Kapitel 28.2 - Brüderliches Gespräch

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Fynch

Eine gute Sache hatte diese Gefängniszelle: Man konnte viel besser schlafen als auf dem Luftschiff. Durch die eiserne Tür konnte kein Gardist einfach so hineinschauen und einen Gefangenen unsanft aus dem Schlaf reißen. Ich befand mich zwar nicht gerade in der bequemsten Schlafposition, aber es reichte um länger als sonst die Augen schließen und ein wenig entspannen zu können.

Das dieses Kreuz mir irgendwann schmerzliche Probleme bescheren würde, hatte ich schnell herausgefunden. Trotz Jacomos eindringlicher Warnung hatte ich es gewagt und meine Arme in einem Befreiungsversuch bewegt, nur um einen Schock durch meinen Körper gleiten zu spüren. Das problematische bei der Sache, der Schock und die damit verbundenen Schmerzen zwangen einen einzuknicken und wenn man mit dem Körper runter sank, sanken unweigerlich auch die Arme nach unten und erzeugten einen weiteren, schmerzhafteren Schock – immer und immer wieder.

Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, als die Tür aufgeschlossen wurde. Noch bevor sie aufschwang, öffnete ich meine Augen und hob den Kopf. Wie erwartet trat Jacomo herein und er hatte noch immer meinen Revolver bei sich. Doch dieses Mal kam Jacomo allein, ohne Gardisten. Ich erwartete das er die Tür hinter sich schloss, damit wir ungestört alleine blieben, doch das tat er nicht. Mit langsamen Schritten ging er um mich herum. Ich spürte seinen musternden Blick dabei.

,,Danke, dass ich meine Maske behalten dürfte", sagte ich vollkommen ehrlich und brach damit die Stille.

Jacomo blieb hinter mir stehen und schnaubte abfällig. ,,Lady Ascillia möchte das es dir gut geht. Und dir geht es ja nur gut, wenn du wie ein Feigling dein Gesicht versteckst."

,,Ihr nennt sie immer noch Lady Ascillia? Verlangt sie nicht mit Kaiserin angesprochen zu werden?"

Sofort schoss Jacomos Hand vor. Hart packte sie mich an Nacken und riss meinen Kopf so weit nach hinten, dass sich meine Arme ein wenig hoben. Sofort spürte ich den Schlag in jeder Faser meines Körpers und wie er meine Muskeln lähmte. Gerade so schaffte ich es meine Beine nicht einknicken zu lassen, wodurch der Schmerz und die Lähmung nur fünf Sekunden anhielten.

,,Sei nicht so respektlos!", zischte mir Jacomo drohend ins Ohr. ,,Wenn Lady Ascillia nicht wäre, hätte ich dich in Jórvak erschossen!" Als er mich losließ, blieb er gnädig und ließ es nicht zu einem weiteren Schock kommen.

,,Weißt du...ich musste letztens an die ersten Tage unserer Ausbildung denken. Du weißt schon, in den ersten Tagen und Monaten, in denen so viele Kinder als unfähig angesehen und aussortiert wurden."

Beinah lachte ich dunkel auf. Aussortiert, das war das richtige Wort für die Bezeichnung töten oder ermorden.

,,An was genau musstest du dabei denken?", fragte ich und wandte leicht den Kopf zu ihm nach hinten. ,,Es gibt so viele grausame Erinnerungen aus dieser Zeit."

,,Ich musste an die Laufübungen denken. Als wir fast zwei Stunden lang ohne Pause die Bahn abrennen musste – Runde um Runde, niemals aufhören. Sobald ein Kind in den Schritt gefallen ist oder stehen blieb, um richtig zu atmen, haben die Aufseher es sofort auf den Boden geworfen und auf dieses arme Kind eingeschlagen."

Ich nickte langsam. Auch ich hatte diese Laufübungen nicht vergessen. Zwischen unserem Keuchen und schlürfenden Schritten, hatten die geschlagenen Kinder aufgeschrien. Wenn man es schaffte die Schreie zu unterdrücken, ließen die Gardisten es mit ein paar Blauen Flecken und Schwellungen bleiben, doch sobald man schrie, wurde man in die Ohnmacht geprügelt – zu viele hatte man zu tote geprügelt.

,,Ich weiß noch, wie auch ich stehen geblieben war", fuhr Jacomo fort. Seine Stimme klang leer und es wirkte, als befände er sich ganz woanders. ,,Ein Gardist hatte mich sofort zu Boden geworfen und hatte schon seinen Schlagstock gehoben. Doch...doch bevor er mich verprügeln konnte, wurde er von einem anderen Kind aufgehalten. Erinnerst du dich daran, Fynch?"

Daegor - Klinge und Kristall Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt