Kapitel 1.2 - Im Schein des Saphirs

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Echo

Ven-Gahns Schritte gaben schwere, dumpfe Geräusche von sich, während wir unserem beinah unsichtbaren Weg folgten. Innerhalb der Schatten der Felsen konnte ich nichts sehen, deswegen vertraute ich voll und ganz Ven-Gahns fähigen Augen. Seit wir den plattgestampften Weg erreicht hatten, lief der Daegor in einem gemächlichen Schritttempo.

Mit einem flauem Gefühl im Magen erinnerte ich mich an eine ähnliche kühle und erdrückende Nacht zurück. In der Nacht waren wir beide auf unserem Weg nach Prodias von einem Kopfgeldjäger und seiner eigenen Armee aus Schattenfressern angegriffen worden. Ich bezweifelte zwar, dass die Blinde Gesellschaft genauso über trainierte Schattenfresser verfügte, aber dieses unwohle Gefühl verfolgte mich dennoch. Wenigstens konnte mich die Gewissheit beruhigen, dass starke Hilfe in der Nähe war.

Dennoch lag die gespenstische Stille schwer auf mir. Auf unserem ursprünglichen Weg, hatte man dem Fluss und die Zikaden gehört, doch war nun von beiden Dingen nichts mehr zu hören. Die Monde und die Sterne am Himmel waren nun meine Begleiter. Den Saphirmond sah man heute besonders gut neben seinem weißen Freund. Sein Licht hüllte den ganzen Nachthimmel in einen bläulichen Schein.

,,Echo, du weißt ich genieße deine Nähe. Aber ist es unbedingt nötig deine Fingernägel in meine Haut zu bohren?"

Erschrocken hob ich die Hände. Kurz wackelte Ven-Gahns Rücken, samt mir, als sein Körper von einem tiefen Lachen erschüttert wurde.

,,Weshalb sorgst du dich?", fragte der Daegor und wandte seinen Kopf ein Stück zu mir nach hinten. ,,Die Hohlköpfe der Gesellschaft laufen auf einem anderen Weg und Fynch ist in ihrer Nähe. Und sobald sie auf Fynch treffen, werden sie Probleme bekommen."

,,Die Blinde Gesellschaft ist nicht mein Problem", erwiderte ich kopfschüttelnd. ,,Obwohl...vielleicht ein wenig. Aber darum geht es im Moment nicht."

,,Und worum geht es dann?"

Zögernd und mit zusammengepressten Lippen, fummelte ich am Ärmel meiner Jacke. Die Wahrheit zu sagen wäre einfach, aber manchmal brachte Schweigen einem auch viel. So sah ich es aus einigen Erfahrungen. Ven-Gahn bemerkte jedoch mein nervöses Zögern. Mit einem weiteren Lachen blieb er so plötzlich stehen, dass mein Oberkörper nach vorne kippte und ich beinah das Gleichgewicht verlor.

,,Hör Mal, vielleicht wusstest du es nicht, aber mutierte Feuerseelen sind sehr empfänglich was Emotionen angeht. Und deine deprimierten Gefühle fühlen sich an wie ein Gewitter auf meinem Rücken."

,,Ach wirklich?", fragte ich schnippisch und warf mir meinen Zopf zurück über die Schulter. ,,Und woher weißt du das? Hast du in letzter Zeit eine andere mutierte Feuerseele wie dich getroffen?"

,,Ja und die sitzt gerade auf mir." Mit einem Raubtier-Grinsen wandte Ven-Gahn den Kopf ganz zu mir herum. ,,Bei dir ist es zwar nicht so schlimm wie bei Fynch, aber ich bemerke deine unruhigen Träume und mit welch schweren Gedanken du morgens aufstehst."

,,Ich habe keine unruhigen Träume. Der Schlaf ist in unserer momentanen Situation nur nicht einfach."

,,Und das Lügen fällt dir auch schwer. Sei ehrlich: Ist es wegen dem toten Scalra?"

Damit traf er den wunden Punkt und was erschwerend dazu kam, er traf die Wahrheit. Ein Scalra war in Shar Tylan getötet worden und zwar von mir. Ich hatte mich vor zwei Wochen gar nicht verwandeln wollen, ich hatte nicht vorgehabt die Scalras anzugreifen und auf keinen Fall hatte ich den Tod von einem gewollt. Ich versuchte ständig mein Gewissen zu beruhigen, sprach mir selbst zu, dass es nicht ich, sondern der Daegor in mir gewesen war. Doch wie konnte ich jemand anderes die Schuld geben, wenn es keine Feuerseele mehr in mir gab? Und warum nur hatte mir dieser Mord, diese Todeslust, so gefallen?

Daegor - Klinge und Kristall Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt