Kapitel 31 - Das Ende der Herrschaft

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Fynch

,,Echo!"

Ich vergaß alles um mich herum. Ich schrie und wehrte mich gegen den Widerstand in Form von Gardisten und Jacomo, der sich vor mich stellte und an den Schultern haltend zurückdrückte. Er und die Gardisten gerieten jedoch ins Wanken, als sich meine körperliche Stärke durch meine Magie bis zum dreifachten verstärkte. Ob meine Magie von selbst handelte oder ich mich bewusst stärker machte wusste ich in diesem Moment nicht. Mein Umfeld verschwamm bis auf diese eine Stelle vor meinen Augen zu einer unklaren Masse. Selbst der Knall vom Schuss erreichte kaum mein Ohr.

Das Einzige, was ich sah und was ich nicht verdrängen oder ignorieren konnte, war wie Echos Körper beim Schuss zusammensackte und zur Seite fiel. Noch während des Falls fielen ihre Augen zu, ihr Mund blieb einen kleinen Spalt weit noch offen. Wäre nicht die blutende Wunde vom Einschuss an ihrer Schläfe, so könnte man meinen sie würde schlafen. Aber dieser Illusion konnte mein Verstand nicht glauben.

Meine eigene Welt schien zu wanken, als meine Beine – als mein ganzer Körper – seine Kraft verlor. Die Magie war noch da, doch sie allein konnte mich nicht zusammenhalten. Für einen kurzen Moment veränderte sich Echos Gesicht. Statt ihres sah ich das Gesicht eines anderen Menschen. Ich sah Ivy auf dem Boden liegen.

Soweit ich wusste, hatte ich noch nicht oft in meinem Leben geweint. Ich hatte in den ersten Nächten geweint, nach dem mich das Imperium zusammen mit den anderen Kindern eingesperrt hatte, um aus uns Scalras zu machen. In meiner ersten Nacht in der Dunkelkammer hatte ich geweint. Ich hatte geweint, als ich mein erstes Opfer, den ehemaligen Marshall von Prodias getötet hatte. Und ich hatte geweint, als meine geliebte Schwester Ivy tot aufgefunden worden war. Als Kind, als ich begonnen hatte meine Maske zu tragen und mein Gesicht vor jeglichen Emotionen zu verstecken, hatte ich mir geschworen nie wieder zu weinen. Mit den Tränen zu Ivys Tod hatte diesen Schwur schon gebrochen. Und auch jetzt schluchzte ich laut auf, als sich mein Körper krümmte und ich von allein auf meine Knie fiel. Bei Ivys Tod hatte ich mich fürs Weinen zurückgezogen, damit die anderen meine Trauer und meine Tränen nicht hören konnten.

Nun war es mir egal.

Meinetwegen sollte dieses ganze verdammte Gefängnis mein Weinen hören! Jeder sollte es hören. Einfach jeder sollte hören, dass ich versagt hatte. Nach dem ich mich vom Imperium abgewandt hatte, hatte ich mir geschworen Echo vor alles und jeden zu beschützen, damit ihr nie wieder etwas passieren würde. Und genau wie mein erster Schwur, hatte ich auch diesen Schwur gebrochen. Schon wieder hatte mir das Imperium einen geliebten Menschen vor meinen Augen genommen und ich hatte nichts dagegen getan.

Der Bann der Unklarheit brach wie ein Spiegel, als sich der menschliche Schatten bewegte. Langsam senkte sich sein Arm, mit dem er meinen Revolver hielt. Der Blick seiner blutroten Augen ruhte auf Echos Körper. Ein tiefer Schatten schien über diesen Augen zu liegen, wodurch ich seinen Blick nicht deuten konnte. Sein Körper blieb trotz allem angespannt und sein Atem langsam und gezwungen, als müsste er seine Gefühle unter Kontrolle halten.

Sein Anblick rief eine tief brodelnde Wut in mir hervor. Am liebsten hätte ich mich auf ihn gestürzt und zu Tode geprügelt. Es war ein Wunsch, aber ich konnte mich nicht bewegen. Diese Wut war da, aber meine Trauer und der Schmerz, der meinen Körper lähmte, siegten darüber.

,,Der große Brecher", höhnte eine Stimme nach neben mir. Ein Gesicht senkte sich vor mich herab und schaute mich gehässig an, ,,heult wie ein kleines Kind. Mein Respekt zu dir sinkt immer weiter und weiter, Fynch. Und dass nur wegen dieser Missgeburt."

Man könnte meinen Jacomo hätte aus seinen Fehlern. Aber Einsicht war noch nie seine Stärke gewesen. Und so konnte meine Wut die Oberhand übernehmen. Hinter meinem Rücken ballten sich meine Hände zu Fäusten und bevor mich die Gardisten von neuem zurückhalten konnten, lehnte ich meinen Oberkörper leicht nach hinten und ließ meinen Kopf schnell – und auch ein wenig mit Magie verstärkter Kraft – vorschnellen, um aufs neue Jacomos Nase zu treffen. Wie auch zuvor konnte mein Bruder nicht rechtzeitig zurücktreten. Dieses Mal ertönte zwar kein Knacken, aber er schrie vor Schmerz und seine Nasenränder verfärbten sich schon wieder rot.

Daegor - Klinge und Kristall Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt