Kapitel 29

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Ich machte drei Kreuze, als ich endlich mein Loft erreicht hatte. Dieser Blondschopf mochte ja dünn und schlaksig aussehen, doch leicht fühlte sich anders an. Sein Körper bestand lediglich aus Muskeln und Muskeln waren ja bekanntlich schwerer als Fett.

Mit Hilfe meiner Magie wuchtete ich ihn auf das Bett im Gästezimmer, welches ich anschließend natürlich neu beziehen müsste und kümmerte mich um meine Tinkturen und Tränke. Ich hoffte inständig, dass das Gift noch nicht zu weit in seinen Blutkreislauf vorgedrungen war. Wenn das der Fall war, wäre jede Hilfe zu spät. Dann würde auch meine Macht nicht mehr viel ausrichten könnten.

Vorsichtig breitete ich meine Hände flach über seinem Körper aus und ließ sie schwebend über ihn gleiten. Ich konnte das Gift spüren, dass durch seine Adern pumpte; dass in seinem Blutkreislauf pochte und sich regelrecht durch seinen Körper fraß. Es würde eine Weile dauern, bis er wieder vollständig genesen war, doch es bestand noch Hoffnung. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich mein Schlafzimmer in einen funkensprühenden Schatten meiner Selbst verwandelt.

Nachdem ich Jace die Tinkturen eingeflößt hatte, ließ ich meinen Zauber auf ihn wirken, so wie ich es damals bei Alec getan hatte, als er im Sterben lag, verwundet durch einen Dämon. Ich spürte die Macht, die von Yanlous Gift ausging. Das Gift war stark, ebenso wie er selbst. Es wehrte sich dagegen, aus Jaces Körper, aus seinem neu gefundenen Wirt vertrieben zu werden. Ich konnte nicht anders, als mich an Jem zu erinnern, der so sehr unter diesen Gift gelitten hatte. Nicht nur einmal, sondern sein Leben lang. Auch wenn ich diesen arroganten Blondschopf nicht gerade mochte, konnte ich Alec ein Leben in Leid und Trauer nicht antun. Ich musste versuchen, ihn zu retten; ihn von diesem Gift zu befreien, koste es was es wolle.

Nachdem ich all mein Möglichstes getan hatte, um Jace von Yanlous Gift zu befreien, hatte ich mich ausgelaugt auf einem Stuhl neben seinem auf meinem Bett liegenden leblosen Körper niedergelassen. Seine Atmung ging ganz ruhig, sein Herz schlug ebenfalls ganz normal. Bisher sah es ganz gut aus. Jetzt mussten wir nur noch abwarten, bis er wieder aufwachte.

„Daniel ich hab hier deinen Freund!" Eine Stimme erklang, die ich immer und überall erkennen würde. Mein alter Freund Ragnor. Er hatte überlebt. Und Alec scheinbar auch. Ein Stein so schwer wie der Mount Everest fiel von meinem Herzen ab. Die Tür zu meiner Wohnung wurde geräuschvoll zugeschlagen. Ich gähnte, fuhr mir müde durch meine Haare und anschließend durch mein Gesicht und begab mich dann zu meinem alten Freund, der mit einem für ihn typischen Grinsen neben Alec in meinem Wohnzimmer stand. „Ich hab dir schon mal gesagt du sollst diese Daniel Sache vergessen.", brummte ich genervt und ließ meine Blicke von Ragnor, der offensichtlich keinen Kratzer davon getragen hatte, zu Alec wandern, der, im Gegensatz zu meinem alten, grünen Freund, einige Wunden und blaue Flecke aus dem Kampf davon getragen hatte. „Alexander.", stellte ich erleichtert mit ruhiger Stimme fest. „Wie geht es Jace?", wollte Alec wissen. Seine Stimme zitterte, seine Augen wirkten beinahe panisch. Müde rieb ich meine Hände aneinander und gähnte leise.  „Besser. Es hat mich einiges an Kraft und Mühe gekostet aber sein Zustand ist stabil. Das Gift ist nicht mehr länger in seinem Blutkreislauf und er schläft. In ein paar Tagen sollte er wieder genauso nervig sein wie zuvor." Innerhalb weniger Sekunden waren seine beinahe versteinerten Züge etwas weicher geworden. Offensichtlich war er in Erwartung schlechter Neuigkeiten hierher gekommen, was mir einen leichten Schlag versetzte, immerhin bedeutete dies nichts anderes, als dass er meine Macht in Frage stellte. Doch womöglich war es auch einfach nur die Aufregung gewesen, die Angst, einen geliebten Menschen durch die Hand eines Dämons zu verlieren. Eine Angst, die ich nur zu gut nachvollziehen konnte.

Ragnor, der sich unbekümmert aus seinem Mantel befreit und ihn einfach zu Boden fallen gelassen hatte, hatte es sich zwischenzeitlich auf meinem Sofa bequem gemacht; die Füße auf meinem Tisch, der mich einige tausend Dollar gekostet hatte. „Gibts hier eigentlich Kabel?" Entnervt verdrehte ich die Augen. „Ragnor... auch wenn ich deine Unterstützung zu schätzen weiß, möchtest du nicht lieber den Abend bei Caterina verbringen?" Nicht, dass ich seine Anwesenheit nicht wertschätzte. Immerhin war es auch schon eine Weile her, seit wir uns das letzte Mal gesehen und uns richtig unterhalten hatten. Doch im Augenblick war ich zu müde, um mich mit seinen dämlichen Kommentaren und nervigen Sticheleien herumzuschlagen. Ich war einfach zu ausgelaugt, zu geschafft, um sein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit zu stillen. „Caterina arbeitet und ich dachte ich leiste dir etwas Gesellschaft oder..." Prüfend schaute er erst mich, dann Alec an und hob fragend eine Augenbraue. „Willst du mit dem Lightwood Spross alleine sein? Ich dachte übrigens wir hatten ausgemacht keine Minderjährigen mehr." Alec brummte und verschränkte leicht geknickt die Arme vor der Brust. So jung wirkte er doch gar nicht, oder etwa doch? „Ich bin achtzehn.", verteidigte sich Alec und funkelte Ragnor an mit seinen strahlend blauen Augen. Doch Ragnor schüttelte den Kopf. „Achtzehn und so unschuldig. Magnus du bist wirklich ekelhaft...der arme Junge."

Genervt schlug ich die Hände über dem Kopf zusammen. „Wieso hat Yanlou nicht mich gebissen?" Ich seufzte und schüttelte den Kopf. „Ich dachte Raphael Santiago macht Witze als er mir erzählte dass du was mit diesem Lightwood hast... ich dachte du denkst dass die Lightwoods gehirnamputierte, intolerante Idioten sind? Zumindest hast du das vor nicht all zu langer Zeit noch gesagt." Ich warf einen kurzen Blick zu Alec, der stirnrunzelnd und leicht verwirrt drein blickte. Konnte dieses Waschweib nicht endlich mal seine Klappe halten? Wollte er mir tatsächlich auch noch den letzten Funken Freude nehmen, der ich derzeit in meinem endlosen Leben hatte?  Wieder rollte ich mit den Augen und machte mich auf den Weg in die Küche. „Raphael Santiago ist ein Waschweib." Genau wie du, fügte ich in Gedanken hinzu.  „Wusstest du dass er so über euch denkt? Ach und übrigens... wusstest du das er schonmal beim Ballett war? Peinliche Geschichte kann ich dir sagen... ein Tutu ist nun wirklich etwas sehr Spezielles.", hörte ich ich ihn ihm angrenzenden Zimmer weiter und weiter erzählen. Am liebsten hätte ich ihm die Zunge aus seinem Hals gerissen. „Ragnor!", brüllte ich ermahnend aus der Küche, begab mich in den Türrahmen und bedachte meinen alten grünen Freund mit warnenden Blicken. Wenn er nicht gleich seine vorlaute Klappe hielt, würde ich ihn wohl hochkant aus meiner Wohnung werfen müssen. Und zwar mit einem kräftigen Tritt in seinen knochigen Hintern. „Geh zu Catarina! Jetzt!" Wenn er wusste was gut für ihn war, würde er sich ganz einfach umdrehen und verschwinden.  „Ist ja schon gut... ich will eure traute Zweisamkeit nicht zerstören... ach und seit nicht zu laut bevor der arme bewusstlose Dödel da im Gästezimmer wach wird. Obwohl... wenn er wach wird, kannst du ihm ja meine Nummer geben." Ragnor grinste sein Grinsen und verschwand ohne ein weiteres Wort des Abschiedes aus meiner Wohnung. Endlich.

Während Ragnor meine Wohnung verließ, hatte ich mich neuerlich umgedreht und war zurück in der Küche verschwunden. Alec war mir lautlos gefolgt und stand nun ihm Türrahmen zur Küche hin und lehnte sich mit der Schulter gegen das Holz. Ich machte es mir und meinen müden Knochen auf einem der Stühle bequem und fixierte Alec mit meinen Blicken. Getrocknetes Blut klebte an seiner Haut, seine Haare waren noch zerzauster als sonst und jede Menge Kratzer zogen sich über Gesicht und Arme. Seine Kleidung war zerrissen und strotzte nur so vor Dreck. „Tut mir Leid ...", entschuldigte ich mich für meinen alten Freund. Doch Alec schüttelte lediglich mit dem Kopf. „Schon...okay. Denke ich jedenfalls." Beinahe desinteressiert zuckte er mit den Schultern und rubbelte sich über seinen verletzten Arm. „Vielleicht sollte ich besser nach Hause gehen. Ich bin voller Dreck und Staub und Blut und..." Ohne ein Wort erhob ich mich wieder von meinem Küchenstuhl. „Du kannst meine Dusche benutzen wenn du darauf hinaus willst.", bot ich ihm an und erwiderte ein Lächeln, dass sich ganz zaghaft auf seiner aufgeplatzten Lippen gebildet hatte. Wieder schüttelte Alec den Kopf. „Nein ich glaube das ist keine gute Idee..."

Ich machte zwei große Schritte auf Alec zu und stand nun direkt vor ihm.  „Wegen Jace?", fragte ich, beinahe traurig über seine Reaktion, nicht hier bei mir bleiben zu wollen. „Äh nein... also meine Eltern und... und Izzy." Ich kannte ihn zwischenzeitlich so gut um zu wissen, dass er nicht die Wahrheit sagte. Er hatte gelogen, hatte seine eigentlichen Gefühle vor mir verborgen, nur um mich nicht verletzen zu wollen. Der einzige Grund weshalb er nicht hier bleiben wollte, war Jace. Egal was er mir mit seinen Worten versuchte weiß zu machen. Immerhin war ich nicht von Gestern. „Deine Eltern sind im Institut genau wie Isabelle und die anderen. Hodge hat mir bereits eine Nachricht geschickt das alle wohlauf sind. Ich habe ihn wissen lassen das Ragnor Fell sich um dich und deine Verletzungen kümmert, deshalb wird dich niemand vor Sonnenaufgang zurück erwarten."

„Hm... okay aber....Jace...." Seinen Stimme begann zu Zittern bei seinen letzten Worten. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seinen Arm. „Ist erstmal im Land der Träume bis mindestens Morgen... eher länger. Sein Körper muss sich erholen genau wie deiner." Alec schaute an sich herab. „Vielleicht hast du Recht...ich ähm... ich werde dann mal." Alec deutete in Richtung Badezimmer. Ich nickte und schenkte ihm ein zaghaftes, erfreutes Lächeln. „Ich bin froh das du wohl auf bist Alexander.", sagte ich und meinte es vollkommen Ernst. Ich hätte es nicht ertragen können, wenn ihm etwas zugestoßen wäre. „Aber Elijah....", begann er und stockte. „... ist nicht aufgetaucht ich weiß.", beendete ich seinen Satz. „Um ihn kümmere ich mich persönlich. Jetzt geh duschen und dann komm zurück ins Wohnzimmer. Ich werde mir deine Wunden ansehen." Seine Mundwinkel kräuselten sich zu einem sanften Lächeln. „Ich dachte du bist so müde.", sagte er schmunzelnd und ich erwiderte sein Grinsen. „Dafür reicht die Kraft noch Alexander, dafür ganz bestimmt."

When Worlds Collide | Magnus BaneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt