10 | Schwierig

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Mit in die Hüfte gestemmten Händen warte ich auf eine Reaktion. Vielmehr eine andere als Lachen.

»Balou?«

Immer mal wieder beruhigt sie sich, doch wenn sie mich wieder anschaut, geht das Spiel von vorne los. Ihr Gesicht ist bereits überströmt von Tränen. Und das Lachen klingt mittlerweile nach einem Mix aus Bellen und Jaulen.

»Sor-r-ry«, stammelt sie lachend, dreht sich erneut weg, so scheint es wohl leichter, sich einzukriegen. Nach kurzer Zeit wendet sie sich zu mir und sie beginnt von Neuem. Sie klatscht ihre Hand vor dem Mund und schüttelt mit dem Kopf. Dann macht sie einen Abgang.

Ich schaue ihr hinterher. Nun stehe ich hier alleine und gucke auf diesen Eingang, in dem nun schon zwei verschwunden sind. Zwei von den Leuten von hier und ich bin übrig. Eine, die nicht dazu gehört. Alles klar bei denen?!

Verdattert mache ich mich auch auf den Weg hier raus. Meinen Seesack lasse ich an seinem Fleck liegen in der Hoffnung, dass das schon okay ist und der nicht wegkommen wird. Im Flur ist von Balou nichts zu sehen. Daher gehe ich weiter zu der Tür, zu der wir hineingekommen sind. Im Rahmen halte ich inne. Ich sehe ihn. Mister Baggy oder Baggy-Typ. Ihn so zu nennen, kommt mir gerade extrem komisch vor, aber ich kenne ja nun mal nicht seinen Namen. Welche Geschichte verbirgt sich hinter diesem merkwürdigen Kerl? Der natürlich wieder eine Baggy trägt und wo jeder Mensch bei seinem Style schon sehr bald alles mögliche sehen kann. Gerade von meinem Betrachtungswinkel aus ... Ist das nicht auch äußerst unpraktisch und unangenehm? Ich verstehe es nicht. Hip-Hop bedeutet nicht unbedingt Baggy-Extreme-Style. Na ja, jeder, wie er meint. Karierte Boxershorts dagegen mag ich ja ...

»Na, gefällt es dir?«

Fuck! »Was?« Ich klinge viel zu schrill. Das ist oberhammermegapeinlich. Dass er sein Gesicht zu mir gedreht hat, habe ich nicht mal mitbekommen. »Was meinst du?«, frage ich – viel zu tief dieses Mal – daher erneut, wohl wissend, was er meint. Aber ich muss ihn ja nicht auf den gleichen Kenntnisstand bringen.

Was macht er überhaupt? Wie vorhin hockt er am Boden und ich kann mir nicht zusammenreimen, was er da tut.

»Ach nichts«, erwidert er schmunzelnd und dreht sein Gesicht wieder weg. »Und seid ihr da drin fertig mit was auch immer?«, fragt er mit abgewandtem Gesicht.

»Und was ist mit dir?«, feuere ich zurück, ohne ihm eine wirkliche Antwort zu geben. Aber er macht es einem ja auch schwierig. Ja, er ist schwierig. Und vor allem ist es schwierig, mit ihm zu reden. Meine Güte!

»Wie, was ist mit mir?«

»Ja, das würde ich auch gerne wissen«, murmele ich vor mich hin.

Entweder er hat es nicht gehört oder ignoriert es gekonnt. Auf jeden Fall widmet er sich scheinbar mit voller Konzentration seinen imaginären Kieselsteinchen oder was auch immer. Ich trete zwei Schritte vor, aus dem Türrahmen hinaus auf den Platz. Die Sonne strahlt bereits und erfasst meine Haut. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Von der Seite kann ich sehen, wie er seine Augen geschlossen hält und seine Lippen sich leicht bewegen.

Zählt er jetzt imaginäre Steine? Was tut er nur da?

Warum ich es tue, weiß ich nicht, aber ich begebe mich zur Rampe, lehne mich an und beobachte ihn. Es passiert nichts weiter. Vielleicht hatte ich gehofft, dass er mir noch etwas präsentiert, dass noch etwas geschieht? Warum interessiert mich das eigentlich?

Doch die Ruhe, die hier herrscht, ist angenehm und dadurch kann ich diese in der Sonne genießen.

Leider viel zu schnell wird die Stille durch Geräusche wie Geplapper, Rollen vom Skateboard sowie Fahrradreifen unterbrochen. Ein paar Peoples kommen an. Es könnten diejenigen sein, die hier gestern gemeinsam getanzt haben.

Balou kommt aus dem Haus heraus und begrüßt alle. Baggy-Typ ist auch aufgestanden und hat sich zu seinen Leuten gesellt. Ich sitze weiterhin abseits bei der Rampe. Balou winkt mir zu, ich winke zurück. Sie hebt noch mal ihre Hand und nun erkenne ich erst, welches Zeichen – vermutlich auch eben schon – sie macht. Sie winkt mich heran.

Aufgeregt, nervös, aber auch freudig erhebe ich mich und gehe auf die Truppe zu.

»Hey«, sage ich in die Runde.

»Das ist Mo«, stellt sie mich der Gruppe vor. »Und ich denke mal, dass du mittlerweile mit Gabe gesprochen hast, so lange wie ihr hier draußen alleine ward«, richtet sie sich an mich und ihr Blick gleitet zu Mister Baggy. Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Das ist Gabe! »Super, dann lasst uns alle reingehen und Mo zeigen, was wir drauf haben und dann kann sie uns auch von sich überzeugen. Ich muss mich verbessern. Mich hat sie schon. Sie muss also nur noch euch begeistern, aber ich wette, das schafft sie«, spricht sie weiter, ohne jemand anderes zu Wort kommen zu lassen. Ganz like sie.

Sie lächelt mir aufmunternd zu, auch die anderen. Mein Blick schweift weiter zu Mister Baggy. Oder eher Gabe, wie er ja heißt.

In seiner Miene ist so viel – zu viel – zu erkennen. Seine Augenbrauen sind zusammengezogen, als wäre er nicht überaus erfreut von Balous Idee, gleichzeitig schmunzelt er. Aaaah! Was soll mir der Gesichtsausdruck sagen?

Egal von welchem FleckWo Geschichten leben. Entdecke jetzt