Echo
Jedes Kind, egal wo es lebte und woher es stammte, wusste von Schnellwasser. Die Eltern warnten davor dem Imperium negativ aufzufallen, denn wer schlimmes tat und nicht damit aufhören konnte, geriet in Gefahr irgendwann hier zu landen. In jedem anderen Gefängnis des Imperiums konnte man irgendwann entlassen werden, doch aus Schnellwasser kam man nur noch tot raus.
In meiner Zeit im Kreuz-Clan waren öfters Mal junge Diebe festgenommen und nach Schnellwasser gebracht worden. Solange sie noch in dem Gerichtsgebäude von Jórvak waren, hatte man versuchen können sie zu befreien, doch sobald sie in Begleitung von Gardisten die Stadt verließen, waren sie für immer verloren. Ab dem Zeitpunkt hatte man nicht mehr über sie gesprochen und sie aus jeglichen Unterlagen des Clans gestrichen, damit ihre Taten nicht auf uns zurückzuführen waren.
Dario hatte mir erzählt, dass einer seiner Brüder nach Schnellwasser gebracht worden war. Man hatte ihn nicht besuchen oder anderweitig in Kontakt treten dürfen. Nur drei Monate nach seiner Festnahme hatte Darios Familie einen Brief bekommen, in dem vom Tod seines Bruders berichtet wurde. Anschließend hatte Dario seinen toten Körper gesehen, bevor man ihn in ein Massengrab geworfen hatte. Seine Arme und Brust waren übersät von alten Wunden und verbrannte Hautfetzen hingen von seinen Wangen.
Ganz sicher erwartete mich solch eine Folter nicht, aber ich hatte jetzt schon die tiefliegende Gewissheit, dass ich diesen Turm nicht lebend verlassen würde. Meine Hände fühlten sich taub an und kribbelten unangenehm, was wohlmöglich an den schweren Eisenfesseln lag, die man mir gleich bei unserem Eintreten angelegt hatte. Zusätzlich lastete die körperliche Nähe zum Zeugen auf mir, der dicht neben mir lief und mich an einer Schulter festhielt. Es war nur diese Hand, aber allein diese reichte, um mich bei jedem Schritt an meine Angst zu erinnern. Gerade liefen wir eine breite Wendeltreffe hoch, die sich alle paar Meter an den Seiten zu Gängen öffneten: Zu Gefängniszellen.
Ich war überrascht, dass die Gardisten auf den Zeugen hörten. Sie schienen Respekt vor ihm zu haben...oder eine leichte Angst. Jedenfalls hatten sie keine Fragen gestellt, als wir beide vor dem Tor des Turmes aufgetaucht waren, und er verlangt hatte die Kaiserin zu sehen. Das er mit dem Imperium zusammenarbeitete war mir schon bewusst gewesen, immerhin hatte er mich und meine Freunde mit zwei Scalras an der Kluft angegriffen. Zwei Gardisten begleiteten uns zur Kaiserin. Sie blieben jedoch auf Abstand hinter uns, wohlmöglich aus Angst oder Ehrfurcht. Der Zeuge übernahm die Führung, demnach er dieses Gefängnis schon einmal gesehen haben musste. War es hier gewesen, hatte er hier sein Bündnis mit der Kaiserin und dem Imperium geschlossen?
Dieses Bündnis...ich fragte mich auf welchen Worten es beruhte. Wie viel hatte der Zeuge der Kaiserin erzählt, damit sie bereit war mit einem verfluchten Wesen zusammenzuarbeiten? Mir fiel darauf keine Antwort ein, aber sicherlich würde ich dies bald herausfinden.
Irgendwann verstärkte sich der Griff an meiner Schulter und grob zerrte mich der Zeuge in einen der Gänge. Beinah wäre ich gestolpert, worauf die Hand noch ein bisschen mehr zudrückte und mich etwas nach oben zog.
,,Keine Schwäche zeigen, meine Kleine", flüsterte mir der Zeuge ins Ohr. ,,Wie sieht das denn aus, wenn der dunkle Daegor so schwach aussieht wie ein verängstigtes Mädchen."
,,Bin ich deswegen hier?", zischte ich zurück. ,,Damit du angeben kannst, den dunklen Daegor gefangen zu haben?"
,,Sei bloß nicht egoistisch. Hier geht es nicht nur um dich, sondern auch um einen besonderen Freund."
Aufmerksam durch seine Worte richtete ich mich ein Stück auf, doch ein fester Druck auf meine Schulter reichte und ich schloss den Mund. So wie er das Wort Freund betonte, wollte er mich damit aufziehen. Dieser besondere Freund hatte also mit mir zu tun, doch ich konnte nicht heraushören, wen oder was genau der Zeuge meinte.
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Daegor - Klinge und Kristall
FantasíaBAND 2 DER DAEGOR-REIHE Einst war Echo in den Augen ihrer Gesellschaft ein Niemand, nun ist sie die meistgesuchte Person des Landes. In der Hoffnung Schutz zu finden, führt der Weg sie und ihre Scalra-Beschützer in die Heimat der Sternenkinder. Doc...