Kapitel 10 - An der Kluft

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Fynch

Leise vernahm ich die Schritte, die den Hügel runter kamen. Meine Hände verkrampften sich zu Fäusten, während ich spürte wie meine Trauer zu Wut wurde. Langsam drehte ich den Kopf nach hinten und blickte auf die drei näherkommenden Gestalten. Zwei erkannte ich sofort als Scalras, die dritte Person aber – die Person mit dem gespannten Bogen – kannte ich nicht.

Als ich in einer der Personen meine Schwester Sasha erkannte, konnte ich mich nicht länger zurückhalten. Noch während ich aufsprang, zog ich meinen Revolver hervor und zielte mit ihm auf die drei Gestalten. Sie blieben sofort stehen, dennoch zuckte mein Finger unruhig am Abzug. Sashas Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen und ich stand so kurz davor abzudrücken.

Bei dem anderen Scalra handelte es sich um Stevan, ein Meister im Bau von Fallen. In Stevans Gesicht sah ich so etwas wie Schock und tiefe Betroffenheit. Auch wenn Stevan uns momentan jagte, so war er stets ein freundlicher und ehrlicher Bruder gewesen, für den Familie mehr galt als Ruhm – ganz anders als Sasha.

Mit einem Schlucken, hielt Stevan seine Trauer zurück. Sein Blick wanderte von Caitlains toten Körper weiter zu mir. Langsam hob er die Hände. ,,Das würde ich an deiner Stelle nicht tun."

,,Du bist aber nicht an meiner Stelle."

,,Es war eine Warnung für dich", fuhr Sasha hinterhältige Stimme dazwischen. Ihre Augen voll Gier fielen auf Mikhael, der noch immer hinter mir die Hand seiner geliebten Schwester hielt. ,,Und auch für dich. Noch hast du die Chance zurückzukommen, Mikhael. Die Kaiserin ist bereit dir diesen Fehltritt zu verzeihen."

,,Eine Warnung?", schrie Mikhael erbost auf.

Ich hörte wie er auf die Beine sprang, doch bevor er sich ohne Gedanken auf unsere Feinde stürzen konnte, stellte ich mich ihm mit ausgestrecktem Arm in den Weg. Mir war vor wenigen Sekunden erst ein geliebter Mensch genommen worden, auf keinen Fall würde es sich jetzt wiederholen.

,,Das war Mord und keine Warnung!", schrie Mikhael unsere Geschwister weiter an. ,,Ihr hättet auch nur einen Warnschuss abgeben können oder einfach den verdammten Sha'Kmal abschießen. Aber das habt ihr nicht – ich habt Caitlain getötet!"

,,Sie war eine Abtrünnige!", fauchte Sasha zurück. ,,Wenn wir sie nicht getötet hätten, hätten es irgendwann Kopfgeldjäger oder imperiale Soldaten getan. Und die Soldaten hätten sie mit großer Freude langsam und qualvoll sterben gelassen."

Wütend stieß Mikhael Luft aus. Meine Hand packte seine Schulter und stieß ihn zurück – mit einer stummen Warnung. Als ich ganz leicht den Kopf nach hinten drehte, sah wie ich Echo und Merlin hinter uns traten. In Merlin Augen funkelte die grüne Magie seiner Feuerseele auf. Auch in Echos Augen sah ich ein dunkles Schimmern, doch sie hielt sich zurück und schob sich schützend zwischen mir und Mikhael.

Ich nutzte den nächsten Moment und blickte auf die mir unbekannte Gestalt. Sie war komplett in schwarz gehüllt: Schwarze Hose, schwarze Jagdjacke, schwarze Stiefel, schwarze Handschuhe. Sogar das Gesicht lag unter einer weiten Kapuze und einer schwarzen Maske verborgen. Selbst die Waffen des Unbekannten, der Bogen und der Pfeil auf der gespannten Sehne, waren pechschwarz wie eine lichtlose Nacht.

Er war mir ein völlig Fremder. Ein anderer Scalra war er auf jeden Fall nicht, sonst würde er seine Gestalt nicht unter so viel Schwarz verstecken. Es war aber auch kein Gardist oder Soldat im Dienste des Imperiums. War es möglicherweise ein Söldner? Doch seit wann arbeiteten Scalras und Söldner zusammen um eine Gruppe von Flüchtigen zu finden?

Sasha bemerkte wohl wie ich den Fremden verwirrt anstarrte. Mit einem gehässigen Lachen, klopfte sie der Gestalt in Schwarz auf die Schulter – die Gestalt zeigte keinerlei Reaktion. ,,Neugierig auf unseren neuen Freund? Er ist ein Mitglied der Schattenlegion, den neuen Verbündeten des Imperiums."

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