Kapitel 14.1 - Herrlicher Wein

36 4 0
                                    

Der Zeuge

Von allen Ländern Eridias, hatte Ashlyver den wenigstens Fortschritt gemacht, zumindest in seiner spirituellen Entwicklung. Hier herrschten noch die alten Regeln, aufgestellt und durch gesetzt von der alten Magie. Das Blut von Daegors hatte das Land verändert, die Erde für besonderes Leben furchtbar gemacht. Irgendwann würde ich die Saat im Boden verteilen und nach nur wenigen Tagen neues Leben ernten. Wie ein Bauer, der von seinen Feldern das Getreide holte. Doch es würde nichts unbedeutendes wie Weizen oder Hafer sein – es würde meine Armee sein!

Es war dieser Gedanke, der mir die Ausblick versüßte. Ich stand auf dem Balkon eines großen Raumes, in der Spitze einer der Türme von Noz. Es war gleichzeitig der größte Turm, wodurch ich einen guten Blick auf die Baumsavanne hatte. Meine Hände ruhten auf dem dicken, steinernen Geländer und meine Schattendiener zuckten unter meinen Füßen über den glatten, mit Blut verschmierten Boden. Das verborgene Dorf der Sternenkinder – Antylar – war für meine Augen zwischen den weit entfernten Baumkronen unentdeckt. Doch sobald ich meine Augen schloss und diesen physischen Körper verließ, konnte ich den Herzschlag sämtlichen Lebens in Ashlyver spüren. Auch die Herzschläge der Sternenkinder, des Brechers, der Krähe...und Echos.

Die Kaiserin hatte meine Tat nicht verstanden und im Nachhinein hatte ihr der Tod zweier Scalras missfallen. Doch sie sah nicht das Große und Ganze dahinter – anders als ich. Jede Tat, so klein und fehlerhaft sie auch erschien, konnte zum Ziel führen. Doch dafür, musste man auch bereit sein und seinen Geist für fraglich erscheinende Wege öffnen. Denn wie hatte mein Bruder Sorvu gerne gesagt: ,,Will man die Schlange, muss man sie nicht einfach aus ihrem Nest locken. Man muss das Nest anzünden!" Unsere Schlangen – von der Kaiserin und mir – waren der Brecher und der dunkle Daegor und das Nest war momentan die Baumsavanne. Natürlich hatte ich nicht vor die ganze Baumsavanne in Brand zu stecken, aber ich hatte das Feuer schon gelegt, durch den Tod der Taube. Nun musste ich einfach warten und bald würde sich das Feuer in ein tobendes Inferno verwandeln.

Hinter mir erklang das freudige Zischen von Soren. Die letzten Minuten hatte er sich mit seiner Mahlzeit beschäftigt, doch dabei hatte er aufmerksam meine Gedanken verfolgt. Er war kein Gedankenleser, aber er spürte meine Gedanken so deutlich, wie den panischen Herzschlag einer Maus. Kurz darauf spürte ich einen sanften Stoß gegen mein Bein und als ich den Blick von der fantastischen Aussicht nahm, blickte ich in Sorens acht pechschwarze Augen. Zischend erhob er sich und legte seine ersten zwei Beine neben mir auf dem Geländer ab, während er beinah nur noch auf seinem letzten Beinpaar stand. Meine Arachnid war nicht nur eine monsterhafte und gefährliche Erscheinung, er war auch sehr intelligent – sonst hätte er sich nicht dazu entschieden, mir zu dienen.

Schweigend zog ich einen meiner Handschuhe aus. Mit der nun freien Hand, strich ich meinem treusten Gefährten über den runden Kopf. Ein Windstoß strich über seine dicken Beine und trug ein paar der dunkelbraunen Borsten mit sich, die sich auf meine freie Haut legten. Bei jedem anderen Menschen wäre die getroffene Stelle sofort rot geworden, aber ich war kein Mensch – ich war ein Gott!

,,Wir haben es bald geschafft", beruhigte ich das erhitzte Gemüt meines Freundes. ,,Ich höre schon den Gesang unserer Armee. Tust du es auch, mein Freund?"

Zischend wackelte Soren mit den Beinen, bevor er sich vom Geländer abstieß und zurück zur seiner Mahlzeit trippelte. Dabei hinterließen seine befleckten Beine rote Abdrücke auf dem Boden. Seine Mahlzeit lag in Form eines Menschen nah an den Türen des Balkons. Der Körper war noch etwas warm, das Haar dunkel von der Kopfwunde. Am Bauch befanden sich mehrere Bissspuren, wo Soren seinen Hunger ausgelassen hatte und mithilfe seiner Giftzähne weiteres Gift in die Adern gepumpt hatte. Das Gift wirkte auch noch nach dem Tod eines Lebewesens und machte das Fleisch von Innen heraus weicher.

Daegor - Klinge und Kristall Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt