Baggy ist beinahe zeitgleich mit seinem ›Was‹ aufgesprungen. Das hat ihn wohl erschüttert. »Du hast doch letzte Nacht erzählt, dass du da raus bist, weil–«
»Ich weiß, was ich gesagt habe«, unterbreche ich ihn mal wieder und drehe meinen Po so, dass ich in seine Richtung sitze. »Und ich habe nicht absichtlich gelogen, falls du das jetzt denkst«, schiebe ich schnell hinterher. Ich krieche mit meinem Hinterteil über das Plateau, um mich auch hinzustellen. Vor ihm. »Es ist nur ... Ich habe es bisher, also bis eben, vor mir selbst noch nicht so gesehen; eher nicht wahrhaben wollen wahrscheinlich«, sage ich und breite dabei meine Arme aus, als würde ich etwas präsentieren. Nur ist da nichts.
»Und was siehst du da jetzt?«, hakt er nach und zeigt auf das Fleckchen, das ich präsentiert habe.
»Wie man es nimmt. Es ist grau und steinig«, erwidere ich schmunzelnd.
»Hä?«
Oh gut, er ist auch mal irritiert, weswegen ich anfangen muss zu lachen. Ich gebe ihm ein überdeutliches Zeichen, indem ich meinen Kopf in die gleiche Richtung noch mal überschwänglich nicken lasse. Auf den Boden.
»Okay, das war gut«, gibt er zu. »Aber im Ernst, was siehst du jetzt anders?«, formuliert er die Frage um.
»Um ehrlich zu sein einiges. Also, was Axel angeht. Er war die drei Wochen echt lieb und ich habe ihn nicht ausreden lassen. Ich kann gar nicht wissen, was er wirklich wollte. Wir müssen reden, sagte er. Boah, das hat was ausgelöst. Wie oft ich diesen Satz schon gehört habe ...«
»Was war dann?«
»Ich habe ihn gleich mit einem Vorwurf attackiert. Dass sie mich loswerden wollen. Weil na ja, so war es sonst, weißt du? Das habe ich aber nicht so lieb daher geblubbert wie jetzt gerade ...«
»Was hat er dann gesagt?«
»Dass sie das ganz sicher nicht wollen, aber. Allein dieses ›aber‹ hat schon ausgereicht, dass es mir reichte. Jedoch habe ich ihn nach ›aber vielleicht wäre es gut, wenn‹ unterbrochen. Da konnte ich nicht mehr an mich halten. Und schmiss mit dem nächsten Vorwurf um mich. Dass ich Lügen nicht ausstehen kann.«
Aufgrund der Erinnerung, wie ich mich aufgeführt habe, schwankt es um mich herum bedrohlich. Ich torkele nach hinten und lasse mich auf den Hintern fallen. Dann vergrabe ich mein Gesicht in den Händen. Oh man.
»Selbsterfüllende Prophezeiung oder wie auch immer man das nennt, stimmts?«, nuschele ich hervor.
»Ja, heißt so. Aber du hast ja auch deine Gründe, warum du das alles so angenommen hast. Auch wenn ich das niemals nachempfinden werde können, kann ich es verstehen.«
»Echt?« Perplex luge ich zwischen meinen Fingern zu ihm vor.
»Ja, echt.«
»Was soll ich jetzt machen?« Ich räuspere mich verlegen, weil ich das gar nicht laut aussprechen wollte. Shit. Peinlich.
»Hattest du einen Plan?«
»Ist nicht mehr lange hin, bis ich achtzehn werde. So lange durchhalten.« Aber mittlerweile kommt es mir doch ziemlich lange vor. Die letzten Tage haben mir schon gereicht.
»Klingt nach einem super ausgereiften Plan«, äußert er äußerst charmant. In einem Ton, den ich wohl nicht unbedingt ernst zu nehmen brauche.
»Danke«, entgegne ich mehr tonlos als belustigt.
»Hast du vor hierzubleiben?«
»Du meinst hier in der Stadt?«, frage ich nach und er nickt. »Ja, ich will nicht immer weiter und weiter und weiter. Ich will nicht mehr suchen.«
»Willst du noch immer tanzen?«
»Klar.«
»In einer Crew?«
»Schon irgendwie, aber–«
»Nichts aber«, unterbricht er mich dieses Mal. »Also?«
Ich zucke mit den Schultern.
»Ja oder Nein?«, fragt er, wobei er mich anlächelt. Ich glaube, er will mir Mut schenken, um das zu antworten, was ich möchte. Doch es gibt ein ›aber‹. Das weiß er, das weiß ich.
»Trau dich. Steh für dich ein.«
Nach weiteren sicherlich fünf Minuten, in denen wir uns anblicken und ich immer wieder versuche, eine Antwort herauszubringen, schließe ich meine Augen, horche in mich hinein und antworte, was mein Inneres mir mitgibt. »Ja, ich will in einer Crew tanzen.«
»Bei uns in der Crew?«
»Natürlich.«
»Weil wir die besten und coolsten sind?«
»Baggy?!« Mahnend hebe ich den Zeigefinger. Langsam halte ich es nicht mehr aus. Seine Fragerei macht mich rasend, insbesondere, da ich weiß, dass noch etwas kommen wird.
»Okay, gut, du hast recht«, sagt er lächelnd. »Wie wäre es mit einem weiteren Deal?«, fragt er und schaut mich nun erwartungsvoll an.
Es ist dieser Blick, den sowohl er als auch ich drauf haben. Wenn wir etwas wollen, dann geben wir da Energie rein. Überzeugungskraft, Willensstärke und alles, was wir nur können.
Aber um was für ein Deal geht es hier; was führt er im Schilde?
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Egal von welchem Fleck
Teen Fiction◦𝗬𝗼𝘂𝗻𝗴 𝗔𝗱𝘂𝗹𝘁◦ Unerwünscht. Einsam. Abgewiesen. Das ist die 17-jährige Mo gewohnt. ›Raus‹ ist eins der geläufigsten Worte in ihrem unsteten Leben. Stück für Stück bröckelt es - in ihr, um sie herum. Alles. Wechsel und Wandel begleiten sie...