Er schenkt mir einen bedachten Blick, während er genüsslich auf seinen Nudeln kaut. Überlegt er gerade, ob er mir doch den Balsamico überkippen soll?
Als das Lachen langsam abnimmt und sich auch die anderen wieder dem Essen zuwenden, antwortet er jedoch lediglich: »Jap.«
Auch ich schaufel mir die nächste Gabel voll und schiebe sie mir in den Mund. Es ist zwar nun leider etwas kühler geworden. Aber Mann, das tut gut.
»Und wer ist bei euch für die Choreo zuständig?«, frage ich weiter interessiert nach.
»Unsere Mama«, antwortet Dilara. Muss ich sie wirklich jedes Mal fragen, wie sie angesprochen werden will?! Anstrengend!
»Also Balou?« Ich lege meinen Kopf etwas schräg, um Besagte anschauen zu können. »Da hast du dir ja ne Menge Verantwortungen aufgehalst.«
»Vielleicht bekomme ich ja ein wenig Unterstützung«, verlautet sie mit Augenzwinkern.
»Bei der Choreo? Von mir?«
»Warum denn nicht?« Jetzt schaut sie mich auffordernd an. »Meinst du, ich haue Komplimente immer einfach nur so raus?«
»Also das kann ich dir sagen«, Flynn lehnt sich vor, sodass ich ihm beim Sprechen sehen kann, denn er sitzt mit mir auf der gleichen Seite, »Balou ist zwar direkt, aber dabei auch ehrlich.«
»Ja, aber stimmt es denn nicht? Sie hat echt Flow.«
»Ist ja gut, ich habe es verstanden, was du denkst«, antworte ich ihr, bevor wieder irgendeine Lobeshymne entstehen kann. »Aber ich habe das halt so noch nie gemacht«, ergänze ich, wobei ich jedes Wort so dämlich melodisch klingen lasse, als wäre mein Sprechmechanismus kaputt.
»Du bist ja auch nicht allein«, antwortet sie im selben Sprachklang.
»Nur in Gedanken und ... Aber, nee egal. Das ist nicht das Gleiche.« Und es ist albern. Ich winke mit der Hand ab. Balous Mund schnappt auf, doch ich komme ihr zuvor und wende mich an die gesamte Gruppe. »Ich hab ja nun schon ein wenig von euch gesehen, aber wie geht ihr so vor, wenn ihr Choreos zusammen erstellt und wie habt ihr euch eingegroovt und welche Stile mixt ihr vor allem?«
Balou lehnt sich nach hinten in ihren Stuhl. Ja, ja, da kann ich mich sicherlich noch auf eine Rückfrage freuen ... Freuen eher nicht, aber ... Shit happens und so.
»Du meinst, was unser Style ist?«, fragt Dilara. Ich nicke ihr zu und sie scheint zu überlegen.
»Wir haben uns nicht festgelegt. Genauso wenig haben wir uns gesagt, dass wir nun eine Dancecrew sind und nur noch dies oder jenes machen«, beginnt Gabe zu erzählen, wodurch ich überrascht zu ihm schaue.
»Wir bleiben offen. Das ist viel spannender. Manchmal haben wir schon Moves aus ganz anderen Tanzstilen mit eingebaut. Es wird manchmal bestaunt und bejubelt. So lange wir es fühlen, kann es auch bei den anderen ankommen«, erzählt er weiter.
»Wir mixen unseren Style, natürlich hauptsächlich aus dem Hip-Hop und Breakdance. Jeder bringt seinen Stil mit und wir kombinieren das. In der Base treffen wir uns irgendwie. Hat bisher funktioniert.« Gabe zuckt mit den Schultern und lässt sich wieder tiefer in seinen Stuhl fallen.
Von Gabe, dem ich lächelnd zunicke, gucke ich zu Dilara, weil sie vielleicht noch etwas ergänzen möchte. »Hauptsächlich Oldschool Hip-Hop und B-boying oder B-girling – na ja, wir nennen es meistens einfach Breaking. Freezes gehören natürlich auch dazu«, ergänzt sie tatsächlich. »Habe ich was vergessen, Leute?«
»Wie wäre es mit Locking und Popping?«, hakt Flynn ironisch nach.
»Na ja. Ja ... Irgendwie. Wäre gut, wenn wir wenigstens noch jemanden hätten, der das besser beherrschen würde, 'ne?!«, kontert Dilara.
»Äh, wie wäre es mit Mo? Hast du nicht zugeschaut?! Sie lockt ja wohl extrem krass ab!«
Pack ein ›B‹ vor das Verb, das passt auch gut zu mir, schießt mir direkt durch den Schädel.
»Sorry, so war das nicht gemeint, Mo. Ich hoffe, das hast du nicht so–«
»Für mich ist alles cool«, unterbreche ich Dilara, woraufhin ihr gestresstes Gesicht sich wieder erhellt.
»Willst du eigentlich Mo genannt werden? Wurdest du das schon gefragt?«, scheint ihr gerade einzufallen. Aber klar, für sie scheint es ja ein wichtiges Thema zu sein, was uns eint, aber auch nicht auf die gleiche Weise. »Und was ist denn dein Style? Wie Flynn sagt, Locking auf jeden Fall – da hat er endlich mal eine passende Partnerin gefunden –, aber wie würdest du es sonst beschreiben?«
»Definitiv will ich Mo genannt werden. Bitte«, fange ich erst einmal damit an. »Mein Stil ... Puh. Ich ordne mich da irgendwie immer nicht so ein.«
»Ach komm schon«, bittet Bene nun.
»Ich bin eine Freestylerin. Vielleicht habe ich mich deswegen auch noch nie einer Gruppe angeschlossen. Denn ... Wie soll das gehen?«
»So oder so wirst du ja dennoch einen Style haben?«, hakt er nach.
»Okay okay«, ergebe ich mich. »Also ... Ganz klassisch Oldschool Hip-Hop, ja klar. Ein bisschen Popping ist irgendwie auch dabei. Aber das würde ich jetzt nicht als mein Hauptding bezeichnen. Locking definitiv schon. Zum Glück habt ihr das gesehen. Wäre sonst schrecklich peinlich. Ich kombiniere das gerne mit anderem. Aber ich mache vieles eben auch wirklich spontan. Wenn die Musik läuft, fällt mir einfach auch oft aus dem Nichts etwas dazu ein. Wie ihr ja gesehen habt. Den Spaß – deswegen wahrscheinlich auch der Locking-Style – mit reinzubringen, das tut mir gut. Spaß und Freude ist ja generell wichtig. Ich mag aber auch dieses übertriebene Aggro nicht. So ist Hip-Hop und all das auch mal nicht entstanden. Es ging nicht darum, wer den Längsten hat und wer–«
Was ist denn jetzt los? Warum blicken sie mich denn jetzt so schockiert an?
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Egal von welchem Fleck
Teen Fiction◦𝗬𝗼𝘂𝗻𝗴 𝗔𝗱𝘂𝗹𝘁◦ Unerwünscht. Einsam. Abgewiesen. Das ist die 17-jährige Mo gewohnt. ›Raus‹ ist eins der geläufigsten Worte in ihrem unsteten Leben. Stück für Stück bröckelt es - in ihr, um sie herum. Alles. Wechsel und Wandel begleiten sie...