Kapitel 20 - Nordisches Blut

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Fynch

Fauchend verscheuchte Sommer den Wolver, der sich auf Futtersuche zu nah an uns herangewagt hatte. Wie ein Welpe, legte der Wolver die Ohren an und wich fiepend zurück, auf der Suche nach der nächsten Chance, um sich Futter von anderen Tieren zu holen. Vielleicht fand er bei seinen eigenen Artgenossen mehr Glück, aber Sommer teilte nicht gerne. Kurz blickte ich mich um, in Sorge irgendein Sternenkind hätte von Sommers Verhalten mitbekommen. Diese Wir-Halten-Zusammen-Moral wollte ich nicht hören. Ich wettete darauf, dass man dies auch von meinen Sha'Kmals verlangte.

Die Sonne hatte in all der vergangenen Zeit den höchsten Punkt am Himmel erreicht. Ich konnte sie zwar nur teilweise zwischen dem hohen Blätterdach erkennen, aber ich spürte ihre Wärme auf den Boden strahlen. Neben mir auf dem Boden ruhte noch immer das Essen, welches ich mir vor knapp drei Stunden aus der Kantine mitgenommen hatte. Eigentlich hatte ich es in der Hütte essen wollen, doch da das Wetter angenehm war und ich mich innerhalb dieser fremden Wände eingeengt fühlte, hatte ich beschlossen mich irgendwo an der frischen Luft an einen ruhigen Ort zurückzuziehen. Und vor allem wollte ich nicht beim Essen angestarrt werden. Doch bis jetzt hatte ich das Brot und die paar Klumpen Haferschleim noch nicht angerührt. Vielmehr beobachtete ich Sommer, Efeu und die Wolvers und all die Sternenkinder, die in unserer Nähe ihrer Arbeit nachgingen.

Alles war so friedlich, so ruhig und so harmonisch. Und total langweilig!

Aber nein, nicht einfach nur langweilig, irgendwie konnte ich dieser Illusion des Friedens nicht trauen. Für Mikhael und Echo versuchte ich daran zu glauben und jeden meiner Zweifel mit Zuversicht und Hoffnung zu ersticken – aber schon einmal hatte ich dies getan und mich dadurch für die Wahrheit blind gemacht. Ich wurde einfach nicht das Gefühl los, dass dies nicht das Ende unserer Reise war. Caitlain war tot. Für diesen Moment waren wir vor den Fängen des Imperiums sicher. Und irgendwo lauerte noch dieser Schatten, der uns durch ganz Ashlyver gefolgt war. Dieses Ding, das mich abgestochen und Caitlain getötet hatte, Echo hatte mir verraten, dass er sie auch in ihren Träumen angegriffen hatte. Solange dieser Zeuge noch in Eridia umher streifte, waren wir auch in der Baumsavanne nicht sicher, selbst wenn wir nun Teil der Sternenkinder waren.

In Erinnerung an letzten Abend, schloss sich meine Hand zur Faust. Gestern hatte ich an dieser Hand ein paar Tropfen Blut verloren. Trotz dem Schnitt, den ich mir selbst hatte zufügen müssen, kein großer Verlust und auch nicht die ersten Blutstropfen, die ich absichtlich hergegeben hatte. Und diese einzelnen Tropfen sollten der Schutz einer ganzen Gemeinschaft gleichen?

Ein tiefes, sanftes Keckern befreite mich aus meinen tiefen Gedanken. Eine silbern gesprenkelte Schnauze schob sich auf meine Oberschenkel und zwei dunkle Augen blinzelten mich an. Schmunzelnd öffnete ich meine Hand und strich über Sommers warme Schnauze. Wie ein riesiges Schoßhündchen lag der Drache vor mir auf dem Boden, der Kopf halb auf meinem Schoß ruhend. Ich kannte ihn so gut und dennoch überraschte es mich jedes Mal, wie schnell Sommer meine Gefühle erkannte und alles daran setzte um mich aufzumuntern.

Als ich mich nach Efeu umschaute, entdeckte ich ihn nah bei einer der Wolver-Gruppen. Sie lagen in der Sonne und schienen zu schlafen, Efeu selbst döste mit halboffenen Augen. Einer der Wolvers lag dicht neben ihm. Scheinbar hatte sich Efeu schneller mit den Reittieren der Sternenkinder angefreundet als Sommer.

,,Wir werden uns schon daran gewöhnen", tröstete ich meinen schuppigen Freund und zustimmend brummte Sommer unter den sanften Streicheleinheiten. ,,Ich denke...wir alten Knochen brauchen ein wenig mehr Zeit als unsere Freunde. Dann werden wir uns an all das hier gewöhnt haben."

,,Mhm, so alt siehst du unter der Maske nicht aus", erklang plötzlich eine Stimme. ,,Dann hast du Haufen alter Knochen dich gut gehalten."

Seufzend strich ich meine Kapuze zurecht. Sommer knurrte aus tiefster Kehle über das plötzliche Erscheinen und schob sich schützend vor mich. Doch Cleve war darüber kein bisschen beeindruckt. Er ignorierte Sommer einfach und starrte mich an. Seine dunkelgrauen Augen erinnerten mich dabei an dicke Regenwolken, die kurz davor standen ihr Wasser über die Erde fallen zu lassen. Mit einer kurzen Berührung an Sommers Wange, legte sich mein großer Beschützer wieder hin. Er ließ Cleve weiterhin nicht aus den Augen, hörte aber mit dem Knurren auf. Jedoch waren seine Muskeln angespannt.

Daegor - Klinge und Kristall Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt