Während ich weiter dort oben nach diesem ›etwas Gutes für mich‹ Ausschau halte, lege ich mich auf den Rücken. Mit ineinander verschränkten Armen hinter dem Kopf. Okay. Wie funktioniert das eigentlich genau?
Die meisten – habe ich gehört oder in kitschigen Filmen gesehen – schließen ihre Augen und wünschen sich was. Aber wenn ich jetzt meine Lider runterklappen lasse, sehe ich doch nichts mehr. Also wie soll das gehen?! Bedenkt so was eigentlich je jemand mal mit? Anstatt nur schnulzigen Kram irgendwo miteinzubauen, könnten sie auch mal eine Anleitung beifügen. Vielleicht wissen sie es ja auch nicht und tun nur so als ob. Vielleicht sind wir alle irgendwelche verkappten unglücklichen Leutchens auf diesem Planeten. Hey, dann bin ich wenigstens nicht allein damit. Ist das nicht was Gutes? Na ja ... Wie mans nimmt.
Die Magie der Sterne – wie soll es auch sonst am heutigen Tage sein?! – lässt sich nicht blicken. Nicht für mich. Kann ja dann nicht schaden, mal die Augen zu schließen ...
Und nun? Wünsche ich mir einfach was? Soll ich mir den Himmel vorstellen und es mir herbeisehnen? Aber was? Eigentlich dachte ich, es zeigt sich mir. Einfach nur eine kleine winzige Kleinigkeit. Meine Lider öffnen sich einen Spalt, damit ich hindurch linsen kann, ob sich etwas getan hat. Natürlich nicht. Wie bekloppt bist du eigentlich, Mo?
Also presse ich die Lider erneut fest zu. Es ist ruhig. Es ist ja auch Nacht. Pscht, mache ich gedanklich zu mir selbst. Es ist ruhig, beginne ich von vorne, und versuche, mich auf die Umgebung zu konzentrieren. Das leise Plätschern kann ich hören, das von dem Meer kommt. Wie es an die Mauer des Hafens schwappt und sich dann wieder zurückzieht. Das Meer und der Mond. Der Gute ist dafür zuständig, dass das alles so reibungslos läuft. Um ihm herum die vielen Sterne ... Damit er nicht so alleine ist. Und sicherlich auch wichtig, damit sein Ego nicht zu groß wird. Würde es die Sterne nicht zum Bestaunen geben, würde er alleine dort oben in der Nacht strahlen. Das würde ihm ziemlich sicher einen Ego-Push geben. Demnach wird es schon gut sein, dass er die Sterne an seiner Seite hat.
Wie aufs Kommando und als hätte mich Moon-Man gehört, gibt es ein Zischen – was wahrscheinlich vom Meer oder einem der anliegenden Boote kommt – als Antwort. Das hat ihm wohl nicht gefallen, dass ich ihn durchschaue. Ich lache in mich hinein. In Gedanken hebe ich den Zeigefinger, den ich auf ihn richte. Doch dann entscheide ich um und setze dann zu dem Zwei-Finger-Augen-Move an, wobei ich danach den Zeigefinger auf ihn richte und ihm tief in eins seiner Kraterloch-Augen blicke. Oh man, wie bekloppt.
»Alles okay bei dir?«
Fuck! Schon wieder?! Vollkommen erschrocken reiße ich meine Arme auseinander und setze ich mich blitzschnell auf. Aufgrund des wenigen Lichts brauche ich einen kleinen Moment. Dazu muss ich mich orientieren und herausfinden, aus welcher Richtung die Stimme kam, da ich nicht unbedingt damit gerechnet habe, angesprochen zu werden. Aber es hätte mir ja klar sein müssen, in wessen Gesicht ich schauen werde.
»Was tust du hier, Bag– ähm ... Gabe?«
»Na ja, das Gleiche könnte ich dich auch fragen, oder?«, meint er, ohne auf meinen Verhaspler einzugehen.
»Ähm.« Um ehrlich zu sein, habe ich keinen blassen Schimmer, was ich dazu jetzt sagen soll. Mein Schock verflüchtigt sich zwar, aber anstelle dessen macht sich Nervosität breit. »Jetzt mal im Ernst, warum bist du hier?«
»Ich habe mir Sorgen gemacht.«
»Und dann musst du mich immer so erschrecken?«, ist das Erste, was mir wohl dazu einfällt.
»Sorry. Wollte ich eigentlich nicht, aber du hast so gegrinst und keine Ahnung, ich wusste vielleicht auch nicht, wie ich dich besser ansprechen soll.«
»Hey Mo, nicht erschrecken. Vielleicht so?«, schlage ich vor. Aber wahrscheinlich wäre es auf dasselbe hinausgelaufen.
»Ich meinte doch, es tut mir leid.« Er zeigt neben mich. Das soll wohl eine stumme Frage sein, ob er sich dorthin setzen darf. Ich zucke mit den Schultern, was er als Ja auffasst. »Ist denn so weit alles okay?«, fragt er erneut.
»Oh ja, alles prima«, erwidere ich mit einem überbreiten Grinsen, was eventuell nicht ehrlich ist.
»Sorry.«
»Jetzt hör auf, dich alle paar Worte zu entschuldigen.« Das ist ja schrecklich und macht mir zudem ein fürchterliches Gefühl. »Du hast dir Sorgen gemacht?«, frage ich nach. Erst jetzt dringen diese Worte von ihm bei mir durch.
»Ja, na klar. Unser Gespräch vorhin ...« Er schaut betroffen zu mir auf.
»Kann man ja nicht wirklich ein Gespräch nennen«, versuche ich lustig zu sagen, um es ein wenig aufzulockern, funktioniert wohl nur leider nicht, denn er schaut noch trauriger.
»Ich wollte das so nicht. Das tut mir wirklich leid.«
»Was wolltest du dann damit bezwecken?«, hake ich nach.
»Das Gegenteil. Etwas Gutes. Habs nur echt verkackt. Und falls du es wissen willst, von Balou habe ich schon eine ordentliche Standpauke erhalten«, lässt er mich wissen, wobei seine Mundwinkel etwas nach oben zucken.
Das kann ich mir gut vorstellen, was mich ein wenig grinsen lässt. Dann erschrecke ich über eine Erkenntnis. »Woher weißt du eigentlich, dass ich hier bin?«
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Egal von welchem Fleck
Novela Juvenil◦𝗬𝗼𝘂𝗻𝗴 𝗔𝗱𝘂𝗹𝘁◦ Unerwünscht. Einsam. Abgewiesen. Das ist die 17-jährige Mo gewohnt. ›Raus‹ ist eins der geläufigsten Worte in ihrem unsteten Leben. Stück für Stück bröckelt es - in ihr, um sie herum. Alles. Wechsel und Wandel begleiten sie...