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Ohne meinen Kopf oder etwas anderes meines Körpers zu bewegen, schiele ich nach vorne. Baggy-Typ glotzt mich an. Habe ich die jetzt gestört? War ich so laut? Müssen sie so etwas nicht abkönnen?

Crazy verrückter Kackabend!

Ich blicke auf mein Handy, das Display wird gerade dunkel. Der Anruf ist verklungen. Hektisch – da ich noch immer das Gefühl habe, dass alle Augenpaare sich in mich hineinbrennen wollen – schnappe ich den Träger meines Rucksacks und springe von der Rampe herunter. 

Shit! Scheiße aufgekommen. Natürlich. Was auch sonst? Kann bitte irgendetwas glatt laufen? Ha ha ... Schmerz. Zieht. Durch. Pech, nützt nichts. Zähne zusammenbeißen, einatmen und weiter. Beweg dich einfach. Bloß weg jetzt hier.

»Hey, warte!«, wird hinter mir gerufen. Ich gehe weiter. »Hey!«, ertönt nochmals. Werde ich angesprochen? Ich? Ganz sicher nicht. »Bleib doch mal stehen!« Ooookay, vielleicht ist es doch an mich gerichtet – ich tue es; bleibe stehen. 

Und nun? Bin ich jetzt gemeint oder nicht? »Du kannst dich auch umdrehen«, belustigt sich diese Person über mich.

Ja, und wer steht da? Baggy, so wie ich ihn zumindest nenne, erkenne ich, nachdem ich mich wende. Ein paar Meter noch von mir entfernt. Nun lehnt er sich an die Mauer, die neben uns entlangläuft. Links von ihm, rechts von mir. Die Graffitiwand. Seine Sprache ist wohl futsch gegangen, denn es kommt kein Ton mehr. Außer seine Kringellöckchen offenbaren gleich noch die passende Melodie zu ihren Bewegungen. Wie sie hoch und runter hüpfen bis zum Rand seiner Cap.

»Und nun?«, frage ich ihn. »Was willst du?«

»Alles okay?«, stellt er als Gegenfrage zurück.

»Was interessiert dich das?«

»Also nein?« Was wird das?

»Doch, passt schon.« Etwas in seinen Augen funkelt, was ich trotz der Dunkelheit erkennen kann. Was hat das nun bloß zu bedeuten? »Ich muss jetzt. Bye«, beschließe ich, untermale das mit meinem Fuß, den ich auf dem Boden wieder in die andere Richtung setze.

Im Augenwinkel sehe ich noch eine Bewegung von ihm ausgehen, er stößt sich von der Wand ab. »Man sieht sich«, verabschiedet er sich, wobei er seine Cap abnimmt und damit so völlig absurd bescheuert winkt. Es bringt mich dennoch zum Lächeln.

Mit einem Blick zum dunklen Abendhimmel wende ich mich jedoch ab. Die Mauer ist wieder links von mir. Ich tapse den Pfad entlang und folge den Schatten, die vor mir mittels der Laternen geworfen werden. Ich habe noch ein gutes Stück vor mir. Zum Antritt back to ... was auch immer.

›Sie wissen es.‹

Die Nachricht von Rachel – die meine Befürchtungen zum Anruf der WG untermauern –, poppt in meinen Gedanken immer wieder auf.  Ebenso, wie ich sie eben noch auf dem dunkel werdenden Bildschirm als solche Benachrichtigung sehen konnte.

Den verdammten Anruf habe ich verpasst. Beziehungsweise hat der mich ja kalt erwischt, während ich auf der Rampe saß und mir das geile Battle reingezogen habe mit Baggy Boy. Nein, das klingt skurril. Einfach nur Baggy.

Schritt für Schritt bahne ich mir meinen Weg ... Mache mich auf alles gefasst. Es kann alles sein. Vom Szenario ›ich komme nicht mehr rein‹ und ... oder ›der Anschiss erfolgt erst morgen‹ über ›ein verzweifeltes Kopfschütteln‹, weil sie nicht wissen, was sie mit mir machen sollen, bis ... ich weiß auch nicht. Dabei bin ich doch erst seit nicht mal drei Wochen hier. Wie kann ich ihnen nur zeigen, dass ich es wirklich versuchen will?

Gleich bin ich da, gelange ich an ... Nur noch die paar Meter über das Kopfsteinpflaster bis zur Haustür. Die ist zu. Von innen kann sie geöffnet werden, doch von außen ist nur ein Knauf. Resigniert klingele ich bei GIL. Als ich schon gar nicht mehr damit rechne, knackt es. Kurz darauf ertönt eine Stimme. Diese Stimme. 

Natürlich hat er Nachtschicht. Mein Bezugsbetreuer Axel. »Hallo?«, fragt er, als würde er schon längst auf eine Antwort warten. »Ist da jemand?«

»Ich bin es. Mo«, antworte ich reuig.

Die Tür beginnt zu summen. Da ich mich gegen sie lehne, wird sie durch mein Gewicht aufgeschoben und ich lande drin. Besorgt drücke ich auf den Knopf für den Fahrstuhl, damit er zu mir angesaust kommen kann. Wahrscheinlich steht er im 2. Stock, in dem sich auch GIL befindet. Polternd kommt er vor mir zum Stoppen und lässt mich passieren. Gemeinsam im Leben, geht mir wie ein Slogan während der Fahrt nach oben durch den Schädel. Als das Gefährt bei meinem Ziel anhält, drückt sich mein Mageninneres zusammen. Mit mir kämpfend schlucke ich alles Schlechte an Gefühlen herunter und versuche stark zu sein. Ich straffe meinen Körper, balle dabei meine Hände zu Fäusten, ziehe meinen Rucksack sowie meine Hip Bag stramm und trete aus dem Fahrstuhl heraus. 

Eine scharfe Kurve nach rechts und ich stehe ihm – Axel – gegenüber. Er hält die Tür auf, weil sie sonst von alleine zufällt. Schweigend geht er vor, ich hinterher. Ins Mitarbeitende-Büro. Er setzt sich an den Teammeeting-Tisch, der in der Mitte steht und zieht einen weiteren Stuhl etwas nach hinten und zeigt darauf. Hinter ihm sehe ich das Bett, was für ihn heute Nacht gedacht ist, jedoch kaum benutzt ausschaut. Dank mir. In seinem Gesicht sehe ich Ratlosigkeit. Ebenfalls dank mir. Ich lasse meine Arme hängen.

»Monia, wir müssen reden.« 

Mo, ich heiße Mo!, würde ich ihm gerne an den Kopf knallen, aber ich lasse es sein; senke stattdessen meinen Kopf. Okay, eigentlich hat er recht und ich heiße eigentlich Monia, aber nein. Wiederum auch nicht. Ich heiße Mo.

»Ihr wollt«, mein Kopf schnellt nach oben und ich starre ihn an, »mich loswerden, richtig?«, schieße ich gegen ihn los.

»Loswerden ganz sicher nicht, aber vielleicht wäre es gut, wenn–«

»Weißt du, was ich hasse?«, unterbreche ich ihn und er schaut irritiert auf, zuckt dann aber mit den Schultern und bleibt ruhig. »Lügen. Ich hasse Lügen.«

Egal von welchem FleckWo Geschichten leben. Entdecke jetzt