Klopf. Klopf. Klopf.
»Nichts«, prescht Gabe hervor. »Was soll schon los sein?«
Klopf. Klopf. Klopf.
»Es sieht eben nicht nach nichts aus?«, antwortet Balou fragend, nach dem sie erneut dreimal gegen das verfluchte Holz gehämmert hat. Sie fixiert auch mich. Ich bin viel zu kraftlos.
Klopf. Klopf. Klopf.
Boah, das ist so so so ... Es wird mir noch den letzten Nerv rauben! Komischerweise verblasst mit jedem Klopfen der Banner ein wenig mehr vor meinen Augen.
Klopf. Klopf. »Ey, was soll'n ...« Gabe braust an Balou vorbei hinein ins Gebäude, ihr Blick folgt ihm erst, dann ruckt er zu mir. »Möchtest du mich aufklären?«, hakt Balou nach und will schon wieder ansetzen, ans Holz zu klopfen.
Das kann ich nicht zulassen, daher stürme ich trotz geringer Energie die paar Schritte auf sie zu. »Lass uns einfach reingehen«, bitte ich sie mit hoffentlich genügend dazugehörig passender Stimmfarbe.
»Gut.« Sie geht vor und an dem Saal vorbei weiter ins Innere des Treffs. An der Tür zum Saal bleibe ich stehen und blicke rein. Gabe hat wohl direkt die Musik angeschaltet und dabei sein Hirn aus. Das hatte ich nicht gewollt. Ihn derart vor den Kopf zu stoßen, war nicht meine Absicht. Für eine weitere Konfrontation fehlt mir jetzt aber auf jeden Fall die notwendige Energie. Ich lehne mich an den Rahmen und betrachte Baggy dabei, wie er wild und durcheinander – nicht einmal abgestimmt zur Musik – Moves durchführt. Von Top Rockings zu Powermoves und andersherum und auch eine wilde Mischung aus beidem.
Interessant. Vor allem auch wieder seine Ansicht von hinten. Und er fragt sich, wer Baggy ist?!
Ich werde angetippt. Woraufhin ich zusammenzucke und mich ertappt fühle, dabei stehe ich doch nur hier. Ist doch nicht verboten, oder? Ich drehe mich um – zur Person, die mich das ausgelöst hat. Natürlich ist es Balou, die mich jetzt frech angrinst.
Könnt ihr eure Launen mal weniger abwechselnd beibehalten? Puh.
»Komm, ich zeig dir was«, flüstert sie mir zu. Nachdem sie noch mal an mir vorbei zu Baggy schaut, setzt sie sich in Bewegung – mit einem Lächeln, das wissend aussieht. Vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein. Ich folge ihr den Gang entlang, den sie eben schon lang gegangen ist. Der führt offenbar in den offenen Bereich des Jugendtreffs. Mehrere Tische, ein Kicker, eine weitere Theke und die Haupttür nach draußen lassen mich das zumindest erahnen. Links von uns ist noch eine weitere Tür, die Balou öffnet und für mich aufhält.
»Ich hab deine Sachen schon reingestellt«, sagt sie und ich bemerke erst jetzt, dass ich meinen Seesack draußen liegen gelassen habe.
Im nächsten Moment fällt mir auf, was sie gerade gesagt hat. »Wie meinst du das, du hast meine Sachen schon reingestellt?«
Sie geht in den Raum hinein, ich folge ihr und sehe, dass es ein kleiner Raum ist, der sowohl als Lager für Getränke und Sonstiges fungiert als auch ... Ja, was eigentlich? Da steht ein Einzelbett drin. Verwirrt starre ich sie an.
»Du bist müde, ich sehe es dir an«, ist das Einzige, was sie sagt.
»Aber ...« Ja, was aber?
»Der Treff öffnet erst heute Nachmittag«, versucht sie mich zu beruhigen und spielt dabei mal wieder an ihrem Nasenpiercing herum. »Du kannst dich hinlegen oder auch nicht. Du kannst, so lange du hier bist, deine Tasche da drin lassen oder auch nicht.«
Sie streift sich über ihre kurzen dunklen Haare. Ob sie die abrasiert, oder werden die so kurz geschnitten? Voll unwichtig! Und dann sagt sie nichts weiter. Sie dreht sich um und geht. Durch die offene Tür starre ich ihr hinterher. Das geht doch nicht – also mit dem Raum und dem Bett ...
Ich gehe auf die Tür zu, kralle mir die Türklinke, setze nur einen halben Schritt davor und schiele hinaus. Balou ist nicht mehr zu sehen. Dann betrachte ich den offenen Bereich. Alles leer, der Haupteingang ist geschlossen. Auch durch die Tür sehe ich draußen niemanden.
Mein Blick gleitet zurück in den Raum ... Aber ich kann doch nicht ... Doch mein Körper übernimmt schon längst die Entscheidung, bevor mein Hirn es checkt. Meine Hand, die sich an der Türklinke festklammert, zieht sie mit sich und verschließt den Raum von innen.
Ich stehe in einem Lager, worin sich auch ein Bett befindet. Skurril. Es passt gerade so hier rein. Nicht aufgrund der Raumgröße, sondern weil das Lager immens zugestellt ist. Zum Glück gibt es ein Fenster. Zum Glück? Jetzt auch noch Forderungen stellen?
Kopfschüttelnd über mich selbst bewege ich mich vorsichtig auf das Kopfende zu. Dort steht auch mein Seesack. Sachte setze ich mich auf die Matratze. Ich klopfe neben mich und hüpfe leicht. Sie federt, aber ...
Oh Gott, tut das gut.
Vielleicht kurz? Nur mal eben ein bisschen hinlegen ... Dem Körper etwas Gutes tun. Und dann stehe ich gleich wieder auf.
Ich schlüpfe aus meinen Schuhen und hebe schwerfällig meine Beine an, um sie auf das Bett zu legen. Der Tag – was denke ich da? Die letzten Tage und Nächte waren anstrengend und haben an meinen Kräften gezerrt. Unter mir liegt eine Wolldecke. Vielleicht? Nur für eine ganz kurze Zeit ...
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Egal von welchem Fleck
Teen Fiction◦𝗬𝗼𝘂𝗻𝗴 𝗔𝗱𝘂𝗹𝘁◦ Unerwünscht. Einsam. Abgewiesen. Das ist die 17-jährige Mo gewohnt. ›Raus‹ ist eins der geläufigsten Worte in ihrem unsteten Leben. Stück für Stück bröckelt es - in ihr, um sie herum. Alles. Wechsel und Wandel begleiten sie...