Kapitel 16 - Clayton North

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Fynch

Der ganze Platz war von Menschen erfüllt, die eng beieinanderstanden. Wie eingepferchte Tiere standen sie zusammen und warteten darauf, dass ihnen irgendetwas gesagt wurde. Vor zwei Stunden hatten die Sirenen durch das ganze Dorf getönt und die Bewohner geweckt und dass ohne einen scheinbaren Grund. Zwischen den Menschen liefen Gardisten mit Gewehren bewaffnet rum, hielten Ausschau nach Aufsässigen und reihten die noch dazukommenden Bewohner in eine der langen Schlangen ein.

Zwischen all den Menschen fiel ich kaum auf. Ich stand dicht bei meiner Mutter und hielt ihre Hand. Vor einer Stunde hatte Mutter mich geweckt, die Sirenen hatte ich nicht gehört. Ohne mir den Grund zu nennen, hatte sie mich dazu aufgefordert mich vorzeigbar anzuziehen. Natürlich hatte ich es sofort getan und mit ihr an der Hand hatte ich die Wohnung verlassen, zusammen mit Vater und meinen Geschwistern. Mit uns hatten sämtliche Nachbarn ihre Wohnungen verlassen und den gleichen Weg genommen wie wir. Mehrmals hatte ich gefragt was los war, aber meine Eltern hatten keine Antwort darauf geben können. Und seit ich hier eingeengt zwischen den anderen Bewohnern von Silgrast stand, hatte ich aufgehört Fragen zu stellen.

Als ich mich vorsichtig zur Seit lehnte, schaffte ich es bis nach vorne an die Spitze der Schlange zu schauen. Dort sah ich weitere Gardisten und dazu noch Soldaten in schweren Rüstungen. Zwischen ihnen standen scheinbar unbewaffnete Menschen in grau-schwarzen Uniformen. Die Uniformträger redeten miteinander und warfen ab und zu einen Blick auf die angesammelte Menge. Scheinbar schienen auch sie darauf zu warten, dass ihnen irgendetwas gesagt wurde. Man konnte also wirklich sagen, dass niemand der hier anwesenden Menschen Ahnung hatte was das hier alles sollte.

Plötzlich waren laute Stimmen zu hören, die mich nach hinten schauen ließen. Die Gardisten fingen an die wartenden Menschen zu kontrollieren. Als dabei ein Mann aufsässig wurde und einen Gardisten schubste, landete er sofort auf dem Boden und wurde von dem eben geschubsten Gardisten mehrmals hart in den Bauch getreten. Ängstlich drückte ich mich an meine Mutter. Solche Situationen sah man öfters in den Gassen von Silgrast. In den Augen der Gardisten waren wir keine Menschen, sondern Ungeziefer, das sie quälen und misshandeln konnten.

Tröstend legte Mutter einen Arm um mich. ,,Schhh, es ist alles gut. Du brauchst keine Angst zu haben."

,,Aber was ist denn los? Warum sind wir hier?", fragte ich und schaute zu meiner Mutter hoch. Dabei fummelte ich an dem farbigen Band rum, dass ich mir jedes Mal um den Oberarm wickeln musste, sobald ich das Haus verließ – eins der Gesetze von Silgrast.

Meine Mutter seufzte und schüttelte den Kopf. Ihr Gesicht wirkte eingefallen und unter ihren hellbraunen Augen zogen sich dunkle Augenringe von fehlendem Schlaf. ,,Ich weiß es nicht, Clayton. Aber wahrscheinlich ist es nichts ernstes."

Neben uns räusperte sich mein Vater. ,,Dafür lassen sie sich aber lange Zeit. Hoffentlich wird mir durch diese Verspätung kein Lohn abgezogen."

,,Cey!", zischte Mutter wütend.

Kurz darauf waren von vorne Stimmen zu hören. Als ich dieses Mal nach vorne schaute, sah ich fünf Personen aus dem Rathausgebäude kommen. Vier waren Soldaten in einer besonderen schwarzen und bronzefarbenen Rüstung, die demnach zu einer besonderen Einheit gehörten. Die fünfte Person war eine Frau in einer mit Silber und Orden verzierten Uniform und kinnlangen, weißblonden Haaren. Als sie vor der versammelten Menschenmenge stehen blieb, überreichte ihr einer der anderen Uniformträger ein Mikrofon, das an vier Lautsprecher angeschlossen war, die rund um den Platz verteilt am Rand standen. Sie wurden öfters genutzt, wenn es irgendwelche neue Gesetze oder Anforderungen an die Bevölkerung von Silgrast gab und waren dadurch nichts neues mehr.

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