Gleichzeitig schwenken Baggy und ich unseren Kopf dahin. Das ›Hey‹ kommt von einem Mädel, das mit einem breiten Lächeln zu uns winkt.
Oookay?! Freaky!
Doch so freaky es auch ist, verraucht gleichzeitig meine Wut auf diesen Vollidioten so schnell wie die dampfende Flüssigkeit heute früh.
»Hier alles gut so weit? Willst du mit reinkommen? Du bist neu oder? Na komm, ich zeig dir die Räume«, redet sie ohne Punkt und Komma auf uns – erst Baggy, dann mich – ein.
Sie plappert weiter, aber meine Ohren haben automatisch auf Durchzug geschaltet. Lass es einfach durchziehen, Mo. Ja. So ists besser. Auf so etwas war ich nicht gefasst. Daran müsste ich mich erst einmal gewöhnen.
Wow. Eine geballte Informationsflut. Nein, eigentlich mehr. Aussagen und Fragen. Und was weiß ich nicht alles.
Die Braunhaarige mit den mega kurzen Haaren schließt den Hintereingang auf und geht hinein. Automatisch und ohne auf irgendetwas einzugehen, folge ich ihr und hoffe einfach, dass ich es schon mitbekomme, wenn sie etwas Wesentliches sagt oder fragt. Sie hatte doch gemeint, dass ich mit rein kann oder nicht?
Unsere Schritte klingen die ersten Meter dumpf. Es klickt. Einige Lichter erstrahlen. Von dem Eingangsflur zweige ich automatisch nach rechts ab. Die Geräusche, die von mir ausgehen, beginnen zu hallen.
Wow. Bestaunend schaue ich mich um, streife mit meinem Finger über die Theke, an der ich vorbeikomme, die sich am Anfang des riesigen Saals befindet. Das hätte ich von draußen gar nicht vermutet. Mein Seesack rutscht herunter, als ich mich mehrmals drehe und den Raum betrachte. Die eine lange Wand ist spiegelbehangen. Ist es das, was ich denke? Proben sie hier? Was ist das hier? Zu was gehört das alles? Es ist perfekt.
Musik setzt ein und reißt mich aus meiner kleinen Freude und katapultiert mich direkt in die Realität. Ich bin kein Teil von dem hier. Wehmütig muss ich mir das eingestehen.
Aus der Richtung, aus der auch ich kam, höre ich Schritte.
»Das ist super, oder?«, spricht sie mich an, noch bevor ich mich ganz zu ihr umdrehen kann. Sie steht angelehnt an der Theke, über ich eben staunend meine Finger gleiten lassen habe. Doch nun ist sie einige Meter von mir entfernt.
Ich nicke ihr zu. »Probt ihr hier?«
»Ja, das ist unsere Höhle, in der wir alles machen«, erzählt sie begeistert und rammt mir damit den nächsten Dolch rein. Bitte, mach nur weiter. »Was ist mit dir?«, fragt sie und zeigt auf meinen Seesack.
»Bin auf Durchreise.« Ernsthaft, Mo? Ging es nicht bescheuerter?
»Auf Durchreise? Wie alt bist du?« Ja, sie stimmt meinem Gedanken wohl zu.
»Sorry, ist so 'nen Spruch. Ist mir rausgerutscht«, versuche ich mich zu retten. »Ich bin erst angekommen und ja, ich ... schleppe oft viel von meinem Zeug mit rum.«
Glaubt sie mir? Sie glaubt mir nicht. Oder doch? Ich weiß es nicht. Sie hält mich mit ihrem Blick gefangen, versucht die Wahrheit in mir zu lesen. Hoffentlich bin ich nicht so offen wie Mister Baggys Rückseite beim Tanzen.
»Wie heißt du eigentlich?«, lenkt sie um, obwohl ich es in ihren Augen sehen kann, wie skeptisch sie noch immer ist.
»Mo.«
»Mo?«
»Ja. Mo. Problem damit?« Ich verschränke meine Arme vor der Brust.
»Nein, komm mal runter. Natürlich nicht«, lacht sie. »Ist das eine Kurzform?«
»Ja, aber ich werde Mo genannt«, bleibe ich bestimmt.
»Okay. Alles klar. Verstanden.« Noch immer lachend hebt sie abwehrend ihre Hände und fährt dann damit über ihren Nasenring.
»Und du? Wie heißt du?«, frage ich nun nach.
»Balou.«
»Balu oder Balou?« So oder so wirklich diesen Namen?
»Ja, Balou. Hast du damit ein Problem?«, hakt sie nun nach und muss wieder lachen. »Wollen wir das gleiche Gespräch nur andersherum führen?«, belustigt sie sich.
»Nein. Nein. Ich musste da nur an etwas denken«, gebe ich ehrlich zu und lasse beschämt meine Arme hinunter gleiten.
»Und an was?«
»An Balu.«
»An meinen Namen?« Sie hebt die linke Augenbraue und scheint erneut skeptisch zu sein.
»Nein.«
»Du sprichst in Rätseln, Mädel.« Dennoch schaut sie mich abwartend an.
»An Balu, den Bären«, traue ich mich zu sagen.
»Geht doch«, gibt sie gelassen von sich, als hätte sie nur darauf gewartet, dass ich endlich preisgebe, was mich grübeln lässt. »Meinst du, ich höre das zum ersten Mal?«
»Nee. Stimmt. Ist klar.« Mir geht das ganze Gespräch zu schnell. Ich komme kaum hinterher.
»Soll ich dir nun ein Ständchen singen?«
»Quatsch«, winke ich ab.
»Würde aber passen oder?«
»Wie?« Sie irritiert mich voll.
»Na, hab ich dich nicht vor dem rigorosen Baghira gerettet, mein kleines Mo-glilein?«, fragt sie mit einer gespielten zuckersüßen Stimme.
Geschockt stehe ich da. Unfähig, etwas zu erwidern. Wie ...? Woher ...? Scheiße! Ihr Mund klappt noch weiter auf. Dass das möglich ist, war mir nicht klar, aber es sprudelt zum Glück nichts mehr hinaus, sondern im Gegenteil. Sie schlägt sich selbst ihre Hand davor.
Mein Körper steht unter Strom, ist so angespannt, meine Hände zu Fäusten geballt, meine Nägel krallen sich in die Haut, worüber ich froh bin, da ich mich dadurch noch spüre. Auch wenn es Schmerz ist. Gefühl – gerade Schmerz – ist gleich Ablenkung.
Ich bin so wütend, besonders, dass sich erneut die verräterischen Tränen anbahnen. Immer dann, wenn ich sie überhaupt nicht gebrauchen kann. Blinzeln kann ich vergessen, dann würden sie sich nur lösen. Meinen Blick verschiebe ich. Dicht neben sie auf einen Fleck, den ich mit meinen starren Augen malträtiere.
Sobald ich mich etwas lockern kann, haue ich ab. Aushalten und durchziehen. Dann bin ich weg.
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Egal von welchem Fleck
Fiksi Remaja◦𝗬𝗼𝘂𝗻𝗴 𝗔𝗱𝘂𝗹𝘁◦ Unerwünscht. Einsam. Abgewiesen. Das ist die 17-jährige Mo gewohnt. ›Raus‹ ist eins der geläufigsten Worte in ihrem unsteten Leben. Stück für Stück bröckelt es - in ihr, um sie herum. Alles. Wechsel und Wandel begleiten sie...