47 | What

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Slowmotion.

So sehe ich sie auf mich zubewegen. Sie sind noch einige Meter weg, ich könnte problemlos verschwinden, ohne dass sie mich ergreifen würden. Sie hätten keine Chance, so weit wie sie noch weg sind und bei der Masse an Menschen. Doch die Alarmglocken schrillen nicht. Ein merkwürdiger Schleier legt sich vor meine Augen. Vielleicht auch nur in meinen Gedanken oder in meiner Fantasie. Sehr wahrscheinlich sogar. Fehlt nur noch die passende musikalische Untermalung, wie ich verliebt auf die zwei Cops warte. What the hell denkst du da?

»Mo! Jetzt verschwinde doch!«

Auch wenn ich die Stimme von Flynn höre, kommt es irgendwie nicht richtig bei mir an. Vor allem verstehe ich nicht, warum ich abhauen soll. Es ist doch kein Problem.

Ich fokussiere mich wieder auf die beiden Cops. Es ist, als würde es nur sie und mich geben. Und das inmitten der vollen City und auf dieser Distanz. Ihr Blick ist auf mich gerichtet, als würden sie mich allein dadurch schon gefangen nehmen. Ich stehe starr – jedoch nicht versteinert – da und ja, sie schaffen es. Irgendwie. Aber ... ich will auch gar nicht woandershin.

Weglaufen ist keine Option mehr. Warum bis Ende der Ferien warten? Warum nicht die Mitfahrgelegenheit nutzen? Why not? But what? Was ist nur mit mir passiert? Ist es deren ›Wir nehmen dich mit, egal ob du willst oder nicht‹ Blick? Whats going on mit mir? Haben sie so etwas drauf? Ist das really möglich?

Oder ist es mir egal? Möchte ich es sogar? Was wird mit mir passieren? Na ja, sie müssen mich ja zum Kinder- und Jugendnotdienst bringen. Obwohl zu den Öffnungszeiten ... Wie spät ist es? Nein, stopp. Es ist Wochenende, erinnere ich mich und atme erleichtert auf. Der ASD hat nicht auf. Ja, also zum Kinder- und Jugendnotdienst. Meinen Plan kann ich also verfolgen. What? Welcher Plan? Viel weiter hast du doch gar nicht gedacht bisher.

Sie kommen näher, aber es dauert gefühlt krass ewig lang. Und wahrscheinlich werden sie meinen Vormund informieren, spinne ich weiter. Meinen kilometerweit entfernten Vormund, weil die Zuständigkeit noch nicht hierüber gewechselt ist. Das dauert einfach immer lange. Obwohl es von dem einen ASD zum anderen ASD übergeben wird – genauso wie alles andere –, nimmt das so viel mehr Zeit in Anspruch, bis ich eine gesetzliche Betreuung als Ansprechperson in Reichweite habe. Gut, okay, wenn ich wohlwollend sein mag, dann ist der Grund wahrscheinlich derjenige, dass das Gericht mit im Boot ist und es mehrere Vorgänge sind ... Bla Bli Blub. Ich klinge ja beinahe wie die vielen Fachpersonen, die es mir bereits eintrichtern wollten, obwohl ich es schon längst begriffen hatte. Doch sie haben nie verstanden, dass ich dennoch diejenige bin, die unter dem bürokratischen Kack leiden muss. Wofür sie ja aber auch nichts können ... Solche Gespräche waren nie aufbauend. Und auch jetzt im Nachgang in Gedanken sind sie es auch nicht. Sie müssen reduziert werden. Kack auf ›wenn dies, wäre jenes‹ und so ein Bla.

»Mo?!«, werde ich schon wieder gerufen. Was wollen sie denn? Sie sollten einfach abhauen.

Dann ganz plötzlich kommt mir ein Gedanke ins Hirn geschossen. Ah! Natürlich. Eilig – als der Blick der Cops gerade von anderen Leuten verdeckt wird – ziehe ich mir das Shirt aus und werfe es weiter weg. Die Truppe soll keinen Anschiss bekommen. Nicht wegen mir. Und das könnte geschehen, da sie in der Jugendhilfe angedockt sind.

Die zwei Beamten haben sich bereits gut durchgehangelt und sind nun bald da. What the shit kack? Oh man. Nee oder? Den einen kenne ich sogar. Er hat mich schon einmal aufgegriffen – was ein Missverständnis war, aber ebenfalls auf die Liste im GIL obendrauf kam. Aus dieser Entfernung erkenne ich nun auch, dass die andere Person eine Frau ist, mit der hatte ich aber noch nicht das Vergnügen. Hinter mir höre ich nichts mehr. Vielleicht sind sie endlich abgehauen. Das habe ich mir zwar gewünscht, gleichzeitig tut es schon auch weh. Die letzten Meter überbrücken die beiden Cops nun endlich.

»Guten Tag, Mo«, begrüßt mich der, der mich schon einmal aufgreifen durfte. Das ›Mo‹ hat er sich wohl nach meinem Gezeter beim letzten Mal gemerkt, erinnere ich mittlerweile beschämt. Hingegen habe ich natürlich vergessen, wie er heißt.

»Guten Tag«, antworte ich daher lediglich.

»Ich nehme an, du weißt, warum wir hier sind?«

Ich nicke. Eigentlich hatte ich darauf gewartet, dass seine Kollegin sich noch vorstellt, aber dann eben nicht.

»Wollen wir dann?«, fragt er nach. Ich befinde mich ein klein wenig in der Zwickmühle. Meinen Seesack habe ich bei Balou zu Hause gelassen, aber mein Rucksack steht dahinten. Nur wenn ich jetzt dorthin gehe, kommt das vielleicht komisch. Falls sie doch noch da sind. Keine Ahnung. Er schien mir beim letzten Mal zwar recht gelassen, aber wie sie drauf ist, weiß ich nicht.

»Gerd, vielleicht hat sie ihre Sachen noch bei ihren Freunden stehen. Die wird sie ja wohl noch holen können«, sagt seine Kollegin. Sie sind also noch da?

»Klar. Hol deine Sachen und dann lass uns gehen«, stimmt er zu.

Okay, sie sind beide gechillt. »Danke.« Damit drehe ich mich um und stocke unmittelbar. Like einem spontanen Freeze Move.

»Lass den Jungen los!«, brüllt Gerd los. Ziemlich laut. Hätte ich es vorher gewusst, hätte ich mir definitiv die Hände auf die Ohren gehalten.

Whats going jetzt nur on? Was treiben die denn bitte da?

Egal von welchem FleckWo Geschichten leben. Entdecke jetzt