51 | Welchem

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Von welchem Stern bist du eigentlich, Mo?

Lass mich doch, wenn es mir Spaß macht, zicke ich gedanklich meine innere Meckerstimme an. Immer nur am meh-meh-meh. Das kann ja jeder.

Ungewollt erinnere ich mich dadurch nicht nur an mich selbst beziehungsweise an diesen einen Anteil meiner Person ... Sondern an so manche aus den Fachkreisen, mit denen ich schon sprach. Meh-meh-meh. Wieder bleibe ich abrupt stehen.

»Das geht nicht, weil ...« oder »Das muss so, weil ...« und noch einiges mehr. Wie soll ich dagegen ankommen? Sie sitzen am vielbesagten und berühmt-berüchtigten längeren Hebel. Ich bin noch nicht einmal volljährig. Dazu habe ich noch nicht mal einen Vormund, doch schon, aber eben nicht hier ... Ich setze mich wieder in Bewegung. Meine Arme baumeln jedoch eher schlaff an meinen Seiten lang.

Mein noch jetziger Vormund ist ganz nice. Oder war es. Koller – Herr Koller natürlich – ist bestimmt auch nicht begeistert, dass ich abgetaucht bin. In den letzten Tagen, die er noch für mich zuständig ist. Ach du Scheiße! Wen ich da alles mit reingezogen habe ...

Zwischen zwei Schritten stocke ich und verharre in der Position. Jetzt habe ich es womöglich noch weiter hinausgezögert, dass die Zuständigkeit wechseln kann. Ich ziehe den einen Fuß zum anderen heran, sodass ich stabiler stehen kann. Oder auch nicht. Schnell sind sie wirklich nicht, was das angeht. Ich kann es einfach nicht wissen ... Ich war ja für nobody zu erreichen. Out of order. Na ja, eher not reachable – bin ja kein Betrieb.

Was in der letzten Zeit bearbeitet und was von welchem Amt zu einer anderen Behörde geschoben wurde, weiß ich nicht. Auch nicht, welche Schritte noch eingeleitet wurden ...

Ob sie alles auf pausiert gestellt haben? Nur auf mich warten, damit sie mich sonst wohin bringen können? Haben sie schon einen neuen Plan für mich? Sodass sie mich egal von welchem Fleck auch immer direkt dorthin bringen lassen können?

Kacke!

Chance, Mut, Hoffnung ... Für den Arsch. Es steht so viel auf der anderen Seite. Meine Fehler. Angst und Zweifel.

Ich drehe mich um. Vor meinem inneren Auge ploppen Gabe, Dilara, Flynn, Bene und Balou auf. Als Einheit. Doch sie machen eine Lücke und winken mich dort hinein. Sie wollen mich, warten auf mich. Etwas abseits – nicht weit – stehen Mark und Anne. Sie winken uns allen zu und klatschen dann. Ihre Aura versprüht Mut und Zuversicht. Die Crew break'n'hut – meine Freunde – kommen zu mir, nehmen mich an die Hand und setzen einen Schritt mit mir nach vorne. Wir bilden ein Band. Hoffnung. Nach vorne. Nicht zurück. Mein Weg. Bei mir bleiben.

Die Sicht vor meinem Auge verschwimmt. Ich blinzele. Das Bild wird blasser, bis es sich auflöst und ich wieder nur die Wohnstraße erblicke. Einzelne Tränen lösen sich, ich lasse sie. Sie haben ihre Berechtigung, wie auch ich meine. Sie müssen raus und dürfen es. Genauso wie ich meine Wünsche haben darf. Rückhalt bekomme ich durch diese wundervollen Menschen. Meine Freunde.

Ganz egal, von welchem Amt ich nun auch welche Hilfe bekommen werde, sollte mich die Jugendhilfe abweisen; welchem Amt ich gegenüber auch was auch immer vorlegen soll. Welchem Menschen gegenüber muss ich denn etwas beweisen? Wer muss sich von diesen Erlebnissen und Erfahrungen wieder aufrappeln? Um wen geht es? Richtig. Es geht um mich und mein Leben.

Ich wende mich wieder meinem Weg zu. Meine Beine bewegen sich von alleine fort. Dieses Mal jedoch nicht à la Autopilot. Nervös bin ich definitiv. Denn ich habe keine Ahnung, was auf mich zukommt, aber ich habe fest vor, meine Anliegen vorzutragen und hoffe, stark – und vor allem standfest – bleiben zu können.

An der nächsten Straße muss ich schräg nach rechts einbiegen. Und dann ist es wirklich nicht mehr weit. Die restlichen Meter versuche ich meinen Kopf auszuschalten, mich nicht mehr in einem Strudel aus Zweifel und Hoffnung wiederzufinden. Ich fokussiere mich auf meine Schritte. Rechts, links, rechts, links, rechts ...

Der gelbliche Vorplatz kommt ins Sichtfeld. Das Gefühl, welches mich unmittelbar bei dem Anblick flutet ... Ich kann es nicht beschreiben. Als würde alles in mir zu Eis erstarren. Ich bin doch vorbereitet. Wieso?

Fu... Oh man. Das Wort ist kacke. Ich will es mir unbedingt mal abgewöhnen. Shit? Ist das besser? Möglich. Zumindest für den Übergang. Ach, kein Plan.

Aber ey. Crazy. Ich bin wirklich da. Scheiße. Mein Blick schweift von den gelblichen Boden hoch.

Da bin ich nun.

Das Eis in mir rebelliert, bricht, zerschellt und die Splitter rammen sich in alles, was sie finden, meinen Magen, die anderen Organe und in meine Haut von innen ... Mir wird warm ... Schweiß. Der Schmerz durch die Stiche lässt nach. Es verflüssigt sich. Die Hoffnung in diesem Fall ein Trugschluss. Denn kurz danach gefriert wieder alles und das Spiel beginnt von Neuem.

Egal von welchem FleckWo Geschichten leben. Entdecke jetzt