Kapitel 36

6 3 1
                                    

Ich würde lügen würde ich behaupten, dass ich das hier ausgesprochen gerne tat. Doch was tat man nicht alles für den Schattenjäger, an den man sein Herz verloren hatte? Auf der einen Seite war ich froh darüber, dass Alec mein Angebot angenommen hatte, ihn zu dem Gespräch mit seinen Eltern zu begleiten. Das zeugte nur davon, dass ich ihm offensichtlich ebenso wichtig war, wie er mir, ganz zu schweigen davon, dass er nicht so einfach wieder das Handtuch werfen würde.

Ich kam mir vor wie ein schüchterner Schuljunge beim Nachsitzen. Ein Junge, der eigentlich immer brav war, dann zum ersten Mal Mist gebaut hatte und zur Strafe unter Aufsicht des strengsten Lehrers ein paar Stunden absitzen musste in einem Raum, der stickig war und ohne Fenster. Ich hatte es mir so bequem wie möglich auf den harten Holzstühlen in der Bibliothek gemacht. Alec saß auf dem Stuhl neben mir und machte einen ungemein nervösen Eindruck. Robert und Maryse, gekleidet in voller Kampfmontur mit grimmigen Ausdrücken im Gesicht, insbesondere Robert, saßen uns gegenüber, beide die Arme vor ihrer Brust verschränkt und beäugten uns argwöhnisch. So, als hätten wir tatsächlich etwas angestellt.

Lässig lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück, schlug ein Bein über das andere und erwiderte ihre grimmigen Blicke. Für gewöhnlich hätte ich jetzt einen dummen Spruch nach dem anderen gebracht, zumindest um die sich immer mehr versteifende Situation ein wenig aufzulockern, doch Alec zu Liebe hatte ich versprochen, erst einmal meinen Mund zu halten, das Gespräch stumm zu verfolgen und erst einzuschreiten, wenn Alec meine Hilfe brauchte und womöglich wieder die Fetzen flogen. Irgendwann im Laufe des Tages war Robert nach Hause zurückgekehrt, wusste nach wie vor Niemand, wo er sich aufgehalten hatte. Im Prinzip interessierte es mich auch gar nicht; solange er fair gegenüber seinem Sohn blieb, konnte er tun und lassen was er wollte.

Maryse, die den Tränen mit jedem Blick auf Alec ein wenig näher kam, räusperte sich, legte ihre Hände flach auf dem vor uns befindlichen Tisch ab und zwang sich zu einem kaum merklichen Lächeln. „Alec ... es ... es tut uns Leid.", begann sie. Ihre Stimme bebte bei jedem einzelnen ihrer Worte. Alec, der ebenfalls mit wütendem Gesichtsausdruck an unserem Tisch saß, seine Arme grimmig vor seiner Brust verschränkt, würdigte sie keines Blickes. Während Maryse dabei war, sich für ihr Verhalten und das ihres Mannes zu entschuldigen, blieb Robert erst einmal ruhig, betrachtete das Schauspiel, das Maryse hier gerade ablieferte und sagte kein Wort. Auch ich blieb, wie ich es Alec versprochen hatte, erst einmal ruhig und verfolgte den Verlauf des Gesprächs zwischen Mutter und Sohn.

„Wir haben vielleicht etwas überreagiert.", fuhr sie fort. „Aber du musst auch unseren Standpunkt verstehen."

„Was für ein Standpunkt?", erwiderte Alec vorwurfsvoll. „Dass ihr was gegen Schwule habt?" Robert verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als diese Worte Alecs Mund verließen. Auch Maryse zuckte bei seiner Stimme leicht zusammen. Schwul war wohl nicht gerade ein Wort, das sie gerne hörten, schon gar nicht in Zusammenhang mit ihrem einzigen Sohn. „Nein.", begann Maryse stotternd. „So ist das nicht. Wir haben nichts gegen Schwule..."

„Nicht generell.", unterbrach Robert seine Frau und fing sich von mir dafür einen warnenden Blick ein. Auch Maryse funkelte ihn für einen Augenblick über ihre Schulter hinweg an, dann wandte sie sich wieder an Alec. „Auch ihr habt also nur was gegen Schwule, wenn ich es bin?", harschte Alec seine Eltern wütend an. Maryse senkte den Blick und lauschte. „Nein, so ... so ist das nicht.", stotterte sie unbeholfen. „Aber der Rat ..."

„Ja ja immer ist es der Rat." Nun war es Alec, der seine Mutter unterbrach und nicht zu Wort kommen ließ. „Was hat es denn den Rat zu interessieren, ob ich auf Frauen oder Männer stehe? Ist das nicht im Prinzip meine Sache?"

„Du weißt das es nicht mehr viele von uns gibt."; machte Maryse ihn noch einmal auf die aktuelle Situation der Schattenjäger aufmerksam. „Der Rat ist die Fortpflanzung unserer Rasse eben sehr wichtig. Und da es ohnehin nicht mehr viele in unseren Reihe gibt, ist es wichtig, dass ..."

When Worlds Collide | Magnus BaneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt