waren aus Stein, Holz und Blätter gebaut worden, dazwischen schlängelten sich gepflasterte Wege aus hellgrau gesprenkeltem Stein. Am anderen Ende des Lagers sah ich, dass der Boden beinah weiß wurde und man sah die zuckenden Schatten der dortigen Menschen, die scheinbar trainierten. Hinter ihnen erhob sich das größte Gebäude vom Boden: Ein mehrstöckiges Gebäude aus blaugrauem Stein, dessen Eingang mit Säulen und brennenden, blauglühenden Fackeln verziert war.

Mehrere Schatten auf dem Boden ließen mich nach oben blicken und vor staunen blieb mir der Mund offen stehen. Zwischen den Bäumen waren weite Plattformen erbaut worden, die bis hoch in die Baumkronen reichten und mit Treppen und wackelig wirkenden Hängebrücken miteinander verbunden waren. Auf den Plattformen befanden sich weitere, kleine Gebäude, weitere gebäudeähnliche Konstrukte schienen aus den Baumstämmen gebaut worden zu sein und lange Treppen umschlangen sie wie Schlingpflanzen. Beinah der ganze Luftraum über unseren Köpfen war durchzogen von diesem Netz, wodurch die Heimat der Sternenkinder bei weitem größer zu sein schien, als es ohnehin schon den Eindruck machte.

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