»Klopf, klopf«, dringt zu mir durch – oder träume ich? Träumen ... Oh nein! Shit. Stimmt: Der Raum, das Bett, die Decke ... Ich habe mich hingelegt ... Schnurstracks reiße ich meine Augen auf und werfe die Decke von mir. Kerzengerade mit pochendem Herzen sitze ich auf dem Bett. Eingeschlafen. Ich bin es doch. Wie lange?
»Klopf. Klopf«, wird erneut gerufen und gleichzeitig im selben Rhythmus gegen die Tür gehämmert. Es weckt direkt die Erinnerungen an Balous entsetzlich schreckliches Hämmern an dem Holzrahmen. Ob sie das wohl mit Absicht gemacht hat? Auch wenn ich die Leute hier noch nicht wirklich kenne, kann ich es mir irgendwie vorstellen. Alles hat ja irgendwie eine Bedeutung.
»Mo? Bist du da noch drin?«
Warte. Das ist nicht Balou. Es klingt nach ... Oh Gott. Es ist Baggy.
»Ich komme jetzt rein, also bitte nicht erschrecken.«
Wie witzig, was wäre, wenn ich noch schlafen würde oder wenn ich Kopfhörer aufhätte? Wenn ich ihn einfach nicht gehört hätte?
Er wartet wahrscheinlich aus Anstand noch weitere Sekunden ab, während ich auf diese blöde Tür starre, bis er sie dann mal öffnet. Und dann schiebt er sie einen Spalt auf und seine Kringellocken lugen hervor.
»Du bist also wach«, beginnt er grinsend und kommt ganz hinein. »Warum hast du nichts gesagt?«
Ich zucke nur mit den Schultern. Wird wohl eine neue Angewohnheit in seiner Anwesenheit. Irgendwann verrenke ich sie mir noch. Das wäre komisch beim Arzt. ›Wie ist das passiert?‹ ›Halten Sie sich mal länger in der Nähe von Baggy auf.‹ Und schon wieder zucke ich mit den Schultern.
»Ist alles in Ordnung so weit bei dir?«, fragt er nun.
»Klar. Passt schon«, antworte ich. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung; bin doch gerade erst aufgewacht. Aber ... »Und bei dir?«, hake ich nach, weil mir mein erwachender Verstand unser Auseinanderdriften präsentiert. Nervös nestle ich an der Wolldecke herum, die es nicht weit von mir weggeschafft hat.
»Um mich mach dir mal keine Gedanken.«
»Also alles okay?« Und mit der Frage meine ich so viel mehr und irgendwie hoffe ich, dass er die Bedeutung darum versteht.
»Ja.« Ein einzelnes Wort, was manchmal viel mehr aussagt, aber jetzt gerade weiß ich damit nicht viel anzufangen. »Der Treff wird gleich geöffnet«, fügt er an.
»Ist okay. Ich ziehe mir nur die Schuhe an und komme dann nach vorne.«
Er nickt mir zu und lässt mich wieder alleine. Durch die nun geöffnete Tür kann ich draußen Gewusel hören. Ich hoffe nur, dass noch keine Mitarbeitenden da sind. Wie oberhammermegapeinlich wäre das denn?! Eilig ziehe ich mir die Schuhe an, mache das Bett so ordentlich wie möglich und schnappe mir meinen Seesack, um den Raum möglichst so zu verlassen, wie ich ihn betreten habe. Mit gebückter Haltung trete ich den Gang an. Doch zu meiner Überraschung sind es keine Mitarbeitenden, die hier rumwuseln, sondern kommt es von der Tanzgruppe. Die haben hier offenbar echt eine freie Hand.
»Hey Mo!«, werde ich von ihnen fröhlich begrüßt, als ich am Saal eigentlich vorbeigehen will. Doch nun haben sie mich erblickt. Und im nächsten Augenblick werde ich befragt.
»Tanzt du heute vor?«
»Ja, ist es so?«
»Machen wir eine Art Casting?«
Oh je. Diese freudige Stimmung der Leute will ich nur ungern bremsen. Aber so war das nicht geplant. »Ähm ...«, kommt aus mir heraus. Ja, was soll ich dazu sagen?
»Lasst sie doch erst einmal ankommen, Leute«, rettet mich Gabe und mir kommt die Frage auf, ob die anderen gar nicht wissen, dass ich die letzten Stunden – oder wie lange auch immer – schon hier, nur in einem anderen Raum war.
»Genau, lasst uns mal eine Pause machen«, pflichtet ihm Balou bei.
Oh man. Habe ich so tief geschlafen, dass ich ein Teil von deren Training nicht mitbekommen habe?
»Wollen wir ein bisschen raus an die frische Luft?«, fragt mich Gabe mit bedeutungsvoller Stimme.
»Gern, aber erst mal muss ich echt dringend auf die Toilette.«
Er muss anfangen zu lachen, zeigt mir dann aber den Weg. Gott sei Dank. Endlich! Der Zeitpunkt, wenn man sich selbst kaum noch ertragen kann, war bereits überschritten. Ich putze mir die Zähne, wasche mich notdürftig und ziehe mich um. Ich fühle mich minimal besser; zumindest riechbar.
Ich bin Gabe alias Baggy dankbar für die kleine Rettung eben, aber irgendetwas sagt mir, dass das nicht nur Small Talk werden wird und über die Bedeutung dessen, was auf mich zukommen wird, habe ich keinen blassen Schimmer. Durch den Hinterausgang kann ich ihn schon erkennen. Er hockt an der Stelle, an der sein ...
Ich trete zu ihm. »Wollen wir uns auf die Rampe setzen?«, frage ich ihn, weil mir hier an dieser Stelle mulmig wird.
»Klar.« Er schwingt sich hoch und ich tue es ihm gleich. Er schaut wieder in die Ferne und doch spüre ich, dass er etwas ansprechen will.
»Nun sag schon«, fordere ich ihn auf.
»Bist du bereit?«, fragt er mich und schaut mir dabei ins Gesicht.
»Wofür?«
»Für ein Vortanzen unserer Gruppe.«
»Ich weiß nicht. Ja und Nein?«, antworte ich, wobei ich immer leiser werde und meinen Kopf sinken lasse. Als ich hochschaue, blicken mir zwei erwartungsvolle blaue Augen entgegen, als würde er auf mehr warten. »Eigentlich schon. Doch ... Es ist nicht so einfach.«
»Weißt du noch: die Frage um die Bedeutung von break'n'hut?«
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Egal von welchem Fleck
Teen Fiction◦𝗬𝗼𝘂𝗻𝗴 𝗔𝗱𝘂𝗹𝘁◦ Unerwünscht. Einsam. Abgewiesen. Das ist die 17-jährige Mo gewohnt. ›Raus‹ ist eins der geläufigsten Worte in ihrem unsteten Leben. Stück für Stück bröckelt es - in ihr, um sie herum. Alles. Wechsel und Wandel begleiten sie...