Kapitel 19.2 - Der erste Flug

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Echo

,,Du solltest die Sache nicht mit schlechten Gefühlen angehen", riet mir Kazzen. Er stand neben seinem Weibchen Seeschein, lehnte sich gegen ihren großen Kopf und streichelte ihre blassen Nüstern. ,,Ein Wyvern wird deine schlechten Gefühle auffangen und wiederspiegeln. Und glaube mir: Der erste Flug kann mit einem aufgewühlten Wyvern nur schlecht werden."

,,Was ist denn mit einem aufgewühlten Reiter?", fragte ich.

Lachend verschränkte Kazzen die Arme. ,,Jetzt mach schon. Wir wollen doch vor Sonnenuntergang wieder in Antylar sein, oder? Und fliegen im Dunkeln ist sehr anstrengend."

Na klar. Der Sonnenuntergang bricht auch erst vielen Stunden ein.

Neben mir schnaubte Sternengold entkräftet auf. Ich spürte seine Missgunst und wie er sich selbst genervt fühlte. Kazzen nervte ihn mit seinem Hohn in der Stimme. Oder fühlte er nur so, weil ich so spürte? Mein Drache spiegelte wirklich meine Gefühle wieder und sogleich fühlte ich mich schlecht. Kazzen war mein Problem und nicht seins, er hatte keinen Grund sich vom Sternenkind genervt zu fühlen. Diese Erkenntnis, ließ meinen Wiederstand fallen, ich war zwar immer noch ein wenig genervt und auch überfordert von Kazzen, aber für Sternengold wollte ich diese Lektionen hinter mich bringen. Vielleicht konnte ich als vollwertiger Wyvern-Reiter auch meinen Nutzen für die Sternenkinder zeigen und etwas für den gegeben Schutz entgegen bringen.

Wie Kazzen es mir geraten hatte, bat ich Sternengold gedanklich darum, sich hinzulegen, damit ich aufsteigen konnte. Mein Wyvern reagierte sofort und neigte sich mit dem Oberkörper soweit nach vorne, dass sein Kopf, Hals und die schmale Brust auf dem Boden lagen. Seine schwarze, schmale Pupille verfolgte meine Bewegungen, als ich an seine Seite trat und die Hände an seinen kühlen Hals legte. Sowohl sein Blick, als auch seine Gefühle, waren voller Vertrauen und ich erwiderte dieses Vertrauen. Kazzen hatte mir gesagt, dass die meisten Reiter über Hals oder Flügel auf den Rücken ihres Drachens kletterten. Ich ging vom Hals aus weiter und erreichte einen von Sternengolds zusammengefalteten Flügel, die sich seitlich neben dem langen Körper auf dem Boden abstützten. Durch das leichte Zusammenfalten entstanden mehrere Furchen, die es mir leichter machten auf den schuppigen Körper zu klettern. Vorsichtig stieg ich weiter hinauf, darauf bedacht den lebenden Flügel unter meinen Füßen nicht weh zu tun. Doch die Lederhaut des Flügels war überraschend fest und fühlte sich unter meinen Fingern gleichermaßen weich und warm an.

Als ich den harten, leicht gebogenen Flügelkamm erreichte, machte ich eine kurze Pause. In der Hocke sitzend, schaute ich nach Sternengold, der leicht den Kopf gehoben hatte und mich beobachtete. Sein warmer Blick schien mir Mut zu zusprechen und dankend strich ich über die knorpelige Haut unter mir.

Mein Blick wanderte weiter zu Kazzen, der schon auf Seescheins Rücken saß. Natürlich war er viel schneller als ich gewesen, aber der großartige Wyvern-Reiter hatte immerhin mehr Erfahrung als ich. Doch er sagte kein Wort, als er mir entgegen blickte. Er saß einfach auf dem Rücken seines Drachens und hielt sich an zwei der Rückenstacheln fest, als Seeschein – die genauso wie Sternengold mit dem Oberkörper lag – sich hockdrückte und wieder normal stand. Erst da verstand ich, dass Kazzen mir damit mitteilen wollte, wo ich auf dem Rücken meines Wyversn sitzen sollte.

Mit einem tiefen Atemzug erhob ich mich auf die Beine und kletterte auf Sternengolds Rücken. Mein Gefährte gab sich dabei offensichtlich die größte Mühe mich nicht zu stören und versuchte nicht einmal so tief zu atmen, um das Heben und Senken seines Körpers zu mindern. Gedanklich dankte ich ihm, während ich den Platz auf seinem Rücken suchte, auf dem auch ungefähr Kazzen saß. Tatsächlich befand sich gleich hinter der Stelle, wo der lange Hals in den kräftigen Körper überging, eine Stelle, auf die ich mich setzen konnte. Sie befand sich zwischen den Stachelkämmen, die dort anfingen, doch der Abstand zwischen den einzelnen Stachel war groß genug, damit ich nicht eingezwängt wurde.

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