Kapitel 17

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„Wie findest du das Lied?", fragte ich Alec, während ich den leisen Klängen des Klavierspiels lauschte, das aus den Lautsprechern in Alecs Zimmer dröhnte. Meine Stimme war leise, während meine Brust sich leicht unter meinen Atemzügen hob und senkte. Alecs Kopf bewegte sich jedes Mal mit mir mit, was mich zum Lächeln brachte. Sein Kopf ruhte sanft auf meiner Brust; seine Augen waren geschlossen und seine Hand hatte er fest um meinen Oberkörper geschlungen. Gänsehaut hatte sich jedes Mal wieder aufs Neue bei jeder einzelner seiner Berührungen auf meiner Haut ausgebreitet; ein Gefühl, dass ich sonst nur wahrnahm, wenn ich fror, nicht aber, weil ein hübscher Jüngling die Nacht auf meinem Schoß verbrachte. Solche Nächte hatte ich schon unzählige Male erlebt, nicht jedoch diese Gefühle, die meinem Herzen entsprungen und durch meinen gesamten Körper gedrungen waren.

„Es ist schön.", flüsterte er kaum merklich und wandte seinen Kopf so, dass er mich ansehen konnte. Ich lächelte und strich mit der flachen Hand sanft durch seine pechschwarzen Haare. Dieser Junge schien sich seiner Attraktivität überhaupt nicht bewusst zu sein. Er wirkte so schüchtern, so unerfahren – was unglaublich reizvoll war – doch absolut nicht zu ihm und seinem Äußeren passte. Mit diesem Gesicht und vor allen Dingen diesen Augen hätte er mit hoher Wahrscheinlichkeit ein ganzes Heer auf einmal bezirzen können. „Schwarze Haare und blaue Augen sind meine Lieblingskombination.", raunte ich ihm entgegen, ließ meine Blicke über sein Gesicht; seinen Hals, seinen Schlüsselbeinknochen, der teilweise aus dem weiten Kragen seines verrutschten T-Shirts herauslugte, streifen und sehnte mich danach, ihn zu berühren; ihm so nahe zu sein, wie ihm zuvor noch kein anderer nahe gewesen war. „Achja?", fragte er darauf hin, beinahe ungläubig und runzelte die Stirn. „Warst du denn schon mit vielen .... ähm... Männern zusammen die schwarze Haare und so hatten?" Dieses Thema. Die Ex-Freunde und in meinem Fall auch Ex-Freundinnen. Für gewöhnlich vermied ich es, mit neuen Affären über vergangene Liebschaften zu sprechen, doch in diesem Fall war es ganz anders. Alec war keine Liebschaft, er war kein dahergelaufener Typ, den ich in einer Bar aufgerissen hatte. Abgesehen davon wollte ich nicht, dass er schlecht über mich dachte. Natürlich, ich war mehrere Jahrhunderte alt, hatte also bereits wahrlich genug Zeit gehabt, eine Beziehung nach der anderen zu führen; Liebschaften zu unterhalten, mich in gefährliche Affären zu stürzen, doch trotzdem wollte ich Alec nicht das Gefühl vermitteln, er wäre nur einer von vielen. Denn das war er nicht. Das war er ganz und gar nicht.

Also zuckte ich mit den Schultern, versuchte das Thema gleichgültig abzutun. „Spielt das denn eine Rolle?" Alec jedoch seufzte leise in sich hinein und schloss die Augen. Kein Wort glitt über seine Lippen, was mich etwas stutzig werden ließ. Hatte ich ihm durch meine Worte womöglich genau das vermittelt, was ich hatte vermeiden wollen? „Für mich jedenfalls spielt das keine Rolle Alec. Sonst wäre ich jetzt nicht hier und würde mich vor deinen neugierigen Nephilimfreunden verstecken.", stellte ich klar und erinnerte mich selbst an die verfahrene Situation, in der wir gelandet waren. Schön, der Rat bevorzugte heterosexuelle Beziehungen. Damit konnte ich leben. Ich konnte auch damit leben, dass Alec noch nicht bereit dazu war, es an die große Glocke zu hängen; sich seinen Eltern oder dem Rat zu offenbaren. Doch womit ich, ob ich es nun wollte oder nicht, tatsächlich ein Problem hatte war die Tatsache, dass ich das Gefühl nicht los wurde, dass es nur einen einzigen Grund gab, weshalb er Jace weiterhin im Dunkeln ließ; weshalb er sich weigerte, ihm die Wahrheit zu sagen. Er liebte ihn. Liebte ihn noch immer.

„Weißt du ... ich würde es ihnen gerne sagen.", flüsterte er leise und drehte sich auf den Rücken. „Aber wenn ich das tue ... muss ich mir auch erst sicher sein das ..." Er brach mitten im Satz ab und stockte. Sicher sein? Sicher sein über was? Das er eben nicht nur eine Affäre war? Eine Liebschaft, die ich mir in einem Club angelacht hatte, für eine Nacht mit nach Hause nahm und am nächsten Morgen wieder vor die Tür setzte? Oder wollte er sich erst seiner Gefühle sicher sein? Herausfinden, was er noch für Jace empfand, und welche Gefühle seines Herzens für mich noch übrig blieben, wenn Jace bereits sämtliche davon eingenommen hatte? „Ist schon okay.", sagte ich dann und platzierte meine Hand ganz sachte auf der erhitzten Haut seiner Wange. „Du musst dich jetzt für nichts entscheiden." Und das war die Wahrheit. Ich würde ihm seinen Freiraum lassen; würde ihn zu mir kommen lassen; sobald er bereit dazu war. Auch ich musste mich nicht entscheiden. Jedem von uns standen sämtliche Türen offen, ich hoffte nur, dass wir beide durch die Richtige hindurch gehen würden.

When Worlds Collide | Magnus BaneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt