Kapitel 1

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Natürlich hatte ich nicht lange gefackelt, als die attraktive junge Frau mit ihren langen schwarzen Haaren nach mir rufen ließ. Für gewöhnlich hielt ich mich aus den Machenschaften der Schattenjäger raus, doch als sie ihn erwähnte, den Jungen mit den schwarzen Haaren und den blauen Augen, konnte ich nicht widerstehen. Wieder einmal hatte es einen Dämonenangriff gegeben. Abbadon. Ein grässlicher Dämon mit einem noch grässlicheren Erscheinungsbild. Sein Fleisch war bleifarben; schwarze, rissige Knochen ragten aus sämtlichen Poren seiner Haut heraus. Seine Arme waren dünn und mit triefenden, eiternden Wunden überzogen. Mit seinen 2,75 m gehörte er mit Abstand zu den größten Dämonen. Kein Freund von mir, allerdings auch kein Feind. Ich bezeichnete mich immer gerne als die Schweiz, neutral und unparteiisch. Wäre da nicht Alexander Lightwood gewesen. Der Junge mit den blauen Augen.

Sein Körper war schwer verletzt. Schürfwunden zogen sich über seinen gesamten Körper. Seine blasse Haut war überzogen von blutigen, aufgeplatzten Wunden, dunklen Flecken und schmerzhaften Prellungen. Es hatte mich ein paar Stunden sowie einiges an Magie gekostet, ihn wieder auf die Beine zu bekommen. Und nun saß ich hier, im New Yorker Institut der Nephilim und wartete darauf, dass der Schattenjäger endlich aufwachte. Izzy, die junge Frau mit den langen, schwarzen Haaren saß mir gegenüber und musterte mich mit ein paar skeptischen Blicken. Sie wirkte viel älter, als sie tatsächlich war. „Möchtest du nicht langsam mal gehen?", fragte sie herausfordernd, ihre schlanken Beine übereinander geschlagen, ihre Hände auf den Lehnen des Stuhls abgelegt. Meine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. Ich mochte sie. Sie erinnerte mich ein kleines bisschen an Camille. Zumindest verfügte auch sie über diese schlagfertige, forsche Art, die ich an Camille immer sehr geschätzt hatte. „Ohne mich nach meinem Patienten zu erkundigen?", fragte ich und hob eine Augenbraue. „Wohl kaum. Und wo wir gerade davon sprechen, ich sollte vielleicht noch einmal nach Alexander sehen." Izzy stieß ein leises Knurren aus, jedoch laut genug, dass ich es deutlich hören konnte. Mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen erhob ich mich von dem weichen Ledersessel, strich meinen schwarzen Mantel glatt und machte mich auf den Weg in den ersten Stock.

Ich hörte gedämpfte Stimmen hinter der Tür. Langsam legte ich meine behandschuhte Hand auf den Türgriff und öffnete die Tür. Ich betrat den nur spärlich beleuchteten Raum und ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen; nicht ganz so geräuschlos, wie ich geplant hatte. „Wenn man vom Teufel spricht." Mit langsamen Schritten begab ich mich ein Stück weiter in den Raum hinein. „Hexenmeister, nicht Teufel.", erwiderte ich, ignorierte den blonden Burschen zu meiner Rechten und trat unmittelbar an Alecs Bett heran. Er wirkte müde, doch er war endlich aufgewacht. Ich hatte schon befürchtet, dass meine Zauber nicht gewirkt hatten. „Ist doch fast dasselbe.", brummte Jace entnervt vor sich hin und wandte sich wieder an Alec. „Ich muss los, ich hab noch was zu erledigen. Du bist ja jetzt in besten Händen. Ich sag Izzy Bescheid, dass du wach bist." Unbeholfen klopfte er seinem Bruder auf die Schulter und verließ dann, dümmlich vor sich hin grinsend, Alec's Zimmer. Es wurde auch langsam Zeit. Ich konnte diesen übermütigen, hochnäsigen Kerl einfach nicht ausstehen.

Der Kampf mit Abbadon hatte deutliche Spuren auf Alecs Körper hinterlassen. Mit nacktem Oberkörper und einer bis zu seiner Brust hochgezogenen Decke lag er in seinem Bett und blickte mich mit großen, fast ungläubigen Augen an. Ich grinste, während ich meinen Mantel auszog und Alec dabei nicht aus den Augen ließ. „Schön, dass du wach bist.", stellte ich mit erfreuter Stimme fest. Vorsichtig setzte ich mich neben ihn aufs Bett. Die Matratze gab nach unter meinem Gewicht, als ich noch ein Stück näher an Alec heran rutschte. „Ich hatte gehofft, diese blauen Augen nochmal zu sehen." Unbehagen machte sich in ihm breit. Als die Worte meine Lippen verlassen hatten und von einem frechen Grinsen meinerseits untermalt wurden, wandte Alec seinen Kopf für einen Augenblick zur Seite; wich meinen Blicken aus. „Kein Grund weg zu schauen, Alexander. Endlich bekommst du wieder eine etwas gesündere Gesichtsfarbe." Seine Wagen erröteten leicht und auch seine Lippen verzogen sich zwischenzeitlich zu einem zarten, kaum merklichen Lächeln. Ich konnte nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern. Wie konnte ich auch nicht? Ich hatte eben eine Schwäche für junge, attraktive Männer mit schwarzen Haaren und blauen Augen.

„Wie lange ...", begann Alec, räusperte sich und stockte. Das Sprechen schien ihm nach wie vor schwer zu fallen. Ganz gleich wie stark Schattenjäger auch waren; ganz unabhängig davon, dass sie das Blut der Engel in sich trugen, waren sie keine Götter. Auch ihnen konnte man Verletzungen zufügen und Alec hatte in diesem Kampf mehr als eine davon getragen. Abbadon hatte ihm ziemlich zugesetzt. Am liebsten hätte ich ihm eigenhändig jeden einzelnen Knochen aus seinem Körper gerissen, nur um sicherzugehen, dass er nie wieder in Versuchung geraten würde, Alec auch nur ein Haar zu krümmen. „Wie lange hab ich geschlafen?", fand er schließlich seine Stimme wieder. Ich allerdings zuckte lediglich mit den Schultern. Ich wusste es nicht. Wenn man erst einmal so lange auf diesem Planeten weilte wie ich, spielte Zeit irgendwann keine Rolle mehr. „Drei oder vier Tage bestimmt.", erwiderte ich dann und entfernte langsam die Handschuhe von meinen Händen.

„Was dagegen, wenn ich mir mal den Verband ansehe?" Alec schüttelte den Kopf. Mit seinem Einverständnis machte ich mich langsam an seinem Verband zu schaffen. Zärtlich ließ ich meine Finger über die weiche Bettdecke gleiten und schob sie ein Stück weiter nach unten. Ich entblößte seine nackte Brust und somit auch den Verband, der quer über seinen Körper verlief. Vorsichtig öffnete ich den Knoten und entfernte den Verband von seiner Brust. Die Wunde war ziemlich gut verheilt; besser, als ich erwartet hatte. Ich grinste zufrieden vor mich hin. „Fast verheilt. Eins muss man euch Nephilim lassen, ihr seid hart im nehmen."

Langsam ließ ich meine Hände über seine Brust gleiten; versuchte das letzte bisschen Dämonenenergie auszumachen, dass sich in seinem Körper fest gesogen hatte und hielt ein paar Millimeter über der frischen Narbe inne. „Gute Gene.", erwiderte Alec kurze Zeit später. „Wirklich gute Gene.", wiederholte ich lächelnd und rieb meine Hände aneinander. „Ich werde ein letztes Mal einen Heilzauber aussprechen, danach sollte es gut sein. Könnte sein, dass es dir gleich etwas wärmer wird, Alexander. Aber das stört dich sicher nicht, oder?" Ich ließ ihn gar nicht zu Wort kommen, sondern begann gleich mit dem Heilzauber. Kleine blaue Funken bildeten sich zwischen meinen Fingern und wandten sich um die eigene Achse. Ich wartete einen Augenblick, sog sämtliche Energie in mich auf und platzierte meine Hände dann ganz vorsichtig auf seiner Brust; auf der bereits verblassten Narbe. Alec's Augen waren geschlossen und ein leises Keuchen glitt über seine Lippen, als meine Hände seine nackte Haut berührten. Ich lächelte triumphierend in mich hinein und sprach einen letzten Heilzauber, der hoffentlich helfen würde, seinen geschundenen Körper wieder auf Vordermann zu bringen.

When Worlds Collide | Magnus BaneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt